Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 28.07.2019

(Ann) #1

2 politik F P M FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 28. JULI 2019, NR. 30


E


in Mann hat auf einen Schwar-
zen geschossen, nur weil er
schwarz war. Weil er aussah wie
„ein Asylant“. Mitten am Tag,
mitten auf der Straße, mitten in Hes-
sen. Seinen Kumpels hat er die Tat an-
gekündigt. Wieso haben sie das nicht
verhindert?
Der Weg in die Stammkneipe des At-
tentäters führt entlang eines Bächleins,
vorbei an Fachwerkhäusern, einem grie-
chischen Restaurant. Am Ende der Mar-
tinsgasse in Biebergemünd versteckt sich
das Martinseck, ein dunkler, stickiger
Raum voller Gläser und Bembel, an den
Wänden Fußballschals, halbnackte Frau-
en und Sprüche wie: „Kein Alkohol ist
auch keine Lösung“ oder „Trübsal ist
nicht das Einzige, was man blasen kann“.
Kurz nach seiner Tat war Roland K.
noch hier, hatte verkündet: „Ich hab auf
einen Asylanten geschossen.“ Seitdem ka-
men ein paar Polizisten und Journalisten
in die Kneipe. Sonst ist alles wie immer.
Bisschen heiß vielleicht, aber es gibt küh-
les Bier. Der Stammkundschaft genügt
das: ein tauber Greis, ein tätowierter In-
stallateur, zwei graue Rentner, ein Lkw-
Fahrer, ein Schweigender.
Roland K. war einer von ihnen. Kam
jeden Morgen zum Frühschoppen.
Hartz IV. Meistens ging es um Fußball
oder Ausländer. „Wenn ich geh, nehm
ich einen mit“, hatte er geraunt. Der
Wirt zuckt mit den tätowierten Oberar-
men: „Kneibegeschwätz.“ Die andern ni-
cken: Wenn man das seit zwei Jahren
ständig zu hören bekomme, wie könne
man damit rechnen, dass er eines Tages
wirklich einen Flüchtling abknalle? Sie
betrachten den Schaum ihrer Biere.
Roland K. hat am Montag wie jeden
Morgen seinen Schoppen getrunken.
Das einzig Auffällige war eine schwarze
Sporttasche, mit der er ins Auto stieg,
um von Biebergemünd in den Nachbar-
ort Wächtersbach zu fahren. In der
Nähe der Sprachschule fand er sein Op-
fer, einen jungen Familienvater aus Eri-
trea. Die von Roland K. abgegebenen
Schüsse trafen ihn in den Bauch. Der
Schütze ließ den zusammengesackten
Körper blutend liegen und kehrte zurück
ins Martinseck. Dort habe er seelenru-
hig von seiner Tat berichtet. Die Knei-
pensäufer aber haben darauf nur müde
genickt. „Hat halt keiner für ernst ge-
nomme“, sagt der Wirt. Am Nachmittag
brach Roland K. wieder auf, diesmal, um
sich selbst in seinem Auto zu erschießen.
Das Opfer seines Mordangriffs überlebte
schwer verletzt.
„Wir sind keine Nazikneipe.“ Das sagt
der Wirt bestimmt zehnmal. Noch öfter
sagt er „normal“, zum Beispiel: „Wir
sind ganz normale Leud.“ Er sagt auch,
dass er nicht so gut schlafen konnte in
den letzten zwei Nächten. Habe ihn be-
schäftigt, das Ganze. Und dass der Eri-
treer ja ein Unschuldiger gewesen sei.
Aber der Roland sei eben auch ein ganz
Lieber und Ruhiger gewesen. Noch am
Samstag waren sie alle zusammen beim
Brauereiausflug. „Mer hadde schon so
de Kumbelstatus.“ Dann schaut der Wirt
plötzlich vom Bierschaum auf, als hätte
er gerade einen wichtigen Einfall. „Du
kannst de Leud uff de Stirn gugge“, sagt
er und tippt sich an den Schädel, „abber
ned in de Kopp noi!“
Wenn man den Leuten im Martins-
eck auf die Stirn schaut, sieht man Sor-
genfalten. Die Sorgen, die sie haben,
klingen so: Warum kümmert sich Frau
Merkel nicht um unsere Armen? Wieso
kriegen die Asylanten Wohnungen, aber
nicht die Deutschen unter den Brücken?
Die Kneipe läuft zwar nicht schlecht.
Aber der letzte Urlaub sei vier Jahre her,
sagt der Wirt. Und: „Ich heirate nicht,
weil ich kein Geld für ’ne Scheidung
hab.“ Jetzt, mit an die fünfzig, könne er
es eh lassen. Er lacht ein lautes, röcheln-
des Raucherlachen. So unvermittelt, wie
es kam, vergeht es ihm wieder. „Wieso
kriegen die den Arsch vollgeblasen, wäh-
rend ich mich hier abrackere?“
Der Tätowierte an der Theke hat aus-
getrunken. „Noch aans, Zuckerbobbes!“,
ruft er. Einer der Rentner blättert in der
„Bild“-Zeitung. Darin geht es um das
Martinseck. Habe er alles so nicht ge-
sagt, ruft der Wirt hinterm Tresen. „Al-
les Lügen“, bestätigt der Rentner. Er
sage der Presse jetzt gar nicht mehr.
„Ach komm, die is doch okay“, meint
der Wirt. Der Rentner findet das nicht.
„Die ist vielleicht von der Kripo!“ Das
unsichere Lachen der Stammkunden er-
stickt im Zigarettenschweißdunst. Die
Polizei scheint noch schlimmer zu sein
als die Presse. „Nie da, wenn man se
braucht, aber sofort zur Stelle, wenn du
besoffen am Steuer sitzt.“ Zustimmendes
Gemurmel, Eintracht im Martinseck,
klar hat man die Polizei nicht gerufen,
als Roland K. mit seiner Tat prahlte.
Dem Mann mit der „Bild“-Zeitung
geht was im Kopf rum. Eigentlich wollte
er ja nichts mehr sagen, aber: Ein Auslän-
der habe eine deutsche Mutter vor den
Zug geschubst. Vorwurfsvoll: Das inter-
essiere keinen. Auf die Frage nach De-
tails fuchtelt er mit den Armen. Hier in
der Nähe war das, kürzlich. Meint er.
Die „Bild“-Zeitung macht die Runde.
Es stellt sich heraus: Noch größer als
übers Martinseck wird eine Seite weiter
über den „Bahngleiskiller“ berichtet –
aus Brünen, Nordrhein-Westfalen. Der
Rentner späht argwöhnisch auf den Arti-

