Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 28.07.2019

(Ann) #1

10 leben FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 28. JULI 2019, NR. 30


Im Frankfurter Freibad ist es mittlerweile
Nachmittag und damit noch heißer und
voller geworden. Das Security-Personal
ermahnt Kinder, die auf der Wiese Fuß-
ball spielen, und klärt Rangeleien an der
Rutsche. Eigentlich alles nicht so drama-
tisch. Doch der Bademeister sagt: „In ei-
nem Schwimmbad wie diesem prallen auf
engem Raum so viele unterschiedliche
Kulturen aufeinander, da muss gar nichts
Dramatisches passieren, und trotzdem
kommen Spannungen auf. Da kann schon
das, was manche als Fehlen eines respekt-
vollen Abstands empfinden, zu Konflik-
ten führen, die irgendwann eskalieren.“
Was der Bademeister damit meinen
könnte, lässt sich auf der Wiese im knap-
per werdenden Schatten beobachten, als
eine Großfamilie, dem Anschein nach Sin-
ti und Roma und samt Kindern gut zwan-
zig Personen, im Bad eintrifft. Kaum ha-
ben sie einen Platz gefunden, bauen sie
Campingstühle und Tische auf, legen De-
cken und Handtücher aus und packen all
das aus, was sie an Essen und Getränken
mitgebracht haben. Dabei achten sie we-
nig darauf, wie nahe sie all denen kom-
men, die schon länger dort liegen. Ihre
Kinder laufen über die Badetücher der an-

deren Gäste, und man kann es den Bli-
cken entnehmen, dass diese von der plötz-
lichen Lautstärke, der Unruhe und dem
Gewimmel genervt sind. Manche rücken
zur Seite, eine Familie packt die Tasche –
doch vielleicht wollte sie ohnehin gehen.
Sich über seine Nachbarn auf der Lie-
gewiese zu ärgern ist eine Sache. Gewalt
anzuwenden eine andere. Wer sich in die
Berichte über die Ausschreitungen in Frei-
bädern in den vergangenen Wochen ver-
tieft, kann schnell zu dem Schluss kom-
men: Gewalttätig sind vor allem junge
Männer. Gewaltbereitschaft hat ein Ge-
schlecht und ein Alter. Das bestätigt Psy-
chologe Bliesener. „Es sind typischerwei-
se männliche Jugendliche, die negativ auf-
fallen durch Gewalt und Straftaten.“ Und
sind sie, wie man lesen konnte, tatsäch-
lich auch alle Migranten? Nach den Vor-
fällen in Düsseldorf etwa wurde von meh-
reren Seiten berichtet, die Krawallma-
cher seien Flüchtlinge oder Ausländer ge-
wesen. „Tatsächlich waren es deutsche Ju-
gendliche, deren Familien seit Generatio-
nen hier leben“, erzählt ein Düsseldorfer
Schwimmmeister.
Wie oft und von welcher Seite es in
Schwimmbädern zu respektlosem Verhal-

ten bis hin zu Gewalt komme, werde
nicht erfasst, sagt Bliesener. „Doch es gibt
Studien zu Kriminalität und Zuwande-
rung im Allgemeinen, die zeigen: Be-
stimmte Gruppen fallen häufiger durch
Straftaten auf – und zwar unabhängig da-
von, dass es sich häufig um junge Männer
handelt.“ Während Syrer und Afghanen

sogar weniger auffällig seien als gleichaltri-
ge Deutsche, griffen Männer aus dem
Maghreb und dem südöstlichen Balkan
häufiger zu Gewalt. Das liege an einer
Kultur, in der das Leben stärker draußen
stattfindet, was Übergriffe sichtbarer ma-
che. Auch Diskriminierung, geringere
Teilhabe- und Bildungschancen, seien ein

