2020-02-28 trend

(Jacob Rumans) #1
RISIKOGRUPPE STUDENTEN. Kaum je-
mand glaubt, dass es bei den zwei offizi-
ell bestätigten Viruserkrankungen in
Österreich bleiben wird. Zu massiv ist
der wirtschaftliche Austausch über den
Brenner. Von den rund eine Million itali-
enischen Nächtigungen pro Jahr (der
kommende März ist der drittstärkste
Monat in Tirol), bis hin zur Uni Inns-
bruck, einem der beliebtesten Ziele der
rund 8.000 italienischen Studenten in
Österreich.
Hotelierschefin Reitterer berichtet
dann auch von ersten Stornos aus Itali-
en. Die Gäste fürchteten, als Risikogrup-
pe in eine Quarantänesituation zu kom-
men: „Mittelfristig besteht durchaus die
Gefahr, dass die Leute überhaupt keinen
Bock mehr haben auf Reisen, auf Züge
oder Flugzeuge.“
Die Kollegenschaft ist jedenfalls ange-
spannt. Martha Schultz, Unternehmerin
aus dem Hochzillertal: „Es gibt bis dato
noch keine Stornierungen. Wir verfolgen
aber stündlich die aktuellen Entwicklun-
gen.“ Dietmar Walser, Geschäftsführer
des Tourismusverbands Paznaun: „Bis-
her sind im Paznaun keine Reisestornie-
rungen bekannt. Sollte es zu einem Fall
kommen, werden wir die nötigen Maß-
nahmen setzen.“
Am Abend des Redaktionsschlusses
ließ Landeshauptmann Günther Platter
in Innsbruck dann jenes Hotel beim
Hauptbahnhof vorübergehend schließen,
in dem die infizierte Italienerin als
Rezeptionistin gearbeitet hat. Die Krise
dürfte gerade erst begonnen haben.

ÖHV-PRÄSIDENTIN MICHAELA REITTERER: „Mit-
telfristig besteht die Gefahr, dass die Leute über-
haupt keinen Bock mehr haben auf Reisen.“

09/2020 | TREND 7

FOTOS: PICTUREDESK.COM/APA/HELMUT FOHRINGER, FLORIAN LECHNER, BEIGESTELLT


Die große trend-Umfrage: Welche Vorsichtsnahmen die
Österreicher nun planen, um sich vor dem Virus zu schützen –
und welche nicht.

Es gibt sie noch, die echten Corona-
muffel. 14 Prozent der Österreicher
wollen „grundsätzlich keine Vorsichts-
maßnahme gegen das Coronavirus“ ergreifen,
egal, ob Händewaschen oder Verzicht auf
Italienreise – das ist eines der Ergebnisse einer
Umfrage des Linzer market-Instituts für den
trend. Marktforscherin Birgit Starmayr spricht
dabei von „klassischen Verweigerern“, unter
denen es bei den Jungen deutlich mehr gibt als
bei älteren Befragten. Von diesen Hardcore-
Blockierern abgesehen ergibt die am 20. und 21.
Februar durchgeführte Befragung ein differen-
ziertes Bild. 45 Prozent halten die behauptete
Gefährlichkeit des Virus für übertrieben, elf
Prozent für untertrieben, 44 Prozent für richtig
eingeschätzt.
Seitdem die ersten österreichischen
Covid-19- Fälle bestätigt wurden, dürfte sich
diese Einschätzung aber deutlich weiterentwi-
ckelt haben, vermutet Starmayr. Die Anhänger
der Übertreibungstheorie liegen inzwischen
wohl unter 30 Prozent, glaubt auch die
market-Expertin. Dass neben den globalen
Lieferketten der Industrie der Tourismus am
empfindlichsten von der Krise betroffen wird,
ist abzusehen. Als besonders problematisch
werden Reisen mit Kreuzfahrtschiffen einge-
schätzt – die Bilder der „Diamond Princess“
mit inzwischen fast 700 Infizierten und vier Toten
in Japan gingen um die Welt.
21 Prozent der Befragten stufen auch
Flugreisen als „sehr gefährlich“ ein, während
die Bahn als vergleichsweise virensicher gilt.
Generell werden die Veranstalter von Asien-
reisen die Zurück haltung der Kunden spüren
bekommen. Je nach Ausbreitung des Virus in
Europa und Amerika wird sich aber auch diese
Abstufung verändern. Gefragt nach konkreten
Maßnahmen im eigenen Bereich, sind die von
den Behörden empfohlenen Hygienemaß-
nahmen hoch im Kurs: 45 Prozent wollen jetzt
besonders aufs Händewaschen achten, wobei
Frauen (50 Prozent) deutlich vorsichtiger sind als
Männer (38 Prozent). 39 Prozent legen Wert
darauf, beim Niesen oder Husten Mund bzw.
Nase mit einem Papiertaschentuch zu bedecken.
Einigeln scheint den Meisten das falsche
Rezept zu sein. Menschenansammlungen
meiden wollen nur 15 Prozent, sich möglichst
wenig auf Knotenpunkten wie Flughäfen oder
Bahnhöfen herumtreiben 20 Prozent. Nur drei
Prozent geben an, „ganz sicher“ eine Schutz-
beziehungsweise Grippemaske kaufen zu wollen.

Kreuzfahrten pfui, Österreich hui


VON BERNHARD ECKER

Wird die Gefährlichkeit des Corona-Virus
richtig eingeschätzt?
44 %
ja

11 %
untertrieben

45 %
übertrieben

Welche Vorsichtsmaßnahmen
planen Sie selbst?
(„Ganz sicher“-Antworten in Prozent)

weniger nach
Asien reisen 69 %
Hände immer
gut waschen 45 %
beim Niesen/Husten
Mund/Nase mit Papier-
taschentuch bedecken 39 %
weniger ins
Ausland reisen 27 %
Flughäfen, Bahnhöfe,
etc. meiden 20 %
generell Menschen-
ansammlungen meiden 15 %

Grippemaske kaufen 3 %
weniger außer
Haus gehen 3 %
grundsätzlich
keine Maßnahme 14 %

Was ist beim Reisen gefährlich?
(„Sehr gefährlich“-Antworten in Prozent)

Kreuzfahrten 25 %

Flugreisen 21 %

Bahnfahrten 5 %

Asienreisen 51 %

USA-Reisen 5 %

Europareisen 2 %

Österreichreisen1 %
Diese repräsentative
trend-Umfrage wurde vom
market-Institut durchgeführt.
n = 400 Befragte.
market.at

BIRGIT STARMAYR,
market-Institut
Free download pdf