Der Tagesspiegel - 24.08.2019

(Nora) #1
Was es bedeuten kann, als Erzieher mit
Vorurteilen konfrontiert zu sein, hat Till
Engel erlebt. Der 28-Jährige arbeitete in
einer Berliner Einrichtung, als plötzlich
Gerüchteaufkamen.Einzelne Kinder hät-
ten erzählt, dass Engel sie anders angu-
cken würde, als es weibliche Kolleginnen
tun. „Weder Eltern noch Kolleginnen
konnten auf meine Nachfrage nähere De-
tails nennen“, sagt der junge Erzieher.
Der Verdacht stand im Raum: Ist Engel
womöglich ein Pädophiler? Der Erzieher
stand daraufhinunterständigerBeobach-
tung, musste sich fortan für jede Aktion
rechtfertigen,berichtet er.EinestarkeBe-
lastung. „Da braucht
man schon ein ganz
dickes Fell.“
TillEngelisttrotz-
demindemBerufge-
blieben – und ver-
suchtjetztgegensol-
che Vorurteile anzu-
gehen. Seit fast sie-
ben Jahren produ-
ziert er YouTube-Vi-
deos, in denen er
über seine Erfahrun-
gen mit Diskriminierung, aber auch über
denAlltagunddieHerausforderungenfür
MännerinseinemJobspricht.„Alsichmit
dem Erzieherberuf angefangen habe, gab
es nur wenig Informationen dazu. Doch
angehende Erzieher sollten wissen, was
sieerwartenkönnte“, sagt er.
Wie wichtig männliche Erzieher in Ki-
tas sind, das betont regelmäßig die Orga-
nisation fürwirtschaftlicheZusammenar-
beit und Entwicklung (OECD). Zum ei-
nenaus pädagogischer Sicht: Durch mehr
Männerin denKitas könnte auchdie Qua-
lität der frühkindlichen Bildung zuneh-
men. Die Kinder würden differenzierter
lernen, besonders ihre Einstellung zu Ge-
schlechterrollen könnte sich verbessern,
heißt es in der OECD-Analyse.
Zum anderen könnten Männer dazu
beitragen, den Fachkräftemangel in den
Einrichtungen zu verringern. In Berlin
sind Erzieher knapp, zugleich baut die
Stadt das Kita-Angebot weiter massiv
aus. Allein im vergangenen Kita-Jahr
stieg die Zahl der angebotenen Plätze um
knapp 7000 auf 178000 Plätze. „In den
nächsten Jahren werden voraussichtlich
rund 3000 Fachkräfte mehr benötigt“,
heißt es aus der Senatsverwaltung.
Was junge Männer bisher oft davon ab-
hielt, Erzieher zu werden: die schlechte
Entlohnung, niedrige soziale Anerken-
nung und geringe Aufstiegschancen sind
zentrale Barrieren, hat eine Studie des
Bundesfamilienministeriums 2015 he-

