Der Tagesspiegel - 09.11.2019

(Darren Dugan) #1
In Berlin wird derzeit so viel gebaut wie
lange nicht. Fast 17000 Wohnungen sind
allein im vergangenen Jahr in der Haupt-
stadt entstanden – ein Rekord in diesem
Jahrzehnt. Daneben gibt es Baustellen an
jeder Ecke. Fahrradwege werden errich-
tet, Straßen saniert. Doch wer viel bauen
will, braucht viele Bauingenieure. Und
diekönntenindenkommendenJahrenrar
werden,vorallemindenBerlinerVerwal-
tungen. Bis zum Jahr 2028 wollen allein
dieBerlinerBezirkelautErhebungderSe-
natsverwaltung für Finanzen insgesamt
fast280StellenimBauingenieurwesenbe-
setzen. „Der Bedarf wird voraussichtlich
weiter steigen“, erklärt eine Sprecherin.
Insbesonderedann,wennBerlinweiterso
starkwachseundmehrWohnraumundIn-
frastruktur bereitgestellt werden müsse.
Das Problem: Viele
Dienststellen bekla-
gen schon jetzt, dass
geeignete Bewerber
nurschwerzufinden
sind.
Unddasistkeines-
fallsnureinProblem
deröffentlichenVer-
waltungen. Auch die
freie Bauwirtschaft
braucht dringend
technischen Nach-
wuchs,sagtIngoRauhut,derbeimVerein
Deutscher Ingenieure (VDI) Geschäfts-
führer für den Bereich Beruf und Arbeits-
markt ist. Nach dem aktuellen Ingenieur-
monitorvomInstitutderDeutschenWirt-
schaft (IW) kommen in Deutschland auf
einen arbeitslosen Bauingenieur im
Schnitt sechs freie Stellen. In Berlin und
Brandenburg ist der Mangel mit drei Job-
angeboten pro Arbeitslosem zwar noch
amgeringsten.EineEntspannungseiaber
nicht in Sicht, sagt Rauhut. Schließlich

brauche es viele Ingenieure, um den ho-
henInvestitionsstaubeiInfrastrukturpro-
jekten abzuarbeiten.
In den öffentlichen Verwaltungen sind
Bauingenieure meist damit beschäftigt,
die Arbeit der Berufskollegen aus der
freien Wirtschaft zu begleiten, zu prüfen
und zu genehmigen. Mit ihrer Expertise
unterstützen sie die Stellen teils auch bei
rechtlichen Verfahren. Im öffentlichen
Dienst sind aber nicht nur Bauingenieure
beschäftigt. Auch Umweltschutzaufga-
ben gehören zu den Aufgabenfeldern von
technischen Experten, wie etwa das Aus-
weisen von Schutzgebieten oder die Pla-
nung der Abfall- und Gewässerbewirt-
schaftung. Auch im Maschinenbau oder
derAgrarwissenschaftsindIngenieureim
öffentlichen Dienst angestellt oder auch
als Beamte tätig. Ihr Anteil ist gegenüber
denBauingenieuren allerdings gering.
„Der öffentliche Dienst steht natürlich
im Wettbewerb zur freien Wirtschaft“,
sagt Rauhut. Doch meist würden öffentli-
che Arbeitgeber ihre Ingenieure schlech-
ter bezahlen – ein Nachteil auf der Suche
nach Fachkräften. Wie viel Geld die Inge-
nieure in den Verwaltungen bekommen,
hängt maßgeblich vom Hochschulab-
schluss ab. Angestellte Ingenieure mit
Fachhochschuldiplom oder Bachelortitel