Grund. Und, insbesondere im Schwimm-
bad, Männlichkeitsnormen: Der „harte
Mann“ verteidige sich mit Fäusten und
lasse sich vor Publikum nichts sagen,
schon gar nicht von einer Schwimmmeis-
terin.
Es ist Abend geworden im Freibad in
Essen. Ein Jugendlicher mit Silberkett-
chen, schwarzen Haaren und schwarzer
Badehose interpretiert den Begriff
„Arschbombe“ neu. Er springt mit An-
lauf ins Wasser und entblößt dabei seine
Pobacken. Als er wieder aus dem Wasser
auftaucht, blickt er effekthascherisch zu
seinen Freunden – und erwartungsvoll zu
den Bademeistern. Diese reagieren nicht.
Auch nicht, als er noch eins draufsetzt
und den Striptease am Beckenrand vor ei-
nem der Schwimmmeister stehend wie-
derholt. Gästen, die eigentlich noch mal
ins Wasser wollten, vergeht der Spaß. Sie
diskutieren, warum die Bademeister nicht
eingreifen. Den etwa sechzehnjährigen
Jungen und seine Kumpel scheint das
Desinteresse des Badpersonals zu bestär-
ken. Sie hüpfen fast gleichzeitig vom
Sprungturm, als dieser längst geschlossen
ist. Schließlich springen sie über andere
Badegäste hinweg ins Schwimmbecken.

Es ist die Lust an der Provokation: „Gren-
zen austesten und überschreiten – typi-
sche gruppendynamische Effekte“, kon-
statiert Bliesener. Grenzüberschreitun-
gen, auch kleine, müssten deshalb konse-
quent markiert und geahndet werden.
Im Rheinbad Düsseldorf ist das nicht
gelungen. Am Freitagabend musste die
Polizei das Freibad zum dritten Mal inner-
halb weniger Wochen räumen. 60 Jugend-
liche hatten Rutsche und Sprungturm be-
setzt und die Schichtleiterin verbal belei-
digt und bedroht. Ob es aber nun tatsäch-
lich brutaler in deutschen Freibädern ge-
worden ist, das kann Psychologe Bliese-
ner nicht sagen: „Wir haben keine verläss-
lichen Daten. Es kann sein, dass sie zuge-
nommen hat, es kann jedoch auch sein,
dass wir sie eher bemerken, weil wir Ge-
walt und Respektlosigkeiten heute stärker
verurteilen.“ Insgesamt habe die Gewalt
im öffentlichen Raum in den vergange-
nen Jahrzehnten aber abgenommen, er-
klärt Bliesener. „Und wenn es doch ein-
mal zu einer Prügelei kommt, ist das
gleich ein Skandal. Wir sind heute stär-
ker sensibilisiert für Gewalt.“ Wir schau-
en also genauer und gründlicher hin. Das
ist doch eigentlich eine gute Nachricht.

