Die Welt - 08.08.2019

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2 FORUM DI E W E LT DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019


W


er uns Freien Demokraten
unterstellt, wir seien da-
von überzeugt, Probleme
wie Umweltzerstörung
und Klimawandel durch
Forschung und Innovatio-
nen lösen zu können, den
können wir beruhigen: Genau das sind wir – und zwar
aus guten Gründen. „Nichts ist beständiger als der
Wandel“, schrieb Charles Darwinim Jahr 1822. Im
Sinne dieses Bonmots sollten wir einen mutigen Blick
in die Zukunft werfen, und zwar auf jene Errungen-
schaften, die unsere Erkenntnisfähigkeit und unser
Erfindergeist schon sehr bald produzieren können.
Von der Dampfmaschine bis zum Smartphone haben
wir es innerhalb von gut 200 Jahren geschafft, und
auch wenn einige Innovationen dunkle Schattenseiten
haben, lautet unsere liberale Lesart: Wir verdanken
jeden einzelnen Funken unserer heute als selbst-
verständlich empfundenen Freiheit, unsere Gesund-
heit und unseren Wohlstand dem technologischen
und intellektuellen Fortschritt.
Und so haben wir nun auch die Einsicht in die Not-
wendigkeit erlangt, schleunigst Technologien zu ent-
wickeln, die den globalen Fortschritt von der Umwelt-
verschmutzung entkoppeln. Mit dem Emissionshan-
delgibt es bereits ein ausgeklügeltes System, das
klimafreundliche Innovationen fördert, indem der
Staat den Ausstoß von Treibhausgasen immer stärker
limitiert, wodurch er immer teurer wird. Auf diese
Weise kombiniert er zwei Mechanismen miteinander,
die uns Menschen zu Fortschritten führen: Er setzt
positive Reize für gewünschtes Verhalten und negati-
ve für ungewünschtes. Gemeinsam mit 97 Prozent
der Deutschen sind wir somit davon überzeugt, dass
die Förderung von Innovationen und Forschung die
sinnvollste Maßnahme im Klimaschutz ist – statt
Verboteauszusprechen und aus Horrorszenarien
politisches Kapital zu schlagen.
Kritiker mögen unsere Haltung als naiv empfinden,
was aber mit Blick auf die kleine Geschichte der gro-
ßen Innovationen falsch ist. Ausgesprochen naiv,
kontraproduktiv und damit gefährlich hingegen ist
der Glaube, Milliarden Menschen in den heutigen
Entwicklungs- und Schwellenländern würden auf
Fortschritt und wachsenden Wohlstand verzichten.
Was bleibt uns also? Wir Freie Demokraten sagen:
nur die globale Flucht nach vorn. Es gibt, grob gesagt,
zwei Arten von Gesellschaften, die einen geringen
ökologischen Fußabdruck hinterlassen: extrem arme
und extrem reiche. Und als ein sehr kleines Land, das
mit steigendem Reichtum immer umweltverträglicher
agiert, ist unsere globale Verantwortung bedeutend
größer als die Reduktion unserer Emissionen. Wir
müssen durch Know-how und Just-do-it, durch Krea-
tivität und Geistesblitze vorangehen und so beweisen,
dass Umweltschutz und Wohlstand keine Feinde sind,
sondern gegenseitig voneinander abhängig. Und das
Verrückte ist: Ein paar der scheinbar wildesten Ideen
befinden sich schon jetzt in greifbarer Nähe.
Beginnen wir bewusst mit einem wolkig anmuten-
den Beispiel: In Bayern hat ein Unternehmen ein
elektrisch betriebenes Flugtaxi entwickelt, das vier
Passagiere mit einer einzigen Akkuladung 300 Kilo-
meter weit befördern kann. Es fehlt nur noch der