steigen in der Regel nach den Tarifverträ-
gen des öffentlichen Dienstes (TVöD) in
der Entgeltgruppe zehn ein, was einem
Monatsgehalt von mindestens 3300 Euro
entspricht. Wer einen Masterabschluss
hat, wird beim Einstieg meist der Entgelt-
gruppe 13 zugeordnet und verdient da-
mit gleich mindestens 4000 Euro im Mo-
nat. Laut Gehaltsvergleichsportalen be-
kommen Ingenieure in der freien Wirt-
schaft dagegen Durchschnittsgehälter
von rund 4400 Euro monatlich.
„Der öffentliche Dienst kann für einige
dennochattraktivsein“,sagtRauhut.Inge-
nieure in den Verwaltungen hätten meist
einesehrhoheArbeitsplatzsicherheitund
feste Arbeitszeiten, wodurch sich Beruf
und Familie gut vereinbaren ließen. Ein
weiterer Vorteil: „Wer im öffentlichen
Dienst angestellt ist, hat die zu begleiten-
den Bauprojekte meist in der Nähe“, sagt
Rauhut. Viele würden sich dennoch für
dashöhere Gehalt entscheiden.
Die öffentlichen Stellen wissen das –
und suchen nach Lösungen. In Einzelfäl-
len zahlen Verwaltungen mittlerweile
eine Fachkräftezulage von bis zu 1000
Euro monatlich. Das Extragehalt gibt es
zunächst für maximal fünf Jahre, kann je-
doch bis zu einer Gesamtdauer von zehn
Jahren verlängert werden. Ob und wie oft
dieZulage genutzt wird,entscheidet aller-
dings jede Dienststelle in eigener Verant-
wortung. Der öffentliche Dienst könnte
sein Image als Arbeitgeber auch mit Zu-
satzleistungen verbessern, schlägt Rau-
hut vor. „Verwaltungen könnten Inge-
nieure bei städtischen Immobilien oder
Kita-Plätzen bevorzugen, um attraktiver
zuwerden.“Probleme beim Wechsel zwi-
schen der freien Wirtschaft und dem öf-
fentlichen Dienst sieht Rauhut nicht.
Durch den Mangel auf dem Arbeitsmarkt
stünden die Türen für Ingenieure nahezu
überall weit offen. Wer den Arbeitgeber
wechselt, sollte aber nachrechnen: Wie
hochsinddieGehaltseinbußen?Kannder

Partner mehr arbeiten, wenn der Inge-
nieurmehr Zeitfürdie Familiehat?
UmdenNachwuchssorgtsichBerlinbe-
reits: Seit drei Jahren arbeitet der Senat
mit der Hochschule für Wirtschaft und
Recht(HWR)beiderAusbildungvonBau-
ingenieuren zusammen. Anwärter absol-
vierenanderHochschuleeinBachelorstu-
dium und arbeiten parallel in der Verwal-
tung. Dafür erhalten die Studenten im
Schnittknapp1000EuroalsAusbildungs-
vergütung. In der Regel bietet die jewei-
lige Einstellungsbehörde, also die Senats-
verwaltungenoderBezirke,denAbsolven-
tendanachdieÜbernahmeeinerStellean.
DieHoffnung:WerdieVorzügedesöffent-
lichen Dienstes kennengelernt hat, der
bleibt.ZumkürzlichbegonnenenWinter-
semester hat der Senat die Studienplätze
noch einmal aufgestockt. Bis zum Jahr
2022 sollen so 240 Bauingenieure ausge-
bildetwerden.

In diesem Jahr liegen Heiligabend und
Weihnachten in der Woche. Nun würde ich
mit meiner Familie in dieser Zeit gern in
die Berge fahren. Wieviel Urlaub muss ich
dafür nehmen? Es ist ja davon auszugehen,
dass meine Kollegen ähnlich planen. Ich
bin Biologe und arbeite in einem Labor. Un-
sere Forschungsabteilung muss in dieser
Woche aber grundsätzlich besetzt sein, da-
mit keine Ergebnisse verloren gehen. Wer
hat dann das Vorrecht auf freie Tage?