rausgefunden. In allen drei Punkten ist
nachgebessert worden. So arbeiten Kitas
daran, sich gegenüber männlichen Kolle-
gen zu öffnen. Auch Geld wird es in Zu-
kunft mehr geben. In einer öffentlichen
Kita in Berlin können Berufseinsteiger ab
dem kommenden Jahr für eine Vollzeit-
stelle mit rund 2900 Euro brutto im Mo-
nat rechnen (siehe Kasten).
Seit Jahren versuchen Bund und Län-
der durch verschiedene Programme
mehr Männer für den Beruf zu interessie-
ren. Beim jährlichen Zukunftstag lernen
Mädchen typische Männerberufe und
Jungs typische Frauenberufe kennen. „Es
ist uns stets wichtig, den Erzieherberuf
nicht als klassischen Frauenberuf darzu-
stellen“, heißt es aus der Senatsverwal-
tung. So seien auch Männer immer auf
Abbildungenvon Informations-und Wer-
bematerialien für den Beruf zu sehen, die
Verwaltung spreche außerdem meist von
„pädagogischenFachkräften“oder „Erzie-
herinnen und Erziehern“.
Tatsächlich hat sich etwasgetan: InBer-
linerKitas sindaktuellelf Prozent derBe-
schäftigten männlich. Im Jahr 2014 lag
der Anteil bei 8,8 Prozent. Mit diesen
Zahlen hat Berlin im Ländervergleich
eine Vorreiterrolle: Im bundesweiten
Schnitt ist gerade einmal gut jeder zwan-
zigste Erzieher männlich.Das es inBerlin
bald noch mehr werden, darauf lassen die
Ausbildungszahlen schließen und die
Ausweitung des Quereinstiegs. Im Schul-
jahr 2017/18 war laut Erhebung des Se-
natsknapp einViertel derAusbildungsab-
solventen männlich,beider berufsbeglei-
tenden Teilzeitausbildung war der Anteil
an Männern noch etwas höher.
Fast 30000 Nutzer haben die You-
Tube-Videos von Engels bisher ange-
klickt, nahezu täglich bekomme er Mails
von männlichen Kollegen, sagt er. Darun-
ter solche, in denen Betroffene ihm von
Diskriminierungberichten. Invielen Kin-
dergärten herrsche sogar ein präventives
Wickelverbot für männliche Erzieher.
„Für viele Männer sind die pflegerischen
Aspekte wiedas Wickeln nichtdie belieb-
testenAufgaben“,sagt Engel. Ihm gehees
umsPrinzip, und darum, mit Stereotypen
aufzuräumen. Doches gebe auch positive
Rückmeldungen. Kollegen bedankensich
dafür, dass er sie darin bestärkt habe, im
Beruf weiterzumachen oder ihn über-
haupt zu ergreifen. Denn dafür kämpft
Engel. Aus Sicht des Erziehers würden
die Vorurteile erst aufhören, wenn Män-
ner in Kitas selbstverständlich seien.
Eine berufsbegleitende Teilzeitausbil-
dung zum staatlich anerkannten Erzieher
hat auch Engel gemacht: Zwei Tage in der
Woche ging er zur Berufsschule, drei
Tage arbeitete erin der Kita. Und dasdrei

Jahrelang.WersichfürdieseArtderAus-
bildung bewerben will, braucht Fachabi-
tur oder einen mittleren Schulabschluss
undberufliche Vorbildung.
Bei der dreijährigen Vollzeit-Ausbil-
dung an einer Fachschule für Sozialpäda-
gogik sammeln die Schüler Praxiserfah-
rung im Rahmen mehrmonatiger Prak-
tika. Als dritten Weg gibt es die Umschu-
lung: Wer arbeitslos oder arbeitssuchend
ist,kann diedreijährigeAusbildungabsol-

vieren. Sie wird in den ersten beiden Jah-
ren von der Arbeitsagentur gefördert. Im
dritten Jahr schließen die Umschüler ei-
nen Vollzeit-Arbeitsvertrag mit dem Aus-
bildungsträger ab.
Engel zog nach den Anschuldigungen
übrigens die Reißleine: Er wechselte den
Arbeitgeber. Heute ist er unter anderem
an einer Einrichtung in Bonn tätig. „Ich
fühle mich gut hier“, sagt er. Die Arbeit
mitKindern machtihm vielSpaß.

Ich arbeite seit ein paar Jahren als IT-Ab-
teilungsleiter und bin zufällig in den Fir-
mendaten darauf gestoßen, dass das Unter-
nehmen Sondermüll illegal entsorgt. Es
sieht so aus, als ob die meisten Führungs-
kräfte unseres Unternehmens davon wis-
sen. Ich finde das unmöglich. Was kann ich
tun?


