Am 18. April 2019 veröffentlichte der Sonder-

ermittler und ehemalige FBI-Direktor Robert

Mueller einen Bericht, der nach ihm benannt

wurde. Im „Mueller-Report“geht es um die

Frage, ob das Wahlkampfteam des amtieren-

den Präsidenten Donald Trump Absprachen

mit Vertretern Russlands getroffen hatte. Und

darum, ob der Präsident selbst die Ermittlun-

gen der Justiz behinderte. Es geht auch um die

Einmischung der russischen Regierung in den

US-Wahlkampf 2016 und um die Rolle von

zahlreichen Mitarbeitern im engsten Umfeld

des Präsidenten. Es sind Fragen, die das Herz

der amerikanischen Demokratie betreffen.

Fast zwei Jahre wurde ermittelt. Auf 448 Sei-

ten versucht Mueller in seinem Report akri-

bisch zu rekonstruieren, was sich im Jahr 2017

wirklich abspielte. Der Text ist nicht nur um-

fangreich. Er ist stellenweise für Juristen he-

rausfordernd und Laien kaum verständlich.

Das ist ein Problem, denn der Mueller-Report

ist eines der wichtigsten politischen Dokumen-

te des noch jungen Jahrhunderts. Hinter den

juristischen Formulierung versteckt sich ein

politischer Thriller, der manchmal auch eine

Komödie, eine Tragödie und eine Anklage ist.

Der amerikanische Starjournalist Mark

Bowden (“Black Hawk Down – kein Mann

bleibt zurück“) nahm sich das Dokument vor,

um eine für Leser zugänglichere, weil gestraff-

te und besser verständliche Version zu erarbei-

ten. Er verwandelte den Mueller-Report in ei-

nen journalistischen Text. Dieser Text beruht

ausschließlich auf Fakten – denen des Reports

und denen aus weiteren, sorgfältig recher-

chierten, überprüften Quellen, wie zum Bei-

spiel aus Berichten aus erster Hand. Die Illus-

trationen dazu zeichnete der Illustrator Chad

Hurd, der für die bekannte amerikanische Zei-

chentrickserie „Archer“ arbeitet.

Der folgende Text ist eine gekürzte Version

des Originaltexts von Mark Bowden. Der voll-

ständige Text erschien zuerst auf der amerika-

nischen Website insider.com.

Doch bei dem Treffen kam nichts

Brauchbares für die Wahlkampagne herum.

Es endete frühzeitig, nachdem ein russi-

scher Agent in Theorien über mutmaßlich

illegale Aktivitäten eines Clinton-Wahl-

kampfspenders in Russland, Sanktionen

und die Adoption russischer Kinder durch

amerikanische Familien abgeschweift war.

Als jedoch ein Jahr später Berichte über

das Treffen bekannt wurden, bemühte sich

die Trump-Regierung, den wahren Grund

des Meetings zu verschleiern.

Der Präsident war gerade beim G-20-

Treffen in Hamburg, als sein Stab erfuhr,

dass die „New York Times“ einen Artikel

dazu plante. Auf dem Weg zurück nach Wa-

shington, an Bord der Air Force One,

machte sich das Experten-Team an die Ar-

beit. Kushner versicherte dem Präsiden-

ten, dass es bei dem Treffen ausschließlich

um russische Adoptionen gegangen sei.

Doch Hope Hicks, Trumps Kommunikati-

ons-Chefin, kannte Auszüge des Mail-Ver-

kehrs zwischen Trumps Sohn und den rus-

sischen Kontakten, die das Treffen anbe-

raumt hatten. Diese Mails belegten, dass

der Anlass für das Treffen war, russischen

„Schmutz“ über Clinton zu erhalten.

Also entwarf Hicks ein Statement für

Donald Trump Jr., das er der „New York Ti-

mes“ vorlegen sollte. Es lautete: „Ich wur-

de von einem Bekannten, den ich vom

Miss-Universe-Wettbewerb 2013 her kann-

te, um ein Treffen mit einer Person gebe-

ten, von der es hieß, sie könnte wichtige In-

formationen für die Kampagne haben.“

Das Statement gefiel dem Präsidenten

nicht. Er diktierte eine neue Version – ohne

Erwähnung der Informationen für den

Wahlkampf. Hicks schrieb eine neue Vari-

ante an Trumps Sohn: „Es war ein kurzes

Treffen. Ich habe Jared und Paul gebeten,

dazuzukommen. Wir sprachen über ein

Programm zur Adoption russischer Kinder,

das vor Jahren bei amerikanischen Famili-

en beliebt war und von der russischen Re-

gierung eingestellt wurde, aber es ging zu

keinem Zeitpunkt um die Kampagne, und

es gab auch kein weiteres Treffen danach.“

„Ist das okay so?“, fragte Hicks. „Ihnen

zugeschrieben.“

Donald Trump Jr. wollte sich absichern

und bat darum, das Wort „hauptsächlich“

nach „wir sprachen“ einzufügen.

„Ich halte das auch für richtig, aber der

Chef befürchtet, dass das viele Fragen auf-

werfen könnte“, schrieb Hicks zurück.