kel, überfliegt die Schlagzeile. „Da
steht’s doch“, brummt er schließlich.
Im Main-Kinzig-Kreis, wo die Eck-
trinker zu Hause sind, gab es so was
nicht. Überhaupt scheint nicht viel zu
passieren. Die Nachbargemeinden Bie-
bergemünd und Wächtersbach haben zu-
sammen mehr als fünfhundert Flüchtlin-
ge aufgenommen. Von Problemen kön-
nen die Männer nicht berichten. Aber:
Angeblich grüßen „die Asylanten“ nicht
zurück. Und sie hätten immer große Ein-
kaufstaschen dabei.
Auf seiner Facebook-Seite hat der
Wirt seine Sprachkenntnisse angegeben:
hessischer Dialekt. Außerdem seine poli-
tischen Ansichten. Neben Barbusigen
und Pupswitzen teilte er zum Beispiel
mal einen Beitrag der NPD, in dem es
heißt, auch Deutsche hätten das Recht,
ihre Identität zu verteidigen. Dann aber
auch mal einen Beitrag der Antifa gegen
den Rundfunkbeitrag. Zu gefallen schie-
nen ihm Seiten mit Namen wie
„Deutsch sein ist kein Verbrechen“ und
„reale Verschwörungen“, immer mit den
gleichen Themen: schmarotzende Flücht-
linge und benachteiligte Deutsche. Auch
einen Werbelink für ein Sweatshirt emp-
fahl er. Darauf steht neben der Abbil-
dung eines Totenschädels und zweier Pis-
tolen: „Tust du mir weh, schlage ich zu-
rück, tust du meiner Familie weh, wird
man nie deine Leiche finden.“
An all das kann sich der Wirt aber an-
geblich nicht erinnern. Er habe vor drei
Jahren sein Passwort vergessen und sich
seitdem nicht mehr eingeloggt. Tatsäch-
lich stammt der letzte Beitrag von 2016.
„Du hast jetzt bestimmt total viele Li-
kes“, gibt der Lkw-Fahrer zu bedenken.
Doch der Wirt winkt ab. Hier im Mar-
tinseck sind sie lieber offline. Stamm-
tischgerede, ganz traditionell. Irgend-
wer schnappt irgendwo was auf und