Arbeitnehmer, die in ihrem Unterneh-
menVerstößegegenStrafgesetzefeststel-
len, sollten den Mut aufbringen, nicht zu
schweigen, sondern zunächst intern ak-
tiv zu werden. In Unternehmen, in denen
es bereits eine so genannte Compli-
ance-Organisation gibt, die für das geset-
zestreue Handeln des Unternehmens sor-
gen soll, ist das die richtige und beste An-
laufstelle.
Die meisten Compliance-Organisatio-
nen bieten auch gezielt Systeme an, mit
denen Arbeitnehmer (anonyme) Hin-
weise auf Missstände und Gesetzesver-
stöße unkompliziert melden können.
Gibt es im Unternehmen keinen Compli-
ance-Beauftragten, aber einen Betriebs-
rat, ist dies oft auch ein guter Ansprech-
partner, denn Betriebsräte haben auf-
grund ihrer gesetzlichen Stellung mehr
Schutz und mehr Rechte sowie faktische
Möglichkeiten, Missstände intern anzu-
sprechen. Sie können ihre Quelle auch
anonym halten.
Gibtes auchkeinen Betriebsratoder ist
dieser im Einzelfall nicht der geeignete
Ansprechpartner,sollteKontakt zugeeig-
netenhochrangigenFührungskräften auf-
genommen werden. Erscheint dies im
Einzelfall schwierig, ist es richtig, mit der
Geschäftsführung zu sprechen, die im-
mer letztverantwortlich ist für das geset-
zestreue Handeln im Unternehmen.
Eine letzte Option vor einer externen
Meldung bei den zuständigen Behörden
können im Einzelfall auch die Unterneh-
mensinhaber sein, wenn mit ihnen Kon-
takt aufgenommen werden kann.
Nach aktuellem Recht empfiehlt es
sich für Arbeitnehmer, externe Stellen
erst nach Ausschöpfung der internen Zu-
ständigkeiten oder ausnahmsweise di-
rekt nur bei großer Dringlichkeit wegen
großer Gefahr für Leib und Leben einzu-
schalten. Denn der Hinweisgeber ist ar-
beitsrechtlich gehalten, nicht unnötig
Schaden auf das Unternehmen zu ziehen,
der sich durch behördliches Einschreiten
oder gar Öffentlichkeit ergeben kann.
Andererseits verdienen Geschäftslei-
tungen und Unternehmensinhaber keine
Rücksichtnahme, wenn sie in Kenntnis
von Strafgesetzverstößen untätig blei-
ben. Foto: promo



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E-Mail:
[email protected]

Erzieher in Berlin verdien-
ten bislang deutlich weni-
ger als ihre Kollegen in an-
deren Bundesländern. Im
kommenden Jahr soll ihr
Gehalt nun angeglichen
werden. Darauf einigten
sich im März die Tarifge-
meinschaft der Länder
(TdL) und die Gewerkschaf-

ten.Berufsanfängererhal-
ten künftig 2860 Euro
brutto im Monat und damit
rund 200 Euro mehr, der
Lohn vonerfahrenen Erzie-
hern(mehr als 16 Jahre
Berufserfahrung) steigt um
bis zu 580 Euro auf 3940
Euro. Ob die Erhöhung bei
allen Erziehern im Land an-

kommt, ist jedoch unklar.
Schätzungsweise 80 Pro-
zent der Beschäftigten ar-
beiten nämlich inprivaten
Kitas. Berlin hat aber ange-
kündigt, die Zuschüsse für
Einrichtungen in privater
Trägerschaft im selben
Maße zu erhöhen wie in öf-
fentlichen Kitas. lme