FORTSETZUNG VON SEITE 9

Vorsicht am Beckenrand


W


ie ein einsames Kamel in
der Wüste steht der silber-
graue Mercedes auf dem
Parkdeck eines Supermark-
tes, irgendwo in Hessen. Die Fahrertür
geht auf, aus dem Wagen steigt ein
sportlicher Typ, Anfang fünfzig, die
dunklen Haare mit den gräulichen
Strähnen akkurat nach hinten ge-
kämmt. Der Mann mit der Jeansweste
ist Detektiv, sein Name Steffen Randel.
An diesem Frühlingstag geht es um Be-
trug. Randel soll ihn aufdecken.
Ein Mitarbeiter eines Autoherstellers
steht unter Verdacht, Autoteile aus dem
Lager zu klauen und weiterzuverkaufen.
Der Schaden liegt inzwischen bei hun-
derttausend Euro, heißt es von dem Auf-
traggeber, der namentlich nicht in Er-
scheinung treten will. Das Unterneh-
men selbst hat aber keine Beweise gegen
seinen Angestellten, auch die Polizei
könnte in diesem Fall nicht helfen. Das
ist ein Fall für Randel: „Wir sind da sozu-
sagen in einer Nische.“ Er hat einen Kol-
legen in den Betrieb eingeschleust. In ei-
nem Bus vor dem Gelände sitzt ein wei-
terer Kollege und beobachtet das Auto
des Verdächtigen. Dieser soll jede Mit-
tagspause nutzen, um gestohlene Auto-
teile wegzubringen. Wohin, ist unklar.
Zwei Detektive wollen ihm folgen. Un-
auffällig, aber nah dran.
Randel ist ein abgebrühter, ein erfah-
rener Detektiv, der Ruhe ausstrahlt.
Seit fast 30 Jahren macht er diesen Be-
ruf. Ausgebildet wurde er beim Militär
in der DDR. Personenschutz in Ost-
Berlin, mehr sagt er dazu nicht. Ende
der achtziger Jahre folgte ein Studienab-
schluss, mit der Wende kehrte er dem
Osten den Rücken zu. Ein Anruf in ei-
ner Detektei brachte ihn in die Bran-
che, seit mehreren Jahren ist er selbstän-
dig, sagt er.
Jetzt sitzt Randel in den tiefen dunk-
len Ledersitzen seines Wagens und holt
einen Zettel mit dem Auftrag hervor.
Das Walkie-Talkie ist angeschaltet, die
Digitalkamera liegt bereit. Mehr Tech-
nik verwendet er nicht. Darf er auch
nicht: Verdächtige abhören oder deren
Autos mit Peilsendern ausstatten ist ihm
nicht erlaubt. Detektive ersetzen nicht
die Polizei – sie ergänzen deren Arbeit.
Das Gros der Observationen meldet
Randel daher vorher bei der Polizei an,
auch um nicht in Kollision mit den Be-
hörden zu geraten.
Wenn Randel erzählt, spricht er von
Zielpersonen, Observationen und Maß-
nahmen. Das hat fast etwas Amtliches.
Seine Sätze kommen ohne Übertreibun-
gen aus, kein Satz versandet. Doch unter
den Worten steigen Geschichten hervor,
die an den „Tatort“ erinnern.
Dann geht es plötzlich los. Das Wal-
kie-Talkie rauscht, eine Stimme ist aber
nicht zu hören. Randel funkt seine Kolle-
gen an, erkundigt sich: „Passiert bei
euch was?“ Keine Antwort. Fast eine hal-
be Minute verstreicht, bis Randel noch
mal nachfragt. Er dreht schon mal den
Zündschlüssel um. Dann spricht der
Kollege aus dem Bus: Der Verdächtige
habe eine Tüte in sein Auto gelegt und
fahre los. Koordinaten werden durchge-
geben. Randel drückt aufs Gas. Seine
Augen gehören der Straße, seine Stim-
me dem Walkie-Talkie. Jetzt darf er sich
keinen Fehler erlauben.
Jeder Fall ist anders, sagt Randel.
„Wir arbeiten da mit Menschen, mit
ganz vielen Unsicherheitsfaktoren.“ Es
gibt Aufträge, die sich als schwieriger er-
weisen als vorher angenommen. Bei an-
deren Fällen, die komplex erscheinen,
spielt Kommissar Zufall mit. Nicht je-
den Fall könne er lösen. Noch schlim-
mer sei es aber, aufzufliegen. Das habe
er zuletzt vor Jahrzehnten mal erlebt. In

solchen Situation müsse man „bretthart
seine Legende durchziehen“ und sich
beispielsweise als Hausmeister oder
Dachdecker ausgeben. Sich als Polizist
ausgeben wäre Amtsanmaßung – und
das ist strafbar.
Hier ist es anders: Randel und sein
Kollege Peter, der in einem alten VW
Polo unterwegs ist, sind dran an dem Ver-
dächtigen. Zwei Runden dreht Randel
im Kreisel, damit der Kollege überneh-
men kann. Bei der nächsten Kreuzung
fährt Randel vor. „Wenn die Zielperson
einmal einen Verdacht schöpft, wird es
schwierig“, sagt der Detektiv. Nach etwa
15 Minuten endet die Verfolgungsfahrt.
Der Verdächtige parkt auf dem Parkplatz
eines Supermarktes. Randel stellt den
Wagen in sicherer Entfernung ab und
kramt seine Kamera hervor. Dann steigt
der Mann aus dem Auto, nimmt die
Tüte vom Rücksitz und kreuzt die Stra-
ße. Klick, klick, Foto, Foto. „Wo geht
der hin?“, fragt Randel seinen Kollegen
über Funk. Er hat den Sichtkontakt verlo-
ren. Der Kollege folgt ihm zu Fuß.
Dann kommt der wichtigste Hinweis
des Tages: Der Verdächtige ist schnur-
stracks in eine Autowerkstatt marschiert.

