wenn mit einem Liter Softdrink ein
regelrechter Fructose-Tsunami über den
Darm hereinbricht, kann er nur einen ge
ringen Teil davon resorbieren, und der
Rest wird von den Darmbakterien zu Koh
lenstoffdioXid, Wasserstoff und kurzketti
gen Fettsäuren abgebaut. Das wiederum
fÜhrt zu ReizdarmSymptomen wie Blähun
gen, Bauchschmerzen und Durchfall.
Eine höchst unangenehme Folge, aber
noch nicht einmal die schlimmste, die das
Übermaß an Fructose in unserem Inneren
anrichtet. Neuere Forschungen zeigten,
dass ein überhöhter Fructosekonsum Fett
leibigkeit und Insulinresistenz fördert und
damit Diabetes Typ 2 Vorschub leistet.
Fructose wird sehr viel schneller in Kör
perfett umgewandelt, als Glukose. Bei
ihrer verarbeitung in der Leber steigt
die Harnsäurekonzentration stark an,
und bereits ein fructosehaltiges süBge
tränk pro Tag erhöht das Cichtrisiko um
4S Prozent_ So zu lesen in der Deutschen
Apothekerzeitung. Auch SChädigungen
der Leber bis hin zur Fettleber wurden
beobachtet, ähnlich wie bei übermäßigem
Alkoholkonsum.
Bei männlichen probanden, die fünf
wochen lang große Mengen Fruchtzuk
ker konsumierten, zeigte sich ein starker
Anstieg von Triglyceriden und Cholesterin
im Blut, was das Risiko für Herz-Kreislauf
krankheiten steigert. Auch die American
Heart Association (AHA) warnte vor den
Folgen der zuckerreichen ErnährungS
weise. Einige Politiker reagierten gleich
darauf. Michael Bloomberg, Bürgermei
ster von New York, wollte beispielsweise
durchsetzen, dass in Kinos, Restaurants,
Fast-Food-Ketten und Stadien nur noch
Softdrinks mit weniger als 0,5 Litern Inhalt
Im Gegensatz zu
Obstsäften ist der
Fruchtzucker in
natürlicher Form kein
Problem für unsere
Gesundheit
lifornien in Los Angeles fanden indessen
das Gegenteil heraus. In einem Laborex
periment fütterten sie Tumorzellen der
Bauchspeicheldrüse sowohl mit Glukose
als auch mit Fructose. Die Zellen in der
Fructose vermehrten sich um ein vielfa
ches schneller. "Der Fructose-Stoffwechsel
und der Glukose-Stoffwechsel in der Krebs
zelle laufen ziemlich unterschiedlich ab",
fassten die Wissenschaftler das Ergebnis
ihrer Studie zusammen.
Fructose ist nun also der neue Schurke
in der Zuckerwelt. Aber wohlgemerkt: Es
ist nur die im Übermaß verbreitete indu
strielle Variante gemeint, natürlich nicht
verkauft werden dürfen. Ein Gericht, von der im Obst enthaltene "echte" Fruchtzuk-
der Getränkeindustrie angerufen, stoppte
das Verbot. Aber Städte in Kalifornien,
wie Los Angeles und andere, haben ver
fügt, dass Cetränkeautomaten in öf·
fentlichen Cebäuden nur noch Wasser
anbieten dürfen. Und es wird eine Steuer
auf fructosereiche Softdrinks diskutiert.
Die amerikanische Vereinigung der Geträn
kehersteller widersetzt sich diesen Ideen
mit dem Argument: Zucker ist Zucker.
Wissenschaftler der Un iversität von Ka-
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ker. "Wenn Sie Obst essen, dann nehmen
Sie den Fruchtzucker immer mit pflanzli
chen Fasern auf", erklärt der Experte Prof.
Robert Lustig. "Diese Ballaststoffe sorgen
dafür, dass nicht so viel Zucker verstoff
wechselt wird und ins Blut übergeht. Die
Fasern sind wie ein Gegengift. Sie verhin
dern eine überdosierung von Fructose im
Körper." Wenn wir also Zucker in der
Form aufnehmen, wie ihn die Natur uns
bietet, haben wir nichts zu befürchten.
Die Menge
macht das Gift
"DOSis facit venenum", meinte der Schwei
zer Arzt Theophrastus Bombastus von Ho
henheim, genannt Paracelsus, schon im 16.
Jahrhundert. Und das trifft auch für den
Zucker zu. Nicht das gelegentliche Stück
Schokolade oder Sonntagstorte bringt uns
in Gefahr, sondern die ständige massive
Überflutung mit Lebensmitteln und Ge
tränken mit all den industriell verarbeite
ten Kohlenhydratvarianten. Wie können
wir uns vor ihnen sChützen?
Unsere Instinkte können uns da nicht viel
helfen, denn sie sind durch unsere Ent
wiCklungSgeSchichte auf Süßgeschmack
programmiert. Er signalisierte uns einst,
dass wir eine nahrhafte und bekömmliche
Pflanze verspeisten. Und er gebot uns, zu
zulangen, wenn reichlich vorhanden war,
was süß schmeckte. Denn ob es morgen
noch vorhanden wäre, war ungewiss. Die
Süße stimulierte im Gehirn außerdem eine
Region, die als "Belohnungszentrum" be
zeichnet wird und uns wohlgefühl vermit
telte. Wir waren wohl genährt, und unser
Überleben fürs erste gesichert.
Dieser Mechanismus läuft immer noch
in uns ab, aber er trifft auf eine vÖllig ver
änderte Umwelt. Der englische zoologe
und Verhaltensforscher Sir John Richard
Krebs meinte: "Mit unseren evolutionär
vererbten Speisevorlieben und Essge
wohnheiten passen wir einfach nicht
in jene Nahrungswelt hinein, die wir
selbst geschaffen haben."
Was also
können wir tun?
Es bleibt uns nur, jenes organ zu benutzen,
das wir in unserer Entwicklung als letztes
erworben haben: unsere Großhirnrinde,
den Sitz unserer vernunft. Und die gebie
tet uns, den Zuckerkonsum zu reduzieren
und zu regulieren, mit Disziplin und Geduld
und mit ein paar hilfr eichen Verhaltens
weisen.
Zucker durch synthetische SüßstOffe zu
ersetzen, ist wenig sinnvoll. zum einen ist
ihre wirkung auf die Gesundheit umstrit-