„Sonntags hohe Standards bei Tierwohl und
Nachhaltigkeit predigen, Montag bis
Samstag aber möglichst billig einkaufen,
das geht nicht zusammen.“
Julia Klöckner, Bundesagrarministerin, hebt angesichts der
Bauernproteste auch Einflussmöglichkeiten der Verbraucher beim
Einkauf hervor.
Worte des Tages
US-Präsidentschaft
Bloomberg
ohne Chance
W
ie berichten über mei-
nen Chef? Das ist die
Frage, die sich all jene
Bloomberg-Journalisten stellen
müssen, die über den wohl span-
nendsten Präsidentschaftswahl-
kampf seit Jahrzehnten berichten.
Und dieser grundlegende Interes-
senkonflikt, der sich durch keine
noch so strikte Selbstbeschränkung
beseitigen lässt, ist noch das ge-
ringste Problem der Last-Minute-
Bewerbung Michael Bloombergs
um das Präsidentenamt.
Dem ehemaligen Republikaner
fehlt schlichtweg der Rückhalt bei
der demokratischen Basis. Den Ton
für die anstehende Debatte setzte
bereits Bloombergs Rivale Bernie
Sanders. „Wir glauben nicht, dass
Milliardäre das Recht haben, sich
Wahlen zu kaufen“, schimpfte er
unter Applaus seiner Parteikollegen.
Die Tragik aus Sicht der Demo-
kraten: Wahrscheinlich ist Bloom-
berg der Kandidat, der noch die
besten Chancen gegen Donald
Trump hätte. Die Finanzierung des
Wahlkampfs ist für Bloomberg (ge-
schätztes Vermögen 53 Milliarden
Dollar) ein Klacks, und er ist im Ge-
gensatz zum Präsidenten wirklich
ein Selfmade-Milliardär, so wie die
Amerikaner es lieben. Bloomberg
ist weltgewandt, und dass er Politik
kann, hat er in seiner Zeit als New
Yorker Bürgermeister bewiesen.
Sein größter Vorteil aber: Er ist ein
Mann der Mitte. Es ist kaum vor-
stellbar, dass Sozialrevoluzzer wie
Sanders, Elizabeth Warren oder gar
Alexandria Ocasio-Cortez die ent-
scheidenden, eher konservativen
„Swingstates“ für sich entscheiden
könnten. Und Joe Biden, der zwar
wie Bloomberg ebenfalls moderate
Positionen vertritt, wirkte zuletzt
blass, ja fahrig. „Sleepy Joe“ nennt
Trump diesen Mann, und es steht
zu befürchten, dass dieser Spott sei-
ne Wirkung nicht verfehlt.
Aber es hilft nichts: Am Ende
schwächt Bloomberg, der hoff-
nungsvollste Trump-Herausforde-
rer, die Demokraten, weil er in sei-
ner Partei nahezu chancenlos ist.
Das ist das Grundsatzproblem der
Demokraten: Ihre Parteianhänger
stehen deutlich weiter links als die
Gesamtheit der Amerikaner.
Die Interessenkonflikte der
hauseigenen Journalisten sind das
geringste Problem der Bewerbung,
meint Jens Münchrath.
Der Autor leitet das
Auslandsressort.
Sie erreichen ihn unter:
E
ine Riester-Rente ist ohne Zweifel für
viele Altersvorsorgesparer ein gutes Ge-
schäft. Mütter mit zwei kleinen Kindern
und ohne eigenes Einkommen erhalten
bei einem Eigenbeitrag von lediglich 60
Euro im Jahr eine jährliche Zulage von satten 775
Euro vom Staat. Im Durchschnitt aller Riester-Sparer
spendiert der Staat über Zulagen und Steuervorteile
immerhin rund ein Drittel des Gesamtbeitrags. Trotz
hoher Kosten und niedriger Verzinsung wirft das
Riester-Vorsorgesparen also nicht selten eine gute
Rendite ab.
Dennoch haben weniger als die Hälfte der Berech-
tigten einen Riester-Vertrag, jeder fünfte Vertrag
ruht. Jüngste Zahlen für 2018 gehen von 10,78 Millio-
nen geförderten Personen aus, gut 100 000 weniger
als im Vorjahr. Einen Großteil derer, die es nötig hät-
ten, erreicht das Riester-Sparen daher nicht.
Nun ist eine Reform der privaten Altersvorsorge
plötzlich wieder auf die Tagesordnung gerückt.
Denn die Union hat als Preis für ihre Zustimmung
zur Grundrente durchgesetzt, dass sich die SPD ei-
nem Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge
nicht mehr in den Weg stellt. Diese Konstellation er-
laubt es, nun die Geburtsfehler der Riester-Reform
von 2002 zu beseitigen – endlich.