dann regen sie sich gemeinsam auf.
Auch nicht anders als im Netz.
Denn von den Digitalen in Wächters-
bach und Biebergemünd reden einige
ähnlich. Auf der Facebook-Seite der Lo-
kalzeitung „Vorsprung“ hetzen sie, was
das Zeug hält. Es geht gegen die Teilneh-
mer der Mahnwache, die der Bürger-
meister nach dem Mordangriff organi-
siert hatte. Vierhundert Bürger versam-
melten sich am Montag, um ein Zei-
chen gegen Rassismus zu setzen. Im
Netz finden sich dazu die immerglei-
chen Einwürfe: Wäre das Opfer ein
Deutscher gewesen, hätte es keine
Mahnwache gegeben! Oder: Würde
mich interessieren, wie es der Familie
geht, deren Frau und Kind vor die Glei-
se geschubst wurden! Die Facebook-Pro-
file zeigen Personen aus der Umgebung:
Sie kommen nicht aus Nordrhein-West-
falen oder aus einer russischen Troll-
armee, sondern aus Bad Orb, Bieberge-
münd, Erlensee. Der Bürgermeister von
Wächtersbach bekam in den letzten Ta-
gen einige Anrufe von solchen Leuten.

Sie wollten wissen, ob es auch „für die
Vergewaltigungsopfer der Neger“ eine
Mahnwache gäbe.
Er ist schockiert. Bei der Bundestags-
wahl haben hier 16 Prozent die AfD ge-
wählt, ein halbes Prozent die NPD.
Nicht schön, aber auch nicht mehr als an-
derswo. Bisher sind die Rechten in Wäch-
tersbach nicht öffentlich in Erscheinung
getreten. Die Flüchtlinge wurden gut auf-
genommen, Ehrenamtliche organisieren
Sprachkurse, Spenden, Feste. Protest ge-
gen ihre Arbeit gab es nie, erzählt ein
Helfer. Aber jetzt hat sich irgendwas ver-
ändert. „Man hat Angst um die Demo-
kratie“, flüstert er. Der Bürgermeister
hat in seiner Stadt kürzlich jede Menge
Aufkleber der Identitären entdeckt. Neid
und Angst treibe die Leute, sagt er. Ro-
land K., den Schützen, kennt er nicht –
der sei völlig isoliert gewesen.
Ein Blick in die Rathaus-Akten müsste
ihn eines Besseren belehren. Schon oft
hat die Stadt den Täter Roland K. geehrt


  • für seine Leistungen als Sportschütze.
    Mehrfach war er Kreismeister. In seinem