politische Mut zur Zulassung. Genau wie bei syn-
thetischen Kraftstoffen, mit denen Verbrennungs-
motoren emissionsfrei betrieben werden können.
Bestehende Flotten und Tankstellen könnten so ge-
nutzt statt verschrottet werden, und die Wahl zwi-
schen Verbrenner und E-Auto wäre nur noch eine
Frage des persönlichen Geschmacks. Da stehen wir
kurz vor dem Durchbruch. Und obwohl wir Liberale
ja immer dafür sind, Prozesse durch Schwarmintelli-
genz voranzubringen statt durch politische Fantaste-
reien, könnten wir uns gut vorstellen, E-Fuels mit
einem steigenden Anteil einzuführen. Denn wenn wir
solche Antriebskonzepte mit einem klugen Ausbau
des ÖPNV und den grandiosen Möglichkeiten der
digitalen Sharing-Economy verknüpfen, ist die Vision
einer sauberen und zugleich höchstgradig mobilen
Gesellschaft alles andere als utopisch – und zwar
nicht nur in der Stadt.
Apropos Utopie: Wie wäre es, wenn sämtliche Pro-
dukte, die wir nutzen und konsumieren, nicht mehr
dumm gestaltet und dann aus der Not heraus irgend-
wie recycelt, sondern von Anfang an so klug designt
wären, dass sich all ihre Einzelteile in einem tech-
nologischen und wirtschaftlichen Kreislauf befänden?
Wenn sie also nicht gebaut würden, um von der Wie-
ge zur Bahre zu gehen, sondern von der Wiege zur
Wiege? Es gibt sie schon. Cradle to Cradle heißt das
Konzept, kurz C2C, das Michael Braungart entwickelt
hat. Und seine Vision könnte smarter kaum sein: Wir
müssen nicht weniger vom Falschen tun, sondern
mehr vom Richtigen – „Intelligente Verschwendung“
nennt er das und sagt: Wir müssen nicht unseren
negativen Fußabdruck verkleinern, sondern unseren
positiven vergrößern. Häuserfassaden, die Wärme
isolieren und zugleich Feinstaub und CO 2 binden,
bekommen ebenso ein C2C-Zertifikat wie Windeln,
die in ihrem zweiten Leben als Dünger eingesetzt

werden können, oder Textilfarbe, die das Grund-
wasser nicht nur nicht belastet, sondern reinigt – das
ist progressiver Umweltschutz par excellence.
Mehr vom Richtigen können wir auch tun, indem
wir CO 2 nicht in die Atmosphäre ausstoßen, sondern
binden und als Rohstoff nutzen. Carbon Capture and
Utilization (CCU) nennt sich diese Technik, mit der
etwa E-Fuels und synthetische Gase produziert und
dann klimaneutral eingesetzt werden können. Und
mit CCS wird ein Verfahren abgekürzt, das in
Deutschland aus irrationalen Gründen verboten, aber
laut Weltklimarat unerlässlich für das Erreichen der
Pariser Klimaziele ist: weltweite Klimaneutralität im
Jahr 2067, die Industrieländer zu Recht schon 2050
erreicht haben müssen. Mit Carbon Capture and
Storage wird CO 2 nämlich in der Erde gespeichert
und somit komplett unschädlich gemacht, und mit
Carbondioxide Removal wird CO 2 der Atmosphäre
direkt entzogen.
Und genauso klug sind diejenigen, die Wasserstoff,
der aus überschüssiger erneuerbarer Energie gewon-
nen wurde, endlich gefahrlos transportieren können.
Das wird gerade mit 17 Millionen aus der Wirtschaft
gefördert. Moore werden als CO 2 -Senken angelegt und
WWWälder aufgeforstet. Precision- und Vertical-Farmingälder aufgeforstet. Precision- und Vertical-Farming
kann unsere Landwirtschaft ebenso problemlos in-
tensivieren wie grüne Gentechnik – schließlich sollen
im Jahr 2100, wenn die Bevölkerungszahl ihren
Höchststand erreicht, zehn bis elf Milliarden Men-
schen keinen Hunger leiden. Bedenkt man, dass der
erste Burger aus In-vitro-Fleisch, der komplett ohne
Tierleid und Umweltzerstörung produziert wurde, im
Jahr 2013 noch etwa 250.000 Dollar kostete und bald
schon für neun Dollarzu haben sein könnte, dann ist
es unwahrscheinlich, dass unsere Enkel noch viel
Fleisch von echten Tieren essen werden.
Stephen Hawking hinterlässt uns seinen größten
Wunsch: dass Kernfusionsforschung mit aller Kraft
vorangetrieben wird, weil wir damit einen uner-
schöpflichen Vorrat an sauberer Energie schaffen
können. Traditionell technologiefeindliche Umwelt-
schützer mögen bei derlei Ideen die Hände über dem
Kopf zusammenschlagen, aber erfreulicherweise gibt
es in den Fifty Shades of Grün auch sehr vernünftige
Akteure. Und eines wünschen wir uns auch von allen
anderen politischen und zivilgesellschaftlichen Ak-
teuren – insbesondere von Union und SPD, die mo-
mentan die Zukunft gestalten sollen, aber schon beim
Verwalten der Gegenwart an ihre Grenzen stoßen:
Mut. Wir wünschen uns Mut zur Innovation, auch zur
politischen. Mut dazu, Aversionen gegen Technologie
abzulegen und anzuerkennen, dass ein strenges, öko-
logisch fundiertes CO 2 -Limit unabdingbar und nur
durch Fortschritt zu erreichen ist. Gänzlich unrealis-
tisch hingegen ist die Askese – auch wenn sie das
grüne Gewissen reinigt.
Der Wandel, von dem Darwin sprach, darf also gern
unsere geistige und technologische Entwicklung be-
treffen. Denn an wandelnde Bedingungen können wir
Menschen uns sehr gut anpassen, und das verdanken
wir unserem extrem hohen Maß an Empathie und
unserem Verstand. Nutzen wir also beides!