KARRIERE Frage


Auf der Suche nach neuem Job:
Meistens lockt der Verdienst
Mehr als jeder zweite Arbeitnehmer in-
formiert sich aus seiner Anstellung he-
raus regelmäßig über neue Jobs. Das er-
gab eine repräsentative Umfrage des Bun-
desarbeitgeberverbands der Personal-
dienstleister (BAP). Grund dafür ist bei
denmeistenBefragten,mehrGeldzu ver-
dienen. Bei Männern spielt es außerdem
eine Rolle, Karriere zu machen und sich
persönlich weiterzuentwickeln. Bei
Frauen sind neben dem Verdienst außer-
dem familiäre Gründe, das Arbeitsklima
oder die Befristung des Jobs wesentlich
füreine Neuorientierung. Generellist Ar-
beitnehmernein unbefristeter Arbeitsver-
trag am wichtigsten (92 Prozent). Mit je-
weils knapp unter 90 Prozent stehen
auch eine flexible Arbeitszeitgestaltung
und Weihnachts- und Urlaubsgeld hoch
im Kurs. Kleinere Mitarbeiter-Benefits
werden dagegen als unwichtig eingestuft.
Für den „Job-Navigator“ hat der Bundes-
arbeitgeberverband der Personaldienst-
leister im Zeitraum vom 15. bis 31. Juli
2019 1000 Personen im Alter von 17 bis
65 Jahren zu Themen rund um die Ar-
beitswelt befragt. Voraussetzung für die
Teilnahme war, dass die Person entweder
aktuellberufstätig istoder bereitsberufli-
che Erfahrungen gesammelt hat. Ts p

Mal Pause machen:
Nicht jeder braucht Ruhe
Alle Arbeitnehmer brauchen Pausen – al-
lerdings unterschiedlicher Art. Wichtig
ist dabei, ein Gegengewicht zur jeweili-
gen Tätigkeit zu schaffen, rät Sportwis-
senschaftler Ingo Froböse von der Deut-
schen Sporthochschule in Köln“. Wer
viele soziale Kontakte hat, für den ist Me-
ditation oder ein Spaziergang ein guter
Ausgleich. Wer dagegen viel alleine vor
sich hinarbeitet, sollte sich mit Freunden
treffen oder mit den Kollegen Mittages-
sen gehen. Der Professor rät, Pausen im
Tagesrhythmus fest alle 70 bis 90 Minu-
ten einzuplanen – und auch in Stresspha-
sen nicht darauf zu verzichten: „Hören
Sie auf Ihren inneren Impuls und schaf-
fen Sie sich kleine Inseln.“ Dabei sorgen
schonAuszeiten vondrei MinutenfürRe-
generation. dpa

Männersache


Sie sollen Rollenvorbilder sein und dem Fachkräftemangel entgegenwirken:


Berlin sucht Männer, die Erzieher werden wollen. Auf sie warten Anerkennung – und Vorurteile


Der YouTuber


will mit
den

üblichen
Stereotypen

aufräumen


Das verdienen Erzieher in Berlin


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an Anja Mengel
Fachanwältin für Arbeitsrecht

EF NACHRICHTEN


MEHR GELD AB 2020 D


Australien, Neuseeland und Kanada –
diese drei Länder sind für einen Work-
and-Travel-Aufenthalt besonders beliebt.
Bei einer Umfrage des Projektes Aus-
landsjob.de landete Australien mit 59,4
Prozent auf dem ersten Platz, dicht ge-
folgt von Neuseeland mit 56,5 Prozent.
Kanada landete mit 41,2 Prozent auf
Platz drei. Die USA ziehen weit weniger
junge Jobber an: 17,8 Prozent nannten
die Vereinigten Staaten als Ziel. Ein
Grund:Hierist klassischesWork and Tra-
vel wegender Visaregelungenkaum mög-
lich. 10,8 Prozent der Befragten interes-
sieren sich für einen Aufenthalt in Argen-
tinien, 10,2 Prozent für eine Reise nach
Chile. Die überwiegende Mehrheit der
Befragten (65,4 Prozent) hatten sich zum
Zeitpunkt derUmfragebereits füreinRei-
seziel entschieden, etwa ein Drittel (34,6
Prozent) war noch unentschlossen.
Bei der Online-Umfrage antworteten
3021 Teilnehmer von August bis Anfang
Oktober 2018 auf 39 Fragen. Auslands-
job.de ist ein Projekt der Initiative Aus-
landszeit, einem Zusammenschluss meh-
rererOnline-Informations-Portale. dpa


Von Laurin Meyer

Arbeiten in


Neuseeland


oder Kanada


Unter Frauen. In Berlin ist jeder neunte Erzieher männlich. Foto: Bernd Thissen/dpa

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