Der Stern - 26.09.2019

(Romina) #1
zusammenbringen. Wenn ich als Ku-
ratorin in die Archive von Dior gehe,
suche ich Produkte heraus, die mich
inspirieren. Als Kreative höre ich dann
auf mein Gefühl. Ich glaube übrigens
nicht, dass sich die DNA des Hauses nur
auf ihren Gründer beschränken sollte.
Große Designer wie Raf Simons, John
Galliano und auch Yves Saint Laurent
haben für Dior gearbeitet. Auch sie ha-
ben zum Code der Marke beigetragen.
Insofern ist die neu lancierte „Saddle-
Bag“ eben keine „Galliano-Bag“, auch
wenn er sie entworfen hat. Es ist eine
Dior-Tasche, die die Codes der Marke
transportiert. Deshalb glaube ich, dass
Dior mehr ist als nur Christian Dior.

Wie wählen Sie denn Ihr Outfi t am
Morgen aus?
In erster Linie geht es darum, Dinge
auszusuchen, die man liebt. Im nächs-
ten Schritt merkt man, wie man sich
darin fühlt, ob der Look einem guttut.
Ich glaube, dass einige Marken für
bestimmte Codes stehen. Bei Dior ist
es beispielsweise die hervorragende
Qualität. Ich erwarte gute Stofe, per-
fekte Schnitte. Das wird immer bleiben.
Frauen sind sich heute viel be-

Produkt entscheiden, merken Frauen,
dass ich es so entworfen habe, dass es
gut für sie ist.

Das klingt nach einer neuen Defi nition
von Luxus ...
In der Vergangenheit ging es Luxus-
marken darum, Produkte zu lancieren,
die eher „show-of“ waren. Besonders
für Couture-Häuser wie Dior ist es
heute wichtig, zu verstehen, dass
Luxus individueller geworden ist.

Wie setzen Sie dies um?
Diese Idee hatte ich schon immer.
Dennoch musste ich einen Weg  nden,
den Dior-Code einzubinden. Ich nahm
also beispielsweise das legendäre „Bar
Jacket“ aus dem Archiv, änderte nichts
an der Form, machte es aber viel leich-
ter. Frauen arbeiten, Frauen reisen,
Frauen haben ihr eigenes Leben. Des-
halb funktionieren diese schweren
Stofe in der heutigen Zeit nicht mehr.

Wie suchen Sie im Archiv jene Stücke
aus, die Sie neu interpretieren?
Ich bin auf der einen Seite eine Kura-
torin, aber eben auch Artistic Director
von Dior. Dies muss ich immer wieder

M


aria Grazia Chiuri, Lu-
xusmarken wie Dior
sind derzeit deshalb so
erfolgreich, weil es ihnen

gelingt, Modernität mit Tragbarkeit zu


kombinieren, ohne dabei auf perfekte


Schneiderkunst zu verzichten. Sie haben


diesen Trend als Artistic Director von


Dior initiiert. Sie sind quasi die Galions-


fi gur einer Bewegung ...


Mein Job ist es, einen Dialog mit


Frauen zu führen – dabei aber das Erbe


von Dior aufrechtzuerhalten. Dennoch


muss es uns gelingen, dieses auf eine


Weise umzusetzen, die sich für das


Leben von heute gut anfühlt.


Wie machen Sie das?


Vielleicht hat diese Einstellung etwas


damit zu tun, dass ich mediterrane


Wurzeln habe. Mir ist sehr wichtig,


mich gut in seinem Körper zu fühlen.


Und genauso geht es vielen Kundinnen


o enbar auch.


Luxus bedeutet heute nicht mehr, mit


seiner Kleidung anzugeben. Heute ist


Luxus viel persönlicher. Frauen wissen


ganz genau, was sie wollen, worin sie


sich wohlfühlen. Wenn sie sich für ein


Die „Saddle-Bag“ (l.)
und „Lady Dior“
stammen aus der
Historie des Unter-
nehmens. Die neuen
Re-Editionen erin-
nern an das Original,
sind aber cooler und
Bestseller des Hauses

Statement: Als ersten
Look schickte Chiuri
bei ihrer Haute-
Couture-Show ein
Kleid mit einem Zitat
des Architekten
Bernard Rudofsky
aus dem Jahr 1947 auf
den Laufsteg


Maria Grazia Chiuri ist seit drei Jahren Kreativdirektorin


bei Dior. Mit ihrem Stil hat sie die Marke verjüngt und die


Modewelt revolutioniert


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