Heiligabend und die beiden Weihnachts-
feiertage liegen indiesem Jahr sehrarbeit-
nehmerfreundlich. Die beiden Weih-
nachtsfeiertage sind gesetzliche Feier-
tage, so dass diese per se arbeitsfrei sind.
Heiligabend ist ein normaler Werktag; al-
lerdings gibt es wohl bei jedem Arbeitge-
ber eine Regelung, nach der sich die An-
gestellten mit einemfreien zeitlichenPuf-
fer auf Heiligabend vorbereiten und die-
sen mit Abstand zur Arbeit feiern kön-
nen. So geben oft Arbeitgeber bereits ab
Mittag frei oder verkürzen die Öffnungs-
zeiten. In Ihrer Abteilung scheint die Si-
tuation anders zu sein.
Es gibt einige Ausnahmen vom Grund-
satz,inderen Fallan gesetzlichen Feierta-
gen keine Arbeitsverpflichtung besteht.
Maßgeblich istinsoweit immerdieEigen-
artdes Unternehmens oder von Abteilun-
gen des Unternehmens. Hauptfälle die-
ser Ausnahmen sind natürlich Unterneh-
men der Daseinsvorsorge wie Kranken-
häuser oder aber Feuerwehren und die
Bahn.Eine weitere Ausnahme gilt fürUn-
ternehmen, die Forschungsarbeiten be-
treiben und bei denen auch an Feiertagen
gearbeitet werden muss, um zu vermei-
den, dass Ergebnisse gefährdet werden.
So ist es offensichtlich bei Ihnen, so dass
in Ihrem Betrieb unterschiedliche Feier-
tagsregelungen etwa für Verwaltungs-
und Forschungsmitarbeiter gelten.
Was Ihren Urlaubswunsch anbelangt,
müssten Sie zunächst klären, ob Sie so
kurzfristig, ein paar Wochen vor Weih-
nachten, überhaupt noch einen Urlaubs-
antrag einreichen können. Im Gegensatz
zu Verwaltungsmitarbeitern Ihres Unter-
nehmens müssten Sie aber fünf Urlaubs-
tage nehmen, um in der 52. Kalenderwo-
che eine volle Woche Urlaub zu haben.
Sollte es noch möglich sein, den Ur-
laub zu beantragen, sind Ihre Chancen,
ihn auch gewährt zu bekommen, recht
gut. Wie auch zu anderen Haupturlaubs-
zeiten gilt über die Weihnachtsfeiertage
der Grundsatz, dass der Arbeitgeber Ur-
laubsanträgenunterBerücksichtigungan-
derer Urlaubsanträge stattzugeben hat.
Eltern genießen hier durchweg eine Bes-
serstellung im Vergleich zu alleinstehen-
denArbeitnehmern undArbeitnehmerin-
nen. Allerdings können sie nicht erwar-
ten, dass Ihr Unternehmen bereits geneh-
migte Urlaube von Kollegen zu Ihren
Gunsten widerruft. Foto: Thilo Rückeis



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KARRIEREFrage


Recht auf Urlaub


an Weihnachten?


Vor allem dasBezirksamt Charlotten-
burg-Wilmersdorfsucht derzeit zahlrei-
che Bauingenieure, zum Beispiel für
denTiefbau. Die technischen Experten
sollen sich unter anderem um die Aus-
schreibung und Bauleitung sowie die
Abrechnung und Abnahme von Straßen-
baumaßnahmen kümmern. Die Bewer-
bungsfrist endet am 22. November.
Auch für die Planung undBegleitung
von Radwegeprojektensucht der
West-Bezirk mehrere Ingenieure. Hier
endet die Bewerbungsfrist am 15. No-
vember. Bewerben können sich Inge-
nieure mit Bachelorabschluss im Studi-
engang Bauingenieurwesen, Verkehrs-
wesen oder einer thematisch vergleich-
baren Fachrichtung. Internet: http://www.ber-
lin.de/karriereportal/stellen/jobportal;
oder https://bit.ly/2NSjXYJ lme