TDer Autor (Jg. 1986) ist klimapolitischer
Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

ESSAY


LUKAS KÖHLER

GETTY IMAGES/ MALORNY

Innovation, nicht Askese


Wir verdanken unsere


Freiheit, unsere Gesundheit


und unseren Wohlstand


dem technologischen


und intellektuellen


Fortschritt. Auch dem


Klimawandel werden


wir mit Erfindergeist


beikommen


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IMPRESSUM


Sechs Gründe für das


Zwei-Prozent-Ziel der Nato


KLAUS WITTMANN

V


or zwölf Jahren sagte der
damalige Bundespräsident
Horst Köhler beim 50-
jährigen Bestehen der Führungs-
akademie, er wünsche sich, „dass
auch die hohen Offiziere der Bun-
deswehr noch stärker darauf hin-
wirken, die nötige außen- und
sicherheitspolitische Debatte in
Gang zu bringen“. Das habe ich
als aktiver und als pensionierter
Offizier oft getan, und ich will
deshalb in sechs Punkten den
AAAufruf der neuen Verteidigungs-ufruf der neuen Verteidigungs-
ministerin unterstützen, Deutsch-
land solle dem „Zwei-Prozent-
Ziel“ der Nato getreulicher ge-
recht werden.
Erstens: Das in der Nato schon
seit vielen Jahren bestehende Ziel
der Aufwendung von zwei Pro-
zent des Bruttoinlandsproduktes
fffür Verteidigungsausgaben wirdür Verteidigungsausgaben wird
oft fälschlich als „Trump-Forde-
rung“ dargestellt. Außerdem wird
die Methodik kritisiert, und es ist
in der Tat kein überaus sinnvoller
Indikator, weil es rein Input-ori-
entiert ist und nichts darüber
aussagt, für welche Zwecke und
Fähigkeiten das Geld ausgegeben
werden soll.
AAAber zweitens ist es gleichwohlber zweitens ist es gleichwohl
„griffig“, und so hat die seiner-
zeitige Regierung der großen
Koalition beim Nato-Gipfel in
WWWales 2014 im Rahmen der Nato-ales 2014 im Rahmen der Nato-
Umorientierung nach der russi-
schen Ukraine-Aggression den
Beschluss aller Staats- und Regie-
rungschefs des Bündnisses mit
vorbereitet und folgende Formu-
lierung mitgetragen: „Die Bünd-
nispartner, deren Anteil vom BIP
fffür Verteidigungsausgaben gegen-ür Verteidigungsausgaben gegen-
wärtig unter diesem Richtwert
liegt“, würden „darauf abzielen,
die realen Verteidigungsausgaben
im Rahmen des BIP-Wachstums
zu erhöhen (und) sich innerhalb
von zehn Jahren auf den Richt-
wert von zwei Prozent zuzubewe-
gen“.
Drittens: Bis 2024 ist ausrei-
chend Zeit, sinnvollere Kriterien
fffür die sicherheitspolitischenür die sicherheitspolitischen
Anstrengungen der Bündnispart-
ner zu entwickeln. Zum jetzigen
Zeitpunkt aber die Entscheidung
prinzipiell infrage zu stellen, ein
1 ,5-Prozent-Ziel festzulegen und
in der Mittelfristigen Finanz-
planung Reduktionssignale aus-
zusenden, ist bestimmt kontra-
produktiv, nicht zuletzt im
VVVerhältnis zu den USA. Es wür-erhältnis zu den USA. Es wür-
de reichen, auf dem Weg der
derzeit ja eindrucksvollen Steige-
rungen des Verteidigungsetats
voranzuschreiten und dies den
Alliierten als Schritte auf dem
WWWeg zum vereinbarten Ziel zueg zum vereinbarten Ziel zu
präsentieren.
Viertens: Es geht nicht um
horrende Ausgaben für „Rüs-
tung“, sondern um die Verteidi-
gungsausgaben insgesamt, zu
denen bekanntlich auch Personal
und Betrieb gehören. Die nach
Ansicht mancher „kaputtgespar-
te“ Bundeswehr wird zunächst
noch viele Jahre benötigen, Fähig-
keiten (wie z.B. die Heeresflug-
abwehr) wiederherzustellen, die
in zwei hoffnungsfrohen Jahr-
zehnten abgebaut wurden, hohle
Truppenstrukturen aufzufüllen,
AAAusrüstung zu beschaffen oderusrüstung zu beschaffen oder
Munitionsbestände wieder auf ein
glaubwürdiges Maß zu heben.
Hier ist eine lange Liste von Defi-
ziten abzuarbeiten, bevor man
ernsthaft von „Aufrüstung“ spre-
chen könnte. Außenminister Maas
sagt zu Recht, es gehe „um Aus-
rüstung, nicht um Aufrüstung“.