Schützenverein war Roland K. beliebt.
„Ein subber Typ, fleißig, zuverlässig“ sei
er gewesen, erzählt einer aus dem Ver-
einsvorstand. „Ein richtig guter Schütze,
ein Vorbild“, sagt ein Zweiter. Vier, fünf
Männer stehen mit Zigaretten und Bie-
ren vor dem Eingang der Vereinsstube
an einem weißen Plastikstehtisch. Drin-
nen an der Bar sitzt ein Dutzend weite-
rer Schützen. Ab und zu kommt einer
raus und redet mit. Der war ja gelernter
Metzger, weiß einer, habe auch den The-
kendienst übernommen, in der Küche ge-
holfen. „Immer am Lachen, immer en
Späßche uff de Libbe.“
Auf die Frage, wie ein super Typ so et-
was machen könne, kommt eine vertrau-
te Antwort im vertrauten Ton der Ent-
rüstung: „Kannst de Leud halt ned in
de Kopp gugge!“ Der das sagt, tippt
sich an die Stirn. Vollkommen klar, sa-
gen die Gesichter der anderen. Ein
Schlohweißer hat noch ein anschauli-
ches Beispiel parat. Mit erhobenem Fin-
ger: „Seit vierzig Jahr bin ich mit mei-
ner Frau verheiratet. Meinst du, ich
kenn die?“ Gelöstes Lachen.
Am Mittwoch sind sie das erste Mal
nach der Tat wieder im Verein zusam-
mengekommen. Eigentlich ist Trai-
ning, aber die Männer stehen lieber bei-
sammen. Sie sind aufgebracht, aller-
dings nicht über die Tat, sondern die un-
angenehmen Folgen für sie. „So was
braucht kein Mensch“, knurrt der Vor-
stand. Jetzt treffe es wieder völlig zu Un-
recht die Schützen.
In der Welt des Schützenvereins ist es
einfach: Es gibt keine besseren Men-
schen als Sportschützen. Akribisch zäh-
len sie die Auflagen für Waffenbesitz
und Waffengebrauch auf. Schlägereien,
Trunkenheit am Steuer – können sie
sich alles nicht erlauben. „Der beste
Nachbar, den man sich vorstellen kann,