Klick, klick, auch Peter schießt mehrere
Beweisfotos. Keine fünf Minuten später
kommt der Mann mit leeren Händen zu
seinem Auto zurück. „Ein Schuss ins
Schwarze“, sagt Randel und freut sich.
Die Stimmung ist gelöst. Randel lobt
seine Kollegen und erzählt, dass der Auf-
traggeber geschockt sein werde. Mit
dem Unternehmen müsse jetzt überlegt
werden, ob weitere Observationen anzu-
setzen sind, um ihn auf frischer Tat zu
schnappen. Das sei – so sagt es Randel


  • eine Frage der Verhältnismäßigkeit.
    Deswegen muss auch der Betriebsrat da-
    für stimmen. Die Beobachtung stellt im-
    merhin einen „erheblichen Eingriff in
    die Selbstbestimmungsrechte“ des Ver-
    dächtigen dar.
    Seine Auftraggeber sind gleicherma-
    ßen Privatpersonen, die zum Beispiel Af-
    fären ihres Partners wittern, wie auch
    mittelständische Unternehmen bis hin
    zu Weltmarktführern. Wird ein Fall der
    Wirtschaftsspionage aufgedeckt, helfe
    das der Abschreckung. „Das spricht sich
    im Unternehmen rum, da ist für die
    nächsten Jahre erst mal Ruhe.“ Mit Ob-
    servationen verdient die Detektei das
    meiste Geld. Oftmals viele Stunden


stumpfes Warten im Auto. Andererseits
gebe es immer mal den Fall, dass man
gutverdienenden Managern mit mehr
als 200 Kilometern pro Stunde über ei-
nen längeren Zeitraum auf der Auto-
bahn folgen müsse. Aber auch das bloße
Wühlen in der Mülltonne zählt zu sei-
nen Aufgaben. So wie bei einem Fall vor
wenigen Monaten.
Ein kanadisches Konstruktionsbüro
hatte Randel beauftragt, einen kürzlich
ausgeschiedenen deutschen Mitarbeiter
zu observieren. Er hatte das Unterneh-
men im Streit verlassen und stand unter
dem Verdacht, abgetretene Pläne mitge-
nommen zu haben und einer Konkur-
renzfirma anzubieten. Randel schickte
seine Leute in den Großraum von Ma-
drid, wo sie den Verdächtigen über Wo-
chen beobachteten, wie er im neuen Un-
ternehmen ein- und ausging. Die Obser-
vation blieb aber ohne Erfolg. Damit
konnten sie ihm nicht nachweisen, dass
er Unternehmenseigentum gestohlen
oder transferiert hatte.
Randel wollte schon aufgeben, erzählt
er. Auch weil solche Observationen mit
drei Detektiven sehr teuer sind – jenseits
der Hunderttausend-Euro-Grenze bei ei-

nem Zeitraum von mehr als zwei Wo-
chen und 15 bis 18 Stunden am Tag. Trotz-
dem entschied er sich noch für eine
„Müllaktion“ zum Ende. Der Verdächti-
ge und seine Frau waren dabei, Deutsch-
land den Rücken zu kehren und nach Spa-
nien zu ziehen. Also entrümpelte die Ehe-
gattin das Haus, warf alten Papierkram
und Bürozeug in die Mülltonnen. „Wo
Menschen sind, passieren Fehler, und das
nutzen wir aus“, erklärt Randel.
Eines Nachts um 3 Uhr, kurz bevor die
Tonnen abgeholt wurden, griffen sie zu.
Sie entnahmen den Müll des Verdächti-
gen, packten mitgebrachten Müll in die
Container – „damit es nicht auffällt. Das
war der Knaller!“ Sie fanden CDs mit
den vermuteten Konstruktionsunterla-
gen. „Das konnte selbst der Auftraggeber
nicht glauben.“ Der Verdächtige kam vor
Gericht, Randel sagte als Zeuge aus.
Seit wenigen Jahren nehmen die Ein-
sätze in Bulgarien und Rumänien zu, er-
klärt der Detektiv. Die Aufträge kämen
vor allem von wohlhabenden Familienvä-
tern aus der Schweiz, die sich auf Affären
mit der vermeintlich großen Liebe aus
Osteuropa einließen. Randel erzählt:
Roma-Clans aus Osteuropa haben sich