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Ein-Euro-Jobber:
Für passendere Aufgaben eingesetzt
Ein-Euro-Jobswerdeninzwischenpassge-
nauer eingesetzt als dies in früheren Jah-
ren der Fall war. Zu diesem Ergebnis
kommt eine in Nürnberg veröffentlichte
StudiedesInstitutsfürArbeitsmarkt-und
Berufsforschung (IAB). An der Wirksam-
keitderEin-Euro-JobshinsichtlichderIn-
tegration in reguläre Beschäftigung habe
sich dagegen wenig verändert, heißt es.
Kurzodermittelfristigverringeresieeher
dieWahrscheinlichkeit, einereguläre Tä-
tigkeit aufzunehmen, unter anderem da
die Teilnehmer während der Maßnahme
weniger Zeit für die Arbeitssuche hätten
als Nicht-Teilnehmer. Die Studie ergab
auch, dass Ein-Euro-Jobs vermehrt in Be-
reichen wie Landschaftspflege mit gerin-
geren Beschäftigungschancen konzen-
triertsind.DiessenkedasRisiko,dadurch
reguläre Jobs zu verdrängen, gleichzeitig
aberauchdieWahrscheinlichkeit,danach
in diesem Bereich regulär beschäftigt zu
werden. Langfristig betrachtet seien aber
günstigere Wirkungen nicht ausgeschlos-
sen.Ein-Euro-Jobsseienfürarbeitsmarkt-
ferne und nicht sofort in Beschäftigung
vermittelbare Personen weiter ein geeig-
netesMittel,umzuverhindern,dassdiese
sich ganz vom Arbeitsmarkt zurückzö-
gen. KNA

Weihnachtsgeld 2019:
Viele Tarifbeschäftigte erhalten es
Fast neun von zehn Tarifbeschäftigten in
Deutschland (86,9 Prozent) erhalten im
laufenden Jahr Weihnachtsgeld. Wie das
StatistischeBundesamtin Wiesbaden mit-
teilte, beträgt dasdurchschnittlicheWeih-
nachtsgeld 2632 Euro brutto. Das sind
1,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Unter
allen Branchen erhalten Tarifbeschäf-
tigte im Bereich „Gewinnung von Erdöl
und Erdgas“ das höchste durchschnittli-
che Weihnachtsgeld, nämlich 5780 Euro.
Ebenfalls deutlich über dem Durch-
schnitt liegt das tarifliche Weihnachts-
geld bei den Rundfunkanstalten mit 5274
Euro sowie im Bereich „Energieversor-
gung“ mit 4923 Euro. Das niedrigste
Weihnachtsgeld erhalten nach den Anga-
ben die Tarifbeschäftigten im Bereich
„Vermittlung und Überlassung von Ar-
beitskräften“ mit durchschnittlich 318
Euro, gefolgt von den Bereichen „Land-
wirtschaft, Jagd und damit verbundene
Tätigkeiten“ mit 492 Euro sowie „Wach-
und Sicherheitsdienste sowie Detek-
teien“ mit 510 Euro. epd

Freigestellt von der Arbeit:
Keine Nachteile für Betriebsräte
Wer für Nachtschichten Zuschläge er-
hält,muss diese auch alsfreigestellterBe-
triebsrat bekommen. Das zeigt ein Urteil
des Arbeitsgerichts Dresden (Az 13 Ca
2259/18),aufdas derBund-Verlag auf sei-
nem Blog für Betriebsräte hinweist. Ein
Arbeitgeber könne sich nicht hinter dem
Verbot der Begünstigung von Betriebs-
ratsmitgliedern verstecken. Im konkre-
ten Fall war ein langjähriger Arbeitneh-
mer als Betriebsrat voll freigestellt wor-
den. Bis dahin hatte er im
Vier-Schicht-System entsprechende Zula-
gen erhalten. Mit der Arbeitgeberin war
vereinbart worden, dass ihm die monatli-
chen Zulagen von 1191,91 Euro weiter
gezahlt würden. Einige Monate später
zahlte ihm seine Chefin aber nur noch
200 Euro. Begründung: Sie dürfe ihn we-
gen des Ehrenamts nicht besser bezahlen
als andere Arbeitnehmer. Der Mann
klagte daraufhin, und das Gericht gab
ihm Recht. Betriebsratsmitglieder dürfen
wegen ihres Ehrenamts zwar nicht bevor-
zugt werden, aber auch keine Nachteile
erleiden. Daher darf sich ihr Gehalt
durch die Betriebsratstätigkeit nicht ver-
ringern.InderPraxisseigeradedasoftein
Problem, betont derBund-Verlag. dpa

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Von Laurin Meyer

Berliner Unterwelten.Hier wird der Tunnel für die U-Bahnlinie 5 ausgebaut. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

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