ist ein Sportschütze!“, ruft der Vor-
standsvertreter. Jawoll. Gesetzestreuer
geht ja gar nicht.
Ein älteres Vereinsmitglied schaut auf-
fordernd in die Runde: „Ich mein, wenn
ein Autofahrer jemanden überfährt,
dann werden doch auch nicht allen Leu-
ten die Autos weggenommen!“ Großes
Nicken. Schiefe Vergleiche sind beliebt.
Es folgen ein paar bekannte, zum Bei-
spiel: „Hätt er ’nen Deutschen erschos-
sen, hätt’s doch keinen interessiert.“
Ein neuer Vergleich: „Als der Polizist
umkam, stand das einen Tag in der Zei-
tung, das war’s.“ Alle wissen, was ge-
meint ist: Vor ein paar Wochen ist ein Be-
amter bei der Verfolgung einer Einbre-
cherbande in Wächtersbach vom Zug er-
fasst worden. Und überhaupt, jetzt sind
sie in Fahrt mit ihren Vergleichen: Die
Clans in Frankfurt und Offenbach, die
seien doch bis an die Zähne bewaffnet,
kontrolliere die vielleicht irgendwer? In
der Stadt gehe es doch drunter und drü-
ber.
Mit Fremdenfeindlichkeit hätten sie
übrigens nichts am Hut, sagt der Schloh-
weiße. Genau genommen, seien sie sogar
extrem weltoffen. Hier im Schützenver-
ein gebe es etwa „en türkische Lanz-
mann, en Pole oder so was, und etliche
Russen“, also Russlanddeutsche.
Der Schlohweiße geht jetzt doch
noch in den Schießraum, zu Vorführzwe-
cken. Der Vorstandvertreter kommt
mit, wegen der Sicherheit. Der Schütze
zieht die papierne Zielscheibe auf, lässt
sie mit einem Surren an den Nylonfä-
den entlanggleiten. Mit einem Klack
sitzt sie fest, in zehn Meter Entfernung.
Bedächtig holt er seine Waffe aus dem
Köfferchen, Marke Trevor, eine Luftpis-
tole. Schaut, zielt, schießt. Ins Schwar-
ze, aber nur eine acht. Na ja. Der Vor-
stand lacht, sei wohl aufgeregt gewesen,
was? Es wird gefachsimpelt über Waffen
und Kaliber, Gewehre und Pistolen. Die
Männer zeigen ihre Ausrüstung: schwe-
re Jacken, Handschuhe, damit man ruhi-
ger zielen könne. „Schießen ist totale
Konzentration“, sagt der Schlohweiße.
Man vergesse dann alles um einen her-
um, spanne jede Nervenzelle, jede Mus-
kelfaser im Körper an. Hinterher gehe
es einem richtig gut.
Noch vor fünf, sechs Jahren, so genau
wissen sie es nicht mehr, hat der Roland
hier seinen Geburtstag gefeiert. Die
Freundin war auch dabei. Verheiratet soll
er auch mal gewesen sein, eine Tochter
haben. Während seiner Zeit im Schüt-
zenverein, ab 2011 also, habe er Lastwa-
gen mit Schrott gefahren. Mit seiner
Freundin habe er zusammen ein Haus ge-
baut, doch dann sei es plötzlich aus gewe-
sen. Und der Job weg. Seitdem haben sie
ihren Kumpel kaum noch gesehen. Er
sei noch ein paarmal vorbeigekommen,
um seine Waffen zu verkaufen. Was hät-
te man sich dabei groß denken sollen,
verteidigen sie sich. „Ich mein, die Leud
könne immer austigge!“ Und noch mal:
„Kannst dene ja ned in de Kopp gugge!“
Das war die Zeit, vor etwa zwei Jah-
ren, als Roland K. nach Biebergemünd
umzog. Statt in den Verein ging er jetzt
ins Martinseck. Für seinen Frühschop-
pen und das Kneipengeschwätz. Schräg
gegenüber vom Martinseck sind in einer
Wohnung Flüchtlinge untergebracht.
Ein paar Straßen weiter wohnt seit 87 Jah-
ren Irmgard Becker. Früher habe die Bar
mal einem Türken gehört, sagt sie. Doch
auch da war das schon eine Männerknei-
pe. Drin war sie nie.
„Die Welt ist ein Dorf, und das Dorf
ist die Welt“, sagt sie auf Hochdeutsch,
hessisch gefärbt, und in Biebergemünd sei
es wie überall: Es gibt Leute, die es gut
meinen, und es gibt die anderen. Früher
war sie Religionslehrerin, dann nahm sie
sich der Flüchtlinge an, unterrichtete
Deutsch, half mit den Dokumenten. Ihre
Grundüberzeugung: „Wir leben hier gut,
weil wir in Verbindung sind mit der Welt.
Was würden wir machen ohne die Engel
aus der Ukraine und Polen?“ Ein solcher
Engel pflegt ihre demente Schwester.
Eine mittlerweile enge Freundin von Frau
Becker kam vor einigen Jahren aus Sy-
rien: Manal Burhan hatte ihren Mann im
Krieg verloren. In Biebergemünd begann
sie mit ihrem Sohn ein neues Leben, mitt-
lerweile sprechen beide fließend Deutsch,
der Sohn geht aufs Gymnasium, die Mut-
ter absolviert eine Lehre als Büromanage-
rin. Um anderen Flüchtlingen zu helfen,
haben Frau Becker und Manal Burhan ein
Deutschbuch für Anfänger entwickelt.
Vor zwei Jahren bekamen sie dafür den
hessischen Integrationspreis. Frau Becker
sagt: Auf dem Dorf sei es leichter, An-
schluss zu finden, als in der Stadt.
So dachte auch eine eritreische Fami-
lie im Nachbarort Wächtersbach. Am
vergangenen Wochenende gab es ein
kleines Fest, unter den Gästen war Nor-
bert Döppenschmidt, der sich als Pensio-
när für Flüchtlinge engagiert. Und dann
sei der Kaffee gemacht worden, erzählt
er begeistert: „Haben Sie das mal er-
lebt?“ Bestimmt eine Dreiviertelstunde
dauere das mit dem Rösten und Mahlen.
Er saß die ganze Zeit neben einem jun-
gen Familienvater, der sein Baby im
Arm hielt. Der sei ein Beispiel für alles,
was gut läuft in Wächtersbach, erzählt
Döppenschmidt: Seit vier Jahren in
Deutschland, die Sprache gelernt, Ar-
beit gefunden, eine Familie gegründet.
In Wächtersbach fand er ein Zuhause.
An diesem Montag wurde er von Ro-
land K. niedergestreckt.

Kannst de Leud halt ned


in de Kopp gugge


In Wächtersbach schoss ein Mann auf einen Eritreer. Wegen dessen Hautfarbe.


Die Kumpel des Schützen verstehen die Aufregung nicht.


Von Livia Gerster


Fotos Livia Gerster (2), Lucas Bäuml (2), dpa
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