Die Welt - 08.08.2019

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08.08.19 Donnerstag, 8. August 2019DWBE-HP



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ie Grünen und ihre
Untergruppierung SPD
fordern eine höhere
Besteuerung von Fleisch. Es sei
nicht zu erklären, warum
Fleisch mit sieben Prozent und
Hafermilch mit 19 Prozent
besteuert werde. Die Grünen
sind eigentlich lange genug im
Politikbetrieb, um eine Er-
klärung für solche Phänomene
zu finden. Es gibt zum Beispiel
keine subventionierte Massen-
haferhaltung in Deutschland,
deshalb kann man das Produkt
auch nicht so billig verschleu-
dern wie Fleisch. Außerdem
sollen die Grünen mal erklären,
wie man überhaupt Hafer mel-
ken kann, das geht doch nicht
mit rechten Dingen zu. Wer
unbedingt Hafermilch trinken
will, der zahlt die 19 Prozent
Mehrwertsteuer allein zu seiner
Sicherheit. Auf jeden Fall ist
Hafermilch das Bahnticket
unter den Nahrungsmitteln, es
kann nicht mehr lange dauern,
bis Markus Söder, der grüne
Fuchs, die Abschaffung der
Mehrwertsteuer auf Hafermilch
fordert, damit mehr Menschen
vom Inlandfleisch auf Hafer
umsteigen. Wahrscheinlich
wird also die mehrwertsteuer-
befreite Hafermilch das Fort-
bewegungsmittel der Zukunft.

ZZZippert zapptippert zappt


SchlussSchlussSchlussSchlussSchluss EZB-KursEZB-Kurs ��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr��.�� Uhr

Dax Euro Dow Jones

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DAX


Im Plus


Seite 15


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ie Zerstörung des Amazonas-Re-
genwaldes hat wieder drama-
tisch zugenommen. Im Monat
Juli wurde mehr als drei Mal so viel Re-
genwald abgeholzt wie im gleichen Mo-
nat des Vorjahres, wie das staatliche
Weltrauminstitut INPE in Brasilien am
Dienstagabend (Ortszeit) bekannt gab.
Bereits im Juni war die Abholzung 88
Prozent höher als im Vorjahresmonat.
Seit dem Amtsantritt des rechten Präsi-
denten Jair Bolsonaro am Jahresanfang
hat die Zerstörung des weltgrößten Re-
genwaldes ein Rekordniveau erreicht.
Bolsonaro hatte die alarmierenden Da-
ten von INPE, das seit 30 Jahren die Ab-

holzung des Regenwaldes via Satellit do-
kumentiert, öffentlich als „Lüge“ abge-
tan und als „Umweltpsychose“ bezeich-
net. Dem Chef von INPE, Ricardo Osório
Galvão, warf er vor, „im Auftrag interna-
tionaler Nichtregierungsorganisationen“
zu handeln und das internationale Anse-
hen von Brasilien zu beschmutzen.
Ende vergangener Woche verfügte
Bolsonaro die Entlassung Osório Galvã-
os. Die brasilianische Akademie der Wis-
senschaften und zahlreiche Klimaexper-
ten stellten sich auf die Seite des interna-
tional anerkannten Wissenschaftlers.
Schon im Jahr 2018 war in Brasilien so
viel Regenwald vernichtet worden wie

seit einem Jahrzehnt nicht mehr. 2019
wird das Vorjahr übertreffen, sind sich
Experten sicher. Derzeit verschwindet
im Amazonasgebiet eine Waldfläche von
bis zu drei Fußballfeldern pro Minute.
Der Amazonaswald gilt als „Lunge der
Erde“ und spielt im globalen Klima-
schutz eine unverzichtbare Rolle. 60 Pro-
zent des Amazonas-Regenwaldes befin-
den sich in Brasilien. Dessen Bäume ver-
arbeiten jedes Jahr zwei Milliarden Ton-
nen Kohlendioxid und spenden 20 Pro-
zent des Sauerstoffs der Erde. Laut INPE
wurden im Juli in dem südamerikani-
schen Staat insgesamt 2254 Quadratkilo-
meter Wald abgeholzt, das entspricht

