A. Postinett, C. Kapalschinski
San Francisco, Lissabon
I
m Mai wagte Uber einen der
spektakulärsten Börsengänge
der vergangenen Jahre. An
diesem Mittwoch steht dem
Fahr- und Logistikdienst aber
die größte Bewährungsprobe noch
bevor. Dann läuft eine Lock-up-Frist
für Altaktionäre aus. Bis jetzt waren
sie verpflichtet, ihre Aktien zu halten.
Nach Angaben des IPO-Spezialisten
Renaissance Capital unterlagen bis-
her 1,5 Milliarden Aktien der Rege-
lung, rund 90 Prozent der Anteil-
scheine. Künftig sind die Altaktionäre
frei – und könnten sich im großen Stil
von den Anteilen trennen.
Mit den Zahlen, die Uber jetzt vor-
legte, lieferte Vorstandschef Dara
Khosrowshahi jedenfalls wenig positi-
ve Argumente. Zwar stieg der Umsatz
im dritten Quartal um 30 Prozent auf
3,8 Milliarden Dollar verglichen mit
dem Vorjahr. Gleichzeitig stieg aber
auch der Nettoverslust von 986 Mil-
lionen auf 1,2 Milliarden Dollar. Das
Wachstum ist also teuer erkauft.
Khosrowshahi versuchte in einem
TV-Interview, trotzdem ein weiter po-
sitives Bild zu zeichnen – und über-
raschte mit einer Ankündigung: Er
erwarte für 2021, so erklärte er auf
CNBC, auf Basis der „bereinigten
Ebitda-Zahlen“ einen Gewinn. Vor
Steuern und Zinsen und ohne Be-
rücksichtigung von Abschreibungen
und Amortisationen soll das Ergebnis
positiv sein. Gleichzeitig hob Uber
mit den Quartalsergebnissen die Er-
wartungen für das gesamte Jahr an
und stellte, wieder auf Basis des be-
reinigten Ebitda, eine Verringerung
des Verlustes um 250 Millionen Dol-
lar in Aussicht. Trotzdem wird der
Fehlbetrag noch bei 2,8 bis 2,9 Milli-
arden Dollar erwartet.
Die Prognose, 2021 beim bereinig-
ten Ebitda die Gewinnschwelle zu er-
reichen, hatte Khosrowshahi ganz of-
fensichtlich an die Altaktionäre ge-
richtet. Bislang mussten diese
Uber-Aktionäre der Aktienentwick-
lung nervös und tatenlos zusehen.
Lock-up-Fristen für bestimmte Ak-
tionärsgruppen wie Risikokapitalge-
ber oder Angestellte sind normal am
US-Aktienmarkt, und niemand kann
vorhersagen, was passiert, wenn sie
auslaufen. Sind die Prognosen opti-
mistisch, wird das neue Material oft
schnell vom Markt absorbiert. Ist ei-
ne Aktie aber im Abwärtstrend oder
sogar besonders stark gestiegen,
droht dagegen ein Blutbad. Zuletzt
musste Börsenstar Beyond Meat trotz
guter Quartalszahlen einen Einbruch
von gut 20 Prozent verkraften, als ei-
ne Haltefrist auslief. Viele Altaktionä-
re wollten die verbliebenen Gewinne
erst einmal sichern, nachdem die Ak-
tie schon 40 Prozent eingebüßt hatte
und sie hilflos zusehen mussten.
Vor diesem Hintergrund bekom-
men die Zahlen zum abgelaufenen
Quartal von Uber besondere Brisanz.
Sie müssen neuen Optimismus bei In-
vestoren und Analysten entzünden,
Gründe liefern, auszuhalten und auf
bessere Tage zu hoffen.
Zu einer Zeitbombe könnte sich
dabei Uber Eats auswachsen, der
derzeitige Wachstumsstar. Uber Eats
liefert Kunden fertiges Essen ins Haus
und bekommt dafür von den Restau-
rants einen Teil des Umsatzes. Das
deckt aber nicht die Kosten, sodass
Uber draufzahlt, um seine Fahrer bei
der Stange zu halten. Das Unterneh-
men hofft zwar, mit zunehmender
Beliebtheit solcher Dienste die Liefer-
preise langsam auf ein lukratives Ni-
veau anheben zu können. Doch die
Quartalsergebnisse des Branchenrie-
sen Grubhub Ende Oktober versetz-
ten die Branche in Schockstarre.
Nach einem viel schlechter als erwar-
teten Ergebnis und einer gesenkten
Prognose für das laufende Vierteljahr
implodierte die Aktie regelrecht um
mehr als 40 Prozent an einem Tag.
Konkurrenten wie Uber Eats oder
Doordash nehmen Grubhub immer
mehr Marktanteile ab. Allerdings
überbieten sich alle Wettbewerber
dafür gegenseitig mit Subventionen.