Letztendlich wurde das Wort „haupt-

sächlich“ ergänzt. Dieses Statement ent-

sprach damit zwar eher der Wahrheit als

die Version des Präsidenten, aber das Ziel

war nach wie vor, den Grund für das Mee-

ting am 9. Juni zu verschleiern.

Doch genauso, wie die Bereitschaft zur

Zusammenarbeit mit den Russen, um ge-

gen Clinton zu gewinnen, an sich kein Ver-

brechen war, war auch die Lüge an Bord

der Air Force One kein Verbrechen. Ihr Ziel

war lediglich, die Öffentlichkeit zu täu-

schen. Um einen Präsidenten wegen Be-

hinderung der Justiz rechtlich zu belangen,

müssen andere Maßstäbe angesetzt wer-

den. Der Straftatbestand der Justizbehin-

derung betrifft jede vorsätzliche Handlung

mit dem Ziel, offizielle rechtliche Verfah-

ren zu verhindern oder zu erschweren. Da-

runter fällt jede Bemühung, diese Verfah-

ren zu beeinflussen – selbst wenn sie „sub-

til oder indirekt“ ist und unabhängig da-

von, „wie clever oder mit welchem ver-

deckten Zweck“ sie ausgeführt wird.

Das Gesetz definiert „verhindern“ und

„erschweren“ großzügig; es kann sich auf

alles beziehen, das „blockiert, erschwert

oder behindert“. Das schließt auch die

„Einschüchterung“ im Rahmen einer Un-

tersuchung ein, bei der den Durchführen-

den mit dem Ende ihrer Karriere gedroht

wird. Die Handlung gilt dann als „vorsätz-

lich“, wenn sie wissentlich und mit einem

unzulässigen Motiv vorgenommen wird.

Dabei muss das Motiv nicht das Vermeiden

einer Gefängnisstrafe sein. Es reicht, Pein-

lichkeit oder eine politische Niederlage

verhindern zu wollen.

SMS FÜR DEN

SICHERHEITSBERATER

Die Textnachricht auf Mike Flynns Handy

sah nach einer Gelegenheit aus. Absender

war der russische Botschafter, die Nach-

richt war knapp: „Könnten Sie mich

freundlicherweise zurückrufen, wann im-

mer es Ihnen passt?“

Es war der 28. Dezember 2016, ungefähr

drei Wochen vor Trumps Vereidigung als

45. Präsident der Vereinigten Staaten.
    Flynn sollte Nationaler Sicherheitsberater
    werden; er würde seinen Posten nach der
    Amtseinführung von Trump am 20. Januar
    antreten.
    Flynn war schon früh bei Trump an Bord
    gewesen. Er hatte sich als wichtiger Ver-
    bündeter des Kandidaten erwiesen, der
    sich damit brüstete, seinen Militärdienst
    während des Vietnamkriegs erfolgreich
    umgangen zu haben, und der während sei-
    nes Wahlkampfs beim Thema Veteranen in
    etliche Fettnäpfchen getreten war. Gegen
    Ende des Wahlkampfs war Flynn in den in-
    neren Kreis aufgerückt, hatte eine mitrei-
    ßende Rede auf dem Republikanischen Na-

Der

MUELLER-

Report

Hat der amtierende US-Präsident Straftaten

begangen? Der Bericht des FBI-Sonderermittlers

über Donald Trump ist ein Aktenberg von 448

Seiten. Aber auch eine Mischung aus Thriller,

Komödie, Tragödie – und Anklage. Der Autor

Mark Bowdenhat ihn verdichtet

ILLUSTRATIONEN: CHAD HURD FÜR BUSINESS INSIDER

D

Die russische Regierung hat sich umfassend

und systematisch in die US-Präsident-

schaftswahlen 2016 eingemischt, um Donald

Trump zu unterstützen und die Kampagne

von Hillary Clinton zu untergraben.

Der Sonderbeauftragte Robert Mueller

kam zu dem Schluss, dass es keine ausrei-

chenden Beweise gebe, um eindeutig fest-

stellen zu können, ob das Trump-Team in

Sachen Wahlbeeinflussung mit der russi-

schen Regierung zusammengearbeitet hat.

Allerdings haben Russlands Regierung

und Trumps Wahlkampfteam mehrfach

und auf verschiedene Weise versucht, Be-

ziehungen in gegenseitigem Interesse zu

fördern. Dass sie dabei größtenteils ge-

scheitert sind, liegt nicht an der mangeln-

den Bereitschaft Trumps.

„SCHMUTZ“ ÜBER HILLARY

CLINTON

Tatsächlich haben sich mehrere hochrangi-

ge Mitglieder seines Wahlkampfteams –

darunter Donald Trump Jr., Wahlkampflei-

ter Paul Manafort und Trumps Schwieger-

sohn Jared Kushner – am 9. Juni 2016 mit

russischen Agenten im Trump Tower ge-

troffen, in der Hoffnung, „Schmutz“ über

Clinton von Russlands Regierung zuge-

spielt zu bekommen.

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Artdirector

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Textchef

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Chefredaktion

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WELT AM SONNTAG NR.29 21.JULI2019 SEITE11*

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