Andreas Seifert
Das Phantom der Möbel
A
ls Andreas Seifert im vergan-
genen Jahr vor Gericht in
Dortmund erschien, um sich
mit dem Steinhoff-Konzern um die
Anteile an der Möbelkette Poco zu
streiten, hatte er eine große Sorge.
„Bloß keine Fotos von mir, bitte kei-
ne Fotos“, erbat er von Journalisten.
Je größer das Unternehmen des ös-
terreichischen Möbelhändlers wird,
desto scheuer wird Seifert. In den
90ern, als er begann, mit der Über-
nahme regionaler Möbelhändler wie
Neubert in Würzburg den Markt auf-
zurollen, zeigte er sich noch bereit-
willig den Fotografen. Er buhlte da-
mals um Vertrauen in der deutschen
Möbelbranche. Doch nun in Zeiten
seines märchenhaften Erfolgs will
Seifert möglichst unerkannt bleiben.
Sein Appetit auf noch mehr Größe
scheint unstillbar. Mit einem Umsatz
von fast sechs Milliarden Euro ist sei-
ne XXXLutz-Gruppe jetzt einer der
größten Möbelhändler der Welt. Na-
türlich hat er auch den Streit mit
Steinhoff gewonnen, mittlerweile ge-
hört ihm Poco komplett.
Im Kernmarkt Deutschland hat Sei-
fert seine Marktmacht nun erneut
ausgebaut. XXXLutz übernimmt 50
Prozent der Möbelketten Roller und
Schulenburg vom Familienunterneh-
men Tessner. Damit ist er beteiligt an
130 Roller-Märkten, acht Schulen-
burg-Einrichtungszentren und 20
Möbel-Discountmärkten SB Lager-
kauf. Ein Kaufpreis wird nicht ge-
nannt. Das Kartellamt muss aller-
dings noch zustimmen. Damit
kommt Seifert seinem Ziel näher. Der
66-jährige Jurist will die Nummer
eins im deutschen Möbelhandel wer-
den. Vor ihm liegt nur noch Ikea mit
einem Deutschland-Umsatz von fünf
Milliarden Euro, XXXLutz kommt auf
3,8 Milliarden Euro.
Familie Tessner nennt den Deal
mit XXXLutz eine „strategische Part-
nerschaft“. Roller und Schulenburg
sollen unabhängig mit eigenem Ma-
nagement am Markt bleiben. Das ist
ein Vorgehen, das Seifert gerne zu-
lässt, um am Ende die absolute Kon-
trolle zu bekommen. Mit dem Deal
begibt sich Familie Tessner in Abhän-
gigkeit von ihrem neuen Mitgesell-
schafter. Beide Tessner-Ketten wer-
den Mitglied im von XXXLutz ge-
gründeten Giga-Einkaufsverband. Er
ist mit einem Einkaufsvolumen von
8,4 Milliarden Euro einer der größten
Verbünde in Deutschland. Mit Roller
und Schulenburg kommen noch mal
1,4 Milliarden Euro Umsatz hinzu.
Hinter vorgehaltener Hand stöh-
nen Möbelhersteller auch in Seiferts
österreichischer Heimat über die
Marktmacht von XXXLutz. „Es ist ein
knallhartes Geschäft geworden“, sagt
der Eigentümer eines bekannten Mö-
belherstellers. „XXXLutz ist sehr gut
aufgestellt und gemanagt. Das fühlt
sich für die Hersteller aber nicht im-
mer gut an. Da gibt es auch heraus-
fordernde Situationen“, formuliert
der Geschäftspartner vorsichtig.