Fünftens: Häufig werden
die Verteidigungsausgaben der
europäischen Nato-Mitglieder
mit dem – geringeren – Militär-
etat Russlands verglichen.
Das führt jedoch in die Irre, weil
dort beispielsweise der Perso-
nalanteil weit geringer ist und
in der europäischen Rüstungs-
planung und -beschaffung viel
Geld vergeudet wird. Außer-
dem hat Russland gezeigt, dass
es mit regionaler Überlegenheit
und bedenkenlosem Gewaltein-
satz seine Ziele verfolgt, wäh-
rend die Nato den Schutz al-
ler ihrer Mitglieder in alle
Richtungen sicherstellen muss
und dies bis 2014 vernachläs-
sigt hat.
Sechstens: Bundespräsident
Gauckmahnte 2014 eine stärkere
VVVerantwortung Deutschlands inerantwortung Deutschlands in
der regionalen und globalen Au-
ßen- und Sicherheitspolitik an –
nicht nur, aber auch militärisch.
Mit den Einsätzen in Afghanistan,
Nordirak, Syrien und Mali sowie
der Führung des multinationalen
Bataillons in Litauen ist Deutsch-
land dem eindrucksvoll nach-
gekommen. Die Zeit Außenminis-
ter Westerwelles schien über-
wunden, in der die deutsche Au-
ßenpolitik auch darin bestand,
bei möglichen Militäreinsätzen
den Alliierten immer als Erstes
zu verkünden, was alles „aus-
geschlossen“ sei. Aber da scheint
es wieder Rückschritte zu ge-
ben, etwa bei der nahezu
automatischen Zurückweisung
amerikanischer Anfragen nach
deutschen „Bodentruppen“
in Syrien. Hier führt schon
eine saloppe Wortwahl zu Miss-
verständnissen. Unter „Boden-
truppen“ stellt sich jeder Kampf-
verbände vor; gefragt wurde
aber offenbar nach Unter-
stützungspersonal. Eine reflex-
hafte Ablehnung von Vorschlä-
gen für eine maritime Überwa-
chungsaktion im Golf fällt
in dieselbe Kategorie.
Schließlich: Deutschland wird
aufgrund seiner historischen Er-
fffahrungen nie so interventio-ahrungen nie so interventio-
nistisch sein wie die USA, Groß-
britannien und Frankreich. Die
Forderung eines Vorgängers der
VVVerteidigungsministerin, Volkererteidigungsministerin, Volker
Rühe, ist aber durchaus berech-
tigt: Deutschland, das im Kalten
Krieg über Jahrzehnte die Solida-
rität seiner Verbündeten bean-
spruchte, sollte heute bei den
AAAuslandseinsätzen nicht wenigeruslandseinsätzen nicht weniger
Risiko tragen als diese.
Angesichts einer russischen
Gewaltpolitik, welche die fun-
damentalen Regeln der europäi-
schen Sicherheitsordnung fla-
grant verletzt und deren Stärke
auf der Besorgnis kleiner Nach-
barn gründet; angesichts einer
amerikanischen Führung, deren
Haltung zur Nato größere Verant-
wortung und Handlungsfähigkeit
der Europäer noch dringlicher
macht; angesichts einer nie erleb-
ten Kumulation von Krisen und
Konflikten sowohl global als auch
in unserer Nähe sollte in der Si-
cherheitspolitik der Konsens der
demokratischen Parteien bewahrt
bleiben. Solche Themen verlan-
gen zudem eine Seriosität, wie
man sie auch bei Spitzenpoliti-
kern zuweilen vermisst. Erinnert
sei nur an die Auftritte des dama-
ligen Außenministers Sigmar
Gabriel während des Bundestags-
wahlkampfes 2017, bei denen er
wiederholt sagte, er wisse gar
nicht, „wo wir die ganzen Flug-
zeugträger hinstellen sollten, die
wir kaufen müssten, um 70 Milli-
arden Euro pro Jahr in die Bun-
deswehr zu investieren“!

TDer Autor ist Brigadegeneral a.D.
und lehrt Zeitgeschichte an der
Universität Potsdam.

GASTKOMMENTAR


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