Vergangenes Wochenende beschloss der CDU-Par-
teitag, die Riester-Rente solle billiger und transpa-
renter werden. Dazu soll ein Standardvorsorgepro-
dukt geschaffen werden, das vorrangig in Aktien in-
vestiert. Falls binnen drei (!) Jahren nach dem Start
der Reform die Anzahl der Verträge nicht um min-
destens 30 Prozent steigt, soll nach dem Willen der
CDU dieses Standardprodukt staatlich organisiert
und das Vorsorgesparen gegebenenfalls obligato-
risch werden.
Nun ist unter Ökonomen unstrittig, dass aus Grün-
den der Risikodiversifizierung solchen Alterssiche-
rungssystemen der Vorzug zu geben ist, die sowohl
auf die Umlagefinanzierung als auch auf Kapitalde-
ckung setzen. Ein zeitunabhängiges optimales Mi-
schungsverhältnis zu benennen ist allerdings nicht
möglich. Dieses hängt von zahlreichen, sich im Zeit-
ablauf ändernden Variablen ab wie Bevölkerungsauf-
bau, Strukturwandel oder der Intensität der welt-
wirtschaftlichen Verflechtung.
Die Einführung einer möglichst umfassenden
staatlich geförderten kapitalgedeckten Altersvorsor-
ge war 2002 überfällig. Allerdings hatte diese Ries-
ter-Reform einen gravierenden Fehler: Anders als ur-
sprünglich von Walter Riester geplant, wurde unter
dem von der Boulevardpresse unterstützten Druck
der Versicherungswirtschaft der Abschluss von kapi-
talgedeckten Rentenverträgen, die ausdrücklich die
Leistungsrücknahmen der gesetzlichen Rente erset-
zen sollten, nicht verpflichtend gemacht. Diese Frei-
willigkeit brachte eine Entmischung der Risiken mit
sich, was die Riester-Versicherung verteuerte. So
wurde eine kostengünstige wie flächendeckende
Verbreitung unmöglich. Auf Freiwilligkeit fußende
Systeme können nie eine Identität der Versicherten-
kollektive sicherstellen. Leistungsrücknahmen im
obligatorischen System können nun einmal nicht
durch freiwillige Zusatzsysteme ersetzt werden.
Nun ist richtig, dass die Deutschen zwar viel, aber
wegen ihrer Aktienphobie oft falsch sparen. Deshalb
sollte die kapitalgedeckte Altersvorsorge erstens ob-
ligatorisch sein und zweitens stärker auf Aktien set-
zen, sofern das Renteneintrittsalter noch ein Stück
weit entfernt ist.
Beides könnte am ehesten und kostengünstig mit
obligatorischen Altersvorsorgekonten erreicht wer-
den, die bei einer staatsfernen Non-Profit-Organisati-
on geführt werden. Träger könnte eine Stiftung des
öffentlichen Rechts sein, um sicherzustellen, dass
Kapitalstock und Anlagepolitik dem Zugriff der Poli-
tik entzogen sind. Die obligatorischen Beiträge zu
diesen Altersvorsorgekonten würden direkt vom Ar-
beitgeber abgeführt. Daneben sollte diese Sparform
allen offenstehen, die nicht über die Rentenversiche-
rung obligatorisch abgesichert sind.
Gefördert werden könnte diese neue Sparform so
wie Betriebsrenten. Damit könnten bis zu acht Pro-
zent der Beitragsbemessungsgrenze West der Ren-
tenversicherung steuerfrei angespart werden, also
im kommenden Jahr beachtliche 6624 Euro. Besteu-
ert würde im Alter der Ertragsanteil dieser Renten.
Unser Rentensystem ist nicht darauf ausgelegt,
den Rentnern den Lebensstandard zu sichern, den
sie in den letzten Jahren ihrer Erwerbstätigkeit ge-
wohnt waren. Dies war in der Vergangenheit nicht
so und wird in Zukunft angesichts des bald einset-
zenden Alterungsschubs erst recht nicht möglich
sein. Deshalb ist es unerlässlich, dass jeder Einzelne
zusätzlich für sein Alter vorsorgt. Die CDU hat nun
die Tür für eine Reform geöffnet. Damit stehen die
Chancen für eine echte Reform der fast zwei Jahr-
zehnte alten Riester-Rente gut. Falls dies der Regie-
rung in dieser Legislatur noch gelingt, könnte sie
trotz aller Querelen doch noch als eine der besseren
in die Geschichte eingehen.
Leitartikel
Ein Update für
Riester
Nach zwei
Dekaden staatlich
geförderter
privater
Altersvorsorge ist
es an der Zeit,
diese
verpflichtend zu
machen, meint
Bert Rürup.
Die kapital-
gedeckte
Altersvorsorge
sollte erstens
obligatorisch
sein
und zweitens
stärker auf
Aktien setzen.
Der Autor ist Chefökonom des Handelsblatts und
Präsident des Handelsblatt Research Institute.
Sie erreichen ihn unter:
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Meinung
& Analyse
MITTWOCH, 27. NOVEMBER 2019, NR. 229
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