darauf spezialisiert, ihre jungen Töchter
und Frauen nach West- und Mitteleuro-
pa zu schicken, um sich vermögende Op-
fer zu suchen. „Die Schönste, die Verfüh-
rerischste aus der Familie wird genom-
men.“ Auf Ärztekongressen, Messen und
Unternehmensforen arbeiteten sie als
Hostessen, machten den Männern schö-
ne Augen und verführten sie.
Die Männer würden ihrem gutbürgerli-
chen Familienleben regelrecht entrissen,
sagt der Privatermittler. Scheidung?
Nein. „Die sind erst mal interessiert, das
Verhältnis parallel laufen zu lassen.“ Die
neue Frau baue sich auf seine Kosten di-
rekt ein ganzes Haus in Rumänien. Da-
nach komme die Erpressungsphase. „Die
Schraube wird immer enger gedreht.“
Das Erpressungspotential: der Frau und
Familie von der Affäre erzählen oder es
dem unternehmerischen Umfeld stecken.
Der Ruf und die Existenz sind in Gefahr.
„Wir bekommen ja auch nur die Spit-
ze des Eisberges mit.“ Randel glaubt den-
noch, dass diese Art des Betrugs immer
häufiger auftritt. Zuletzt im November
habe er einen solchen Fall gehabt, habe
die Spur einer Frau aufgenommen und
sie bis in eine rumänische Stadt an der
moldauischen Grenze verfolgt. Dort hät-
ten seine Partner durch Handy-Ortung
den genauen Aufenthaltsort der Verdäch-
tigen herausfinden können. Die Frau, so
stellte sich raus, „hat da jemanden, die
hat sogar ein Kind, führt ein Eheleben“.
Strafrechtlich gebe es in solchen Fällen
wenig Handhabe. Aber allein die Er-
kenntnis sei wertvoll gewesen: „Der Auf-
traggeber war schon bereit, seine Familie
wegzuschmeißen und die zu heiraten“,
sagt Randel. Als der Familienvater von
der Lügengeschichte seiner Geliebten er-
fuhr, sei er am Boden zerstört gewesen.
Bis Randel zu diesem abgebrühten Er-
mittler geworden ist, vergingen einige Jah-
re. Detektiv ist kein geschützter Beruf,
vor allem junge Kollegen verwendeten un-
erlaubt Technik, meint Randel. Viele sei-
ner Art gebe es nicht mehr, „die das alte
Handwerk, das techniklose Observieren,
Hinterherfahren beherrschen“. Er arbei-
te nur noch mit älteren Detektiven zusam-
men, jenseits der 50. Er ist überzeugt,
dass sie besser seien als die Behörden
oder Verfassungsschützer. Weil die Beam-
ten „sich keine Sorgen machen müssen,
die Zielperson zu verlieren. Die dürfen
mit Technik arbeiten und gegen die Stra-
ßenverkehrsordnung verstoßen.“ Detek-
tiv Randel dagegen habe keine Sonder-
rechte wie die Polizei.
Zurück zum Betrüger aus der hessi-
schen Prärie: Der geprellte Auftraggeber
ließ noch weitere Observationen anset-
zen. Randel und seine Kollegen fanden
heraus, dass der Verdächtige auch nach
Feierabend Ersatzteile aus dem Lager mit-
nahm und in seiner Garage bunkerte. An
einem Freitagabend und im Beisein des
Anwalts des Unternehmens erfolgte dann
der Zugriff, wie Randel erzählt. Der
Mann wolle vollumfänglich gestehen und
für den Schaden von etwa hunderttau-
send Euro sowie die Kosten der Detektei
aufkommen. Um das bezahlen zu kön-
nen, wolle er seinen Bausparvertrag auflö-
sen. Im Gegenzug verzichtet der bisheri-
ge Arbeitgeber auf eine Anzeige.
Der Täter ist noch mal davongekom-
men, aber seine Existenz ist nicht zer-
stört. „Wenn das gerechtfertigt ist, dann
ist das gerecht. Da gibt es auch keine
Skrupel. Es gibt keinen Anlass, sich Vor-
würfe zu machen“, sagt Randel. Es
klingt auch wie eine Erklärung für seine
Daseinsberechtigung als Detektiv. „Wir
übernehmen ja keine Aufträge aus niede-
ren Beweggründen, um jemanden zu
schädigen oder zu zerstören.“ So wenig
die Realität des Privatdetektivs sonst so
mit dem zu tun hat, was man von ihren
Kino-Kollegen kennt: Eine Art persönli-
chen Ehrenkodex haben sie auch.

Bevor Polizisten und Anwälte Kriminalfälle übernehmen, gibt es oft einen Detektiv, der


auf einen Verdacht hin nachforscht. Martin Franke war bei einer Observation dabei.


Die Einsamkeit des


Langstreckenermittlers


„Wohin geht die Zielperson?“ – Steffen Randel bei der Arbeit. Foto Jens Gyamaty

Der Geruch von Pommes gehört wie hier in Griesheim zum Freibad dazu. Foto palo
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