Harte Konkurrenz
Bei Uber liest sich das in Zahlen so:
Einem imposanten Umsatzanstieg
bei Uber Eats übers Jahr um 64 Pro-
zent auf 645 Millionen Dollar steht
ein ebenso imposanter Anstieg des
Verlustes um 67 Prozent auf 316 Mil-
lionen Dollar beim bereinigten Ebit-
da gegenüber. Die Schlacht der Kon-
kurrenten um immer dieselben Kun-
den frisst immer mehr Geld.
Um 52 Prozent gestiegen ist dage-
gen der Gewinn beim Kernsegment
der Fahrdienste. Das Ebitda kletterte
hier um 52 Prozent auf 631 Millionen
Dollar. Schon zum achten Mal in Fol-
ge schrieb Uber schwarze Zahlen.
Hier macht sich eine Art Burgfrieden
mit Konkurrent Lyft bemerkbar. Bei-
de Unternehmen hatten Anfang des
Jahres angekündigt, mehr über Qua-
lität und Service als über Preise kon-
kurrieren zu wollen. Mit anderen
Worten: Beide Anbieter verringerten
deutlich ihre teilweise absurden Ra-
battangebote, mit denen sie sich lan-
ge gegenseitig unterboten hatten.
Wie Uber nachhaltig Gewinne
schreiben will, erklärte Produktvor-
stand Manik Gupta dem Handelsblatt
am Rande des Web Summits in Lissa-
bon: Zunächst will der gebürtige In-
der die bestehenden Angebote weiter
in die App integrieren. Sie soll künftig
dem Nutzer aktiv Vorschläge machen
- und auch öffentlichen Nahverkehr
und Drittanbieter integrieren. Das
Ziel sei, die Uber-App zum „Betriebs-
system“ für den Alltag zu machen,
sagte er. Aus Produktsicht sei vor al-
lem wichtig, die langfristige Nutzung
der App zu fördern: „Und wenn die
Menschen uns öfter nutzen, steigt
unsere Marge.“ Es sei ein Geschäft
mit Größe: „Wir sind in 65 Ländern,
in 700 Städten, mit 15 Millionen Fahr-
ten am Tag“, sagte Gupta. Wann
Uber Eats nach Deutschland komme,
sei noch unklar.
Die Situation ist nicht einfach für
Uber. Konkurrent Lyft hatte zuvor
mit den Quartalszahlen positiv über-
rascht und ebenfalls das Erreichen
der Gewinnzone (nach Ebitda) für
Ende 2021 angekündigt. Der Umsatz-
anstieg fiel mit 63 Prozent sogar dop-
pelt so stark wie jetzt bei Uber aus.
Was die Gewinnerwartungen an-
geht, sind Analysten für beide Unter-
nehmen noch zurückhaltend. In Kali-
fornien ist jetzt ein Gesetz verab-
schiedet worden, nach dem viele
Arbeiter in der sogenannten „Gig
Economy“, Arbeiter, die von Auftrag
zu Auftrag leben und „selbstständige
Unternehmer“ sind, per Gesetz in
Angestellte umgewandelt werden.
Das ist etwa der Fall, wenn ihnen ih-
re Unternehmen unter anderem Ar-
beitszeiten und die Annahme von
Aufträgen vorschreiben können. Das
Gesetz tritt Anfang 2020 in Kraft und
könnte die „Gig Economy“, zu der
Lyft, Uber, aber auch Lieferdienste
wie Doordash oder Grubhub gerech-
net werden, dramatisch ändern. Die
Angestellten hätten dann zum Bei-
spiel ein Recht auf einen gesetzlichen
Mindestlohn und Bezahlung im
Krankheitsfall.
Dagegen wehren sich die Unter-
nehmen jetzt gemeinsam mit einer
90 Millionen Dollar teuren Kampa-
gne, mit der sie die Gesetzgebung
wieder zu Fall bringen wollen. Der
Ausgang ist ungewiss.
> Kommentar Seite 29
Fahr- und Logistikdienst
Uber kämpft um Vertrauen
Der Konzern will die Gewinnschwelle erreichen. Die Börse bleibt skeptisch.
Uber-Zentrale in San
Francisco:Burgfrie-
den mit Konkurrent
Lyft.
Bloomberg
Uber: Weiter im Minus
Kennzahlen in Mio. US-Dollar
HANDELSBLATT Quellen: Unternehmen, Bloomberg
Aktienkurs in US-Dollar
28,77 US$
1.7.2019 5.11.
45
40
35
30
25
Umsatz
Ebitda
+29,
%
2 944
-458-
3 813
-27,
%
Veränderung
- Quartal
2018 - Quartal
2019
Unternehmen & Märkte
MITTWOCH, 6. NOVEMBER 2019, NR. 214
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