heumaps0517

(Ben Green) #1

Letztlich sei eine „Imperfektionstoleranz“
nötig, also nachsichtig zu sein mit den ei-
genen Fehlern, Niederlagen und verfehlten
Zielen.
Nils Spitzer findet zudem das Einlassen
auf oft unverfügbare Umstände sowie ei-
ne Akzeptanz des Machbaren zentral und
meint damit den Realismus, dass die Um-
s t ä nde m a nc h m a l d ie Ve r w i rk l ic hu ng e i-
gener Ziele eben nicht zulassen. „Oder
man stellt im Extremfall sogar infrage, ob
ein gelingendes Leben überhaupt mit ehr-
geizigen Zielen zu tun haben muss, und
fragt sich, ob man nicht auch ohne die
ganz großen Lebensprojekte glücklich le-
ben kann.“ Kleinere, erreichbarere Ziele
ernst nehmen, das downshifting, sei eine
Lösung. Denn das Leben könne auch oh-
ne dramatisches Ringen um große Ziele
gelingen.


Man sollte einen Plan B haben


Wie bei einer zeichnerischen Skizze
kommt es mehr auf die Grundidee, die
Hauptaussage, das Wesentliche an, über
das man sich im Klaren sein muss. Nur
die Frage „Was ist mir wirklich wichtig? “
muss beantwortet werden, die Details
können später flexibel je nach Situation
ergänzt werden. Es reicht beispielsweise
zu wissen, dass man Kinder haben möch-
te; ob eines oder fünf muss man nicht mit
30 schon entscheiden. Es reicht, nach dem
Abitur zu wissen, dass man am Theater
arbeiten möchte, man muss nicht bereits
zielstrebig die Intendantenkarriere pla-
nen. Diese Flexibilität bei der Lebenspla-
nung entlastet nicht nur von zu viel Per-
fektionismus, sie hilft auch, wenn Unvor-
hergesehenes dazwischenkommt. Das
Leben nämlich hält nun mal viele Über-
raschungen bereit. Hat man die Dinge
dann zu engmaschig geplant, wird das
Reagieren schwierig. Ein Unfall kann die
Karriere als Profisportler jäh beenden;
eine ungeplante Zwillingsschwanger-
schaft den Wunsch nach einem raschen
Wiedereinstieg in den Beruf verhindern.
Gleichzeitig bieten gerade solche Zwi-
s c hen f ä l le d ie Mög l ic h keit , neue We ge z u
finden. Der verhinderte Profisportler
kann Sportreporter werden, die Zwillings-


mutter in die Selbständigkeit ausweichen.
Wer hier die nötige Flexibilität hat, ent-
deckt bisweilen sogar bessere Lösungen
als die ursprünglich geplanten.
Christina Hölzle, Professorin für Psy-
chologie an der Hochschule Münster mit
den Schwerpunkten „personenzentrierte
und ressourcenorienierte Beratung und
Biografiearbeit“ interessiert sich für die
Frage, wie Menschen als biografische Ak-
teure ihre Lebensplanung gestalten und
individuelle Lebensentwürfe umsetzen
können. Sie betont, dass es einerseits wich-
tig sei, konkrete Ziele zu haben, „anderer-
seits ist es genauso wichtig, für alles auch
einen Plan B zu haben, da wir in vielen
Fällen nicht wissen, ob unsere Anstren-
gungen zum gewünschten Erfolg führen,
denn vieles liegt nicht in unserer Hand.“
Hölzle findet gerade für junge Men-
schen eine selbstbewusste, aber auch ent-
spannte Zukunftsplanung wichtig. „Wir
beobachten, dass möglichst hohe Bil-
dungsabschlüsse gesellschaftlich als sehr
erstrebenswert betrachtet werden. Ju-
gendliche und Eltern stehen deshalb viel-
fach unter Druck. Unsere Projekte zur
Biografiearbeit zeigen, dass sich sozial be-
nachteiligte Jugendliche dann oft gar kei-
ne gelingenden Zukunftsperspektiven
mehr vorstellen können. Sie gehen davon
aus, dass sie ohnehin nichts erreichen kön-
nen und sich Anstrengung nicht lohnt.“
Verzichteten jedoch gerade sie darauf, Zu-
kunftspläne zu entwickeln, gebe es keine
Motivation mehr, sich für die Zukunft zu
engagieren. Wichtig sei, dass die Vision
der Zukunft und der Weg dorthin sichtbar
und realisierbar erscheinen.
Es erfordert also durchaus Selbstver-
trauen und Zuversicht, manchmal auch
Hilfe von außen, um Dinge einfach auf
sich zukommen zu lassen. Das innere Bild
der Skizze kann dabei helfen. PH

LITERATUR
Nils Spitzer: Perfektionismus und seine vielfältigen
psychischen Folgen: Ein Leitfaden für Psychothe-
rapie und Beratung. Springer, Heidelberg 2016
Raphael Bonelli: Perfektionismus. Wenn das Soll
zum Muss wird. Pattloch, München 2014
Christina Hölzle, Irma Jansen (Hg.): Ressourcen-
orientierte Biografiearbeit. Grundlagen – Zielgrup-
pen – Kreative Methoden. VS, Wiesbaden 2011

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