kanischen Investmentbank Lehman
Brothers im Jahr 2008 ausgelöst hatte.
Plötzlich brachen die Aufträge weg,
Rechnungen wurden nicht bezahlt,
der drohende Ruin der Firma kam im-
mer näher. „Wir hatten damals nur
noch das Geld für ein Monatsgehalt
unserer Mitarbeiter auf der Bank“, re-
kapituliert der Firmenchef. Beinahe
hätte man ein Darlehen aufnehmen
müssen.
„Diese Krise hat mich geprägt. Wir
hatten neun Monate ohne neue Auf-
träge“, erinnert er sich. So eine Situa-
tion wollen die Kohlbecker-Brüder
nicht noch einmal erleben. Angesichts
einer drohenden Rezession in
Deutschland und der sich verschlech-
ternden Autokonjunktur treffen sie
daher bereits Vorsichtsmaßnahmen.
„Wir wollen uns strategisch breiter
aufstellen und verstärkt für Branchen
wie Pharma, Medizintechnik und
Konsumgüterhersteller planen.“
Kohlbecker hat bereits für Haribo in
Grafschaft im Ahrtal eine neue Fabrik
gebaut oder für den Mountainbike-
Hersteller Canyon in Koblenz. Zu den
neuen Projekten gehört der Campus
von Pro Sieben Sat 1 im Münchener
Medienvorort Unterföhring.
Weltoffenheit und Spaß
Die Krise der Autokonzerne schlägt
bei Kohlbecker bereits durch. „Wir
spüren eine geringere Nachfrage der
Autobranche“, sagt der Firmenchef.
„Eine Krise kann kommen wie ein
Fallbeil.“ Er setzt dabei auf eine „kal-
kulierte Risikobereitschaft“. In der
Vergangenheit hat nicht alles ge-
klappt. Eine Firma für Gebäudetech-
nikplanung musste mit Verlust ver-
kauft und ein Unternehmen für Ar-
beitssicherheit sogar geschlossen
werden. Zur „kalkulierten Risikobe-
reitschaft“ gehört auch, Projekte au-
ßerhalb von Europa zu suchen. Der-
zeit plant er ein Hotel im russischen
Ferienort Sotschi, beteiligt sich an ei-
nem Architektenwettbewerb um eine
Retortenstadt in der Mongolei. „Man
muss weltoffen sein und Spaß haben,
in fremde Länder und Kulturen zu ge-
hen“, und das hat Matthias Kohl -
becker. „Lieber mache ich einen Feh-
ler, als tagelang nichts zu machen.“
Auch privat geht der Firmenchef Ri-
siken ein. In der Nähe des toskani-
schen Sehnsuchtsorts Grosseto hat
ein 110 Hektar großes Landgut erwor-
ben und lässt es von einem Team be-
wirtschaften. Demnächst soll auch ei-
gener Wein hergestellt werden. Viele
seiner Mitarbeiter kennen das mittel-
italienische Anwesen. Denn auf dem
Agrotourismo finden häufig Firmense-
minare statt. Sein Bruder Florian, ein
leidenschaftlicher Skifahrer, gönnt
sich unterdessen die Holzskimarke
Black Forest Ski. Ein paar professio-
nelle Hobbys dürfen es im Familien-
unternehmen schon sein.
In der Wiener Firma Wideshot
herrscht am Freitagnachmittag bereits
Totenstille. Die Mitarbeiter sind zum
Bogenschießen ausgeflogen. Konzen-
trierte Entspannung unter freiem
Himmel für die Belegschaft ist wich-
tig. Auch Matthias Kohlbecker schätzt
so etwas. In der Natur sein ist Matthi-
as Kohlbecker und seiner Familie
wichtig. Die ganze Familie jagt gern.
Sohn Finn hat bereits mit 15 Jahren
seinen Jagdschein gemacht. „Das ist
mein Ausgleich von der Arbeit“, sagt
der Firmenchef. „Ich habe bereits seit
meiner Jugend gejagt.“ Privat nach
großen Tieren, beruflich nach großen
Projekten.
Susanne und Felix Puello
Spielraum für die Radprofis
M
it Mitte 50 hatte Susanne
Puello einen kompletten
Neustart als Unternehme-
rin gewagt. Die Urenkelin von Engel-
bert Wiener, Gründer des Schwein-
furter Radbauers Winora, hatte nach
mehrfachen Übernahmen ihren
Chefposten im einstigen Familienbe-
trieb Winora frustriert an den Nagel
gehängt. Im Sommer vor zwei Jahren
gründete sie mit ihrem Mann Felix,
54, den Radbauer Pexco.
Bei Pexco stampften beide in nur
sechs Monaten zwei komplette Rad-
kollektionen samt E-Bikes der Mar-
ken Husqvarna und R Raymon aus
dem Boden. „Das war ein steiniger
Weg“, so Susanne Puello, 58. „Und
nur machbar, weil wir seit 30 Jahren
enge Bande zu Zulieferern aus Asien
und dem Fachhandel haben.“ Das
Vertrauen brachte schnellen Erfolg
für das Start-up Pexco. In nur zwei
Jahren knackte es mit rund 70 Mitar-
beitern die Umsatzmarke von 80 Mil-
lionen Euro. „Der Name Puello hat
einen exzellenten Ruf in der Bran-
che“, konstatiert Bernhard Lange
vom Präsidium des Zweirad-Indus-
trieverbands (ZIV).
Familie Puello hatte von Anfang
an ehrgeizige Pläne: Bis 2022 wollte
Pexco 100 000 Räder im Jahr bauen.
Doch schnell merkten die Radexper