Beim Aufbau von XXXLutz haben
Andreas Seifert und sein vor zwei
Jahren verstorbener Bruder Richard
stets auf Größe gesetzt. Dabei fing al-
les ganz klein an. Ihre Mutter Gertru-
de Seifert gründete 1945 eine Werk-
statt für Bauernmöbel. Ende der 70er
übernahmen die Söhne – und expan-
dierten aggressiv, meist über Zukäu-
fe. Dabei agierten sie nicht zimper-
lich. Vor Konflikten hat Seifert keine
Scheu. Doch nicht immer gewinnt
der raubeinige Unternehmer. So er-
stritt Verdi vor Gericht einen Sozial-
plan für Mitarbeiter, die bei der
Schließung eines XXXLutz-Lagers in
Mannheim arbeitslos wurden. Florian
Kolf, Hans-Peter Siebenhaar
Der Chef des Möbelhändlers
XXXLutz aus Österreich steigt
bei den Möbelketten Roller
und Schulenburg ein – und
baut so sein Imperium aus.
Thomas Pilz, Susanne Kunschert
Hackerangriff auf
Sicherheitsspezialist
Seit Sonntag ist das
Familienunternehmen Pilz
Opfer einer Cyberattacke.
Diese trifft den Kern des
Automatisierungsspezialisten.
S
eit Sonntag ist die Welt beim
Vorzeigemittelständler Pilz
nicht mehr in Ordnung. Der Si-
cherheitsspezialist für vernetzte In-
dustrie wurde Opfer einer massiven
Hackerattacke. Die Geschwister Tho-
mas Pilz und Susanne Kunschert ste-
hen vor ihrer wohl härtesten Bewäh-
rungsprobe, seit sie Anfang 2018 von
ihrer Mutter Renate Pilz die Ge-
schäftsführung übernommen haben.
Auch zwei Tage später waren welt-
weit sämtliche Server- und PC-Ar-
beitsplätze inklusive des Kommuni-
kationsnetzwerkes von Pilz betroffen.
Die Website funktionierte am Diens-
tag immer noch nicht. Vorsorglich
habe Pilz sämtliche Computersyste-
me vom Netz genommen und den
Zugang zum Unternehmensnetzwerk
gesperrt, ließen die Geschwister mit-
teilen. Sie haben einen Krisenstab ge-
bildet. Die Staatsanwaltschaft ist ein-
geschaltet und das Bundesamt für Si-
cherheit in der Informationstechnik
benachrichtigt.
Es sieht nicht nach Zufall aus, dass
ausgerechnet der Hersteller von Au-
tomatisierungstechnik Opfer der At-
tacke wurde. Die Schwaben wurden
berühmt durch den roten Notaus-
Knopf, der überall in der Industrie zu
finden ist. Inzwischen erstreckt sich
die Sicherheitstechnik von Pilz auch
auf optische und digitale Überwa-
chung von Industrieanlagen und
Schutz vor unbefugten Zugriffen aus
dem Netz auf Anlagen und Daten.
Thomas Pilz hatte schon immer vor
der zunehmenden Gefahr von Cyber-
angriffen gewarnt. „In der Industrie
4.0 definieren digitale Daten und ihr
effizienter Austausch den Produkti-
onsprozess. Wenn alles mit allem
kommuniziert, steigt der Bedarf an
abgesicherter Kommunikation“, be-
schrieb Pilz bei der Bilanzvorstellung
im Mai das wichtigste Wachstumsfeld
des Unternehmens.
Der Firmenchef selbst gibt jeden
USB-Stick, den er bei Veranstaltun-
gen in China bekommt, zuerst zum
Sicherheitscheck seiner IT-Abteilung.
„Da wurden regelmäßig Trojaner ge-
funden. Wir gehen davon aus, dass
sie dazu dienen sollen, unser Firmen-
netz auszuspähen“, sagte Pilz da-
mals. Woher der aktuelle Angriff
kommt, ist noch nicht bekannt. Aber
er trifft den Mittelständler in seinem
mit Abstand wichtigsten Zukunfts-
feld. Martin Buchenau
XXXLutz-
Werbezeichen
„Roter Stuhl“:
Eigentümer Andreas
Seifert lässt sich
nicht fotografieren.
shpock
Thomas Pilz und Susanne Kun-
schert: Ein Cyberangriff wird zum
Härtetest für das Geschwisterduo.
Pilz
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Familienunternehmen des Tages
MITTWOCH, 16. OKTOBER 2019, NR. 199
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