2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
Erste Aufwartung für Trumps
zweite Amtszeit
In den ersten Märztagen wird es weiter
Kurz-Bilder regnen: Der österreichische
Kanzler Aug in Aug mit dem mächtigs-
ten Mann der westlichen Welt. Knapp
mehr als ein Jahr nach seinem ersten
Besuch im Weißen Haus wird Sebastian
Kurz neuerlich auf Donald Trump tref-
fen. Der „young guy“ (Trump) wird just
am Super Tuesday im Weißen Haus sein,
dem Schlüsseltag der Vorwahlen im
Lager der Trump-Herausforderer.
„Sehr viel Aufmerksamkeit wird auch
der Auftritt von Kurz bei der Jahres-
tagung von AIPAC (The American Israel
Public Affairs Committee) erwecken“,
sagt Martin Engelberg. Bei Tagungen
der jüdischen US-Lobbyorganisation für
Israel sind satzungsgemäß vornehmlich
amerikanische Politikgrößen gefragt. „Er
ist einer der höchstrangigen westlichen
Politiker, die je dort aufgetreten sind“,
weiß der ÖVP-Bereichssprecher für In-
ternationale Entwicklung.
Martin Engelberg war auch schon bei
der Premiere im Weißen Haus im Febru-
ar 2019 mit dabei. Seine Erklärung für
das Revival: „Kurz wird im
Weißen Haus als wichtige po-
litische Figur Europas wahr-
genommen.“
Trump blieb den Teilneh-
mern nicht nur „für seine Ver-
hältnisse fast charmant“ in Er-
innerung. „Zwei Treffen knapp
hintereinander sind ein Zei-
chen von Interesse und Wert-
schätzung“, resümiert ein
Spitzendiplomat. „Die USA
haben wegen des Handelskrie-
ges mit China Europa wieder
mehr am Radar. Der diploma-
tische Apparat weiß, dass Kurz
trotz seines jugendlichen Al-
ters schon zu den erfahreneren
Politikern zählt und in der EU
eine besondere Rolle spielt.“
Kurz selber steigt am


  1. März in die AUA-Maschine


Binnen zwei Jahren


zweimal bei DONALD


TRUMP und XI JINPING,


dazu 30 Staatsvisiten


quer durch die Welt.


Was steckt hinter der


ungebrochenen


Reiselust des Kanzlers?


Aug in Aug mit


„The Donald“


S

tell dir vor, es ist EU- Gipfel,
aber keiner schaut hin. Die
frisch gewählte EU-Kom-
missionspräsident Ursula
von der Leyen und die alt-
eingesessene EU-Strippen-
zieherin Angela Merkel spielten zwar
auch beim jüngsten Ringen um das
EU-Budget eine zentrale Rolle, perma-
nent im Bild waren nicht die Brüsseler
Spitzen, sondern der Regierungschef
eines kleinen EU-Landes.
Wenn Sebastian Kurz auf Reisen
geht, hat er immer einen eigenen Foto-
grafen im Schlepptau. Er ist meist Teil
der offiziellen Delegation, damit er ohne
lästige Debatten auch bei Terminen im
kleinen Kreis mit dabei sein kann. Das
jüngste Ergebnis schlug sich dieser Tage
in so gut wie allen heimischen Medien
erfolgreich nieder.
Statt der üblichen Bilder der Big
Shots von Macron bis Merkel dominier-
te ein vermeintlicher Schnappschuss.
Die „sparsamen vier“, die sich am Rande
des EU-Gipfels wiederholt verabreden:
Sebastian Kurz im Kreise der Regie-
rungschefs von Schweden, Dänemark
und den Niederlanden. Als vier der fünf
Nettozahler „wollten sie noch härter auf-
treten als Deutschland und verhindern,
dass mehr als ein Prozent der Jahres-
wirtschaftsleistung in den EU-Haushalt
fließt“, rapportierte etwa auch „Der
Spiegel“.
Auf den Fotos von den Meetings der
„frugal four“ ist die Botschaft noch ein-
deutiger. Es gibt nur einen, der hier den
Ton angibt: Sebastian Kurz spricht mit
raumgreifender Gestik, die anderen drei
hören ihm freundlich-aufmerksam zu.
Denn Österreichs Kanzler-Fotograf, der
selbstredend mit dabei war, gibt nur
jene Bilder frei, die den Chef in der Rolle
des unermüdlich Aktiven zeigen.

Dynamischer Sparefroh
Die sorgsam ausgemusterte optische
Beute landet nicht nur dort, wo sie allein
hingehörte – auf der Homepage des

Bundeskanzleramts und auf den Social-
Media-Kanälen, die Sebastian Kurz
unterstehen. In Spardruckzeiten wie
diesen greifen so gut wie alle Medien auf
das freundliche Angebot der Kanzler-
Entourage zurück: ein paar handver-
lesene aktuelle Kanzler-Bilder kostenlos
frei Haus.
Der journalistische Preis ist hoch:
Auf den Bilddokumenten gibt es nur
einen Superstar – Sebastian Kurz, wen
sonst.
Die Kurz-Truppe muss zwar
damit leben, dass sich im
Kleingedruckten der eine oder
andere kritische Satz fand.
Denn diese Story lesen Kurz &
Co gar nicht gerne: Hier „die
vier Geizigen“, die die Rolle
der Brexit-Briten übernehmen
und lautstark auf die Ausga-
benbremse steigen; dort „die
Ehrgeizigen“ wie die EU-Par-
lamentarier, die mehr Geld für
neue EU-Ziele wie den Green
Deal fordern.
Aber wann, wenn nicht
beim sperrigen Thema EU-
Haushalt, gilt die alte Formel,
dass ein Bild mehr als tausend
Worte sagt? Kurz, der dynami-
sche Sparfroh, im Kreise seiner
EU-Mitstreiter.

DER AUTOR.
Josef Votzi ist
einer der renom-
miertesten Politik-
journalisten des Lan-
des. Er arbeitete für
profil und News und
war zuletzt Politik-
und Sonntagschef
des „Kurier“. Für den
trend verfasst er
jede Woche „Politik
Backstage“.

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VON JOSEF VOTZI

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