fast der Größe des Saarlands (2570 Qua-
dratkilometer). Die Satellitendaten zeig-
ten die größte Zunahme an Rodungen,
seit das Institut 2014 eine neue Methodik
zu deren Auswertung einführte.
Die Organisation SOS Mata Atlântica,
die sich dem Erhalt des Amazonas ver-
schrieben hat, bezeichnete die jüngsten
Zahlen als schweren Rückschlag. Ihre
Projektkoordinatorin Malu Ribeiro sagte
über Bolsonaro und seine Regierung: „Sie
versuchen, gewaltsam eine Agenda des
Abbaus, der Deregulierung umzusetzen,
unter völliger Missachtung für Institu-
tionen und Wissenschaft.“ Seit dem En-
de der Militärdiktatur 1985 „haben wir so

was nicht gesehen“. Bolsonaro bezwei-
felt, dass es Gefahren für die Menschheit
durch Klimawandel gibt und auch Berich-
te, dass unter seiner Regierung die Ama-
zonasrodung zugenommen habe. Falls
diese „absurden“ Zahlen zuträfen, „bin
ich Captain Kettensäge“, sagte er kürz-
lich bei einem Auftritt. Bolsonaro be-
trachtet den Regenwald als wirtschaft-
lich ungenutztes Potenzial und gilt als
Freund der Agrarlobby. So hatte er die
Idee in Umlauf gebracht, auch geschützte
Urwaldregionen für die Landwirtschaft
zu erschließen. Ein großer Teil der abge-
holzten Flächen wird für Rinderzucht
und Sojabohnenanbau genutzt. epd/AFP

AAAbholzung des Regenwalds nimmt dramatisch zubholzung des Regenwalds nimmt dramatisch zu


Im Juli wurden laut brasilianischem Weltrauminstitut 2254 Quadratkilometer gerodet – deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum


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Nordkoreas Machthaber
Kim Jong-un hat den jüngs-
ten Raketentest als Reaktion
auf eine Militärübung der
USA und Südkoreas bezeich-
net. Es sei eine Gelegenheit
gewesen, eine angemessene
Warnung zu senden, sagte
Kim laut staatlicher Nach-
richtenagentur KCNA. Seine
Raketen haben nun neue
Fähigkeiten. Seiten 7 und 10

REUTERS

/KCNA

Kims krachende


Kommunikation


D


ie Zahl der Auszubildenden
ist in Deutschland im ver-
gangenen Jahr zum zweiten
Mal in Folge gestiegen. 2018
schlossen 521.900 Men-
schen einen neuen Ausbildungsvertrag ab,
1 ,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Während
der Anstieg bei Männern 2,6 Prozent be-
trug, sank die Zahl der neuen Verträge bei
Frauen um 1,0 Prozent. Damit hält der seit
zehn Jahren zu beobachtende Trend, dass
Frauen immer seltener eine duale Ausbil-
dung ergreifen, an.

VON FLORIAN GEHM

Der größte Faktor, um die Nachfrage der
deutschen Wirtschaft nach Auszubilden-
den zu decken, waren im vergangenen Jahr
Männer aus Syrien und Afghanistan. Die
Zahl ihrer Ausbildungsverträge stieg um
111 4,8 Prozent 4,8 Prozent auf 13.900. Bei den neu abge-
schlossenen Ausbildungsverträgen von
Frauen aus Syrien und Afghanistan gab es
einen Anstieg um über 800 auf 1400. Diese
Zahlen bedeuten auch, dass die Zahl der
AAAuszubildenden ohne migrationsbedingtesuszubildenden ohne migrationsbedingtes
Azubi-Wachstum leicht rückläufig wäre.

Annette Widmann-Mauz (CDU), Staats-
ministerin für Integration im Bundeskanz-
leramt, lobte die Entwicklung: „Ausbil-
dung und Arbeitsplatz sind entscheidend
fffür die Integration. Sie bedeuten nicht nurür die Integration. Sie bedeuten nicht nur
Broterwerb, sondern soziales Miteinander
und Kontakt.“ Das sei auch im Interesse
der Gesamtgesellschaft, „denn unsere
Wirtschaft sucht händeringend nach Fach-
kräften“, sagte Widmann-Mauz WELT.
Der stellvertretende Hauptgeschäfts-
ffführer des Deutschen Industrie- und Han-ührer des Deutschen Industrie- und Han-
delskammertages (DIHK), Achim Dercks,
bestätigte aus Unternehmenssicht: „Der
Fachkräftemangel ist in vielen Bereichen
der Wirtschaft deutlich spürbar.“ Jährlich
investiere die deutsche Wirtschaft rund 23
Milliarden Euro in die Ausbildung ihrer
künftigen Fachkräfte. „Das finanzielle wie
persönliche Engagement ist beachtlich;
aaauch bei der Integration von Geflüchteten,uch bei der Integration von Geflüchteten,
die nur in den seltensten Fällen ohne zu-
sätzliches Engagement der Betriebe funk-
tioniert“, so Dercks.
Im vergangenen Jahr blieben in
Deutschland fast 50.000 Ausbildungsplät-
ze unbesetzt. Der Bedarf an Fachkräften
ist enorm. Jeder dritte Betrieb beklagte

2 018 freie Stellen. Der Grund: Viele Schul-
aaabgänger hätten unklare Vorstellungenbgänger hätten unklare Vorstellungen
üüüber Berufsbilder oder würden sich für einber Berufsbilder oder würden sich für ein
Studium entscheiden.
AAAuch Hans Peter Wollseifer, Präsidentuch Hans Peter Wollseifer, Präsident
des Zentralverbands des Deutschen Hand-
werks (ZDH), betonte die Notwendigkeit

von Ausbildung und Arbeit im Integrati-
onsprozess. Gleichzeitig sei die Zahl von
Flüchtlingen in der Ausbildung im Hand-
werk besonders gewachsen. Aktuell er-
lernten 18.000 Menschen aus den acht
häufigsten Asylzuzugsländern dort einen
Beruf, 70 Prozent mehr als im Vorjahr. Im
VVVergleich zu deutschen Auszubildendenergleich zu deutschen Auszubildenden
fffalle der Ausbildungsaufwand deutlicheralle der Ausbildungsaufwand deutlicher
höher aus. Zeitaufwendig sei etwa der
AAAusgleich mangelnder Sprach- und Fach-usgleich mangelnder Sprach- und Fach-
kenntnisse. „Um den Fachkräftebedarf zu
decken, ist eine gesteuerte, am Arbeits-
markt orientierte Einwanderung unerläss-
lich“, forderte Wollseifer. Enzo Weber
vom Institut für Arbeitsmarkt- und Be-
rufsforschung (IAB) sieht die Flüchtlinge
als wichtigen „Schub von zusätzlichen
jungen Leuten für unser Land“.
Die Integrations-Staatsministerin Wid-
mann-Mauz forderte, „dass Auszubildende
schnell Zugang zu ausbildungsbegleiten-
den Sprach- und Förderangeboten erhal-
ten, damit am Ende die Berufsausbildung
aaauch gelingt“. Zudem appellierte sie, denuch gelingt“. Zudem appellierte sie, den
Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt zu
verbessern – sie spielten eine wichtige Rol-
le bei der Integration. Seite 10

Azubi-Mangel: Afghanen


und Syrer mildern die Misere


Vor allem Männer aus zwei Hauptherkunftsländern von Flüchtlingen werden in den Arbeitsmarkt


integriert. Gleichzeitig verstärkt der Trend zum Studium die Sorgen der Wirtschaft


DIE WELT digital ISSN 0173-8437 183-32 ZKZ 7109
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Die Schwäche der deutschen In-
dustrie hat sich im Juni fortge-
setzt. Die Produktion sankim
Vergleich zum Vormonat um 1,
Prozent, wie das Statistische Bun-
desamt mitteilte. Der Rückgang
war dreimal so stark, wie Ana-
lysten im Mittel erwartet hatten.
Im Vergleich zum Vorjahresmonat
ging die Erzeugung im verarbeiten-
den Gewerbe um 5,2 Prozent zu-
rück. Das ist der stärkste Rück-
gang seit November 2009infolge
der globalen Finanzkrise. Seite 9

Talfahrt der Industrie


stärker als erwartet


E


ines der großen Integrations-
hemmnisse sind mangelnde
Sprachkenntnisse. Der Uni-
onsfraktionsvize Carsten Linnemann
hat dies adressiert, in ostwestfäli-
scher Schnörkellosigkeit und ohne je-
nen paternalistischen Schmelz, der
das Sprechen über Integration in
linksbürgerlichen Milieus zu einem
Verlogenheitsparcours der Extraklas-
se macht. Was er gesagt hat, war
harmlos. Durch eine Zuspitzung der
Interviewpassage durch die dpa wur-
de aus dem kühlen Befund über ein
Problem, das jeder kennt, der seine
Kinder nicht im Villenviertel zur
Schule bringt, ein Skandal.
AAAuf einmal war vom „Grundschul-uf einmal war vom „Grundschul-
verbot“ die Rede, und nun konnte der
eher gehemmte Herr Linnemann erle-
ben, dass Dinge, die man gar nicht ge-
sagt hat, sich besonders gut eignen,
um einen in die Pfanne zu hauen. Und
das tun nicht nur die üblichen Ver-
dächtigen, deren naives Weltbild die
Integrationvor allem als Idylle skiz-
ziert, sondern auch Andersdenkende
der eigenen Partei. Insbesondere und
einmal mehr aus dem Arbeitskreis der
Grünen in der Union, genannt Union
der Mitte. Aus Linnemann wurde in-
nerhalb weniger Stunden ein Rechts-
populist, Clown, Quasi-AfD-Mann.
Dass die Presseagentur vorbildlich die
unglückliche Überschrift zurückgezo-
gen und korrigierthatte, interessierte
niemanden. Im Gegenteil: Jetzt galt
der Konjunktiv. Er hatte es nicht ge-
sagt, aber er hätte es so sagen können.
Am nächsten Tag stellte sich Cars-
ten Linnemann einer Art Verhör im
Deutschlandfunk, und auch hier wur-
den raunende Kontexte bemüht, um
ihm, einem Mann der Mitte, das
schlimmste Adjektiv auf die Stirn zu
kleben: rechts! Warum? Weil er es ge-
wagt hatte, eine Realität anzuspre-
chen, die der Linksbourgeoisie ihr gu-
tes Gefühl bei der Integration, der
Feier von schlepperfreundlichen
Schiffskapitäninnenund dem Igno-
rieren migrantischer Gewalt nimmt.
Linnemann wurde als Störenfried
stellvertretend für eine der eigenen
Weltanschauung nicht passende Rea-
lität der Prozess gemacht.
Das Gute ist: Linnemann, bislang
stets viel zu verhalten, hat zurückge-
schlagen. Er hat deutlich gemacht,
dass diese veröffentlichte Meinung
nicht mehr übereinstimmt mit dem,
was er an der Basis und im Wahl-
kampf von Bürgern hört. Und dass
man darüber entweder offen und kon-
trovers spricht – oder aber ein Klima
der Angst schürt, in dem jedes falsch
zu verstehende Wort zur Entwertung
des Andersdenkenden führt.
Der Twitter-Gerichtshof hat getagt
und deutlich gemacht: Nicht nur, was
du sagst, ist gefährlich, wenn es Mo-
ral-Eliten nicht passt, sondern auch
das, was du gesagt haben könntest.

KOMMENTAR


TTTwitter-witter-


Gerichtshof


[email protected]


ULF POSCHARDT

**D2,80EUROB Nr. 183


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W


as seine Kollegen bei
der türkischen Ta-
geszeitung „Cumhu-
riyet“ mit Worten und Fotos
berichten, das drückt er mit
seinen Zeichnungen aus: Musa
Kart, preisgekrönter Cartoo-
nist. Bereits ab 1994 zeichnete
er mit teils spitzer Feder den
politischen Alltag in der Türkei.
Und das oft so treffend, dass er
2006 den Pressefreiheitspreis
der Türkischen Journalisten-
vereinigung erhielt. Doch das
war zu Zeiten, als es in der
Türkei so etwas wie Pressefrei-
heit gab. 2014 wurde er wäh-
rend eines Korruptionsskandals
wegen der „Beleidigung und
Verleumdung von Minister-
präsident Erdogan“ angeklagt.
Damals ließ das Gericht die
Anklage fallen. Kurz nach dem
Putschversuch 2016 jedoch
wurde Kart mit vielen seiner
Kollegen erneut verhaftet.
Der Vorwurf lautete auf Un-
terstützung der Kurdischen
Arbeiterpartei (PKK) und der
Gülen-Bewegung, die in der
Türkei als Terrororganisation
gilt. Nach mehr als einem Jahr
Untersuchungshaft entließ man
Kart zunächst aus dem Gefäng-
nis. Doch am 25. April 2018
wurde er zu drei Jahren und
neun Monaten Haft verurteilt.
Ein Jahr später wurde das Ur-
teil bestätigt – und so mussten
Kart und fünf seiner Ex-Kolle-
gen ihre Haftstrafe antreten.
Am 21. April 2019 stellten sie
sich freiwillig der Polizei.

#Free


them


all


Musa Kart AFP/ GETTY IMAGES


/ YASIN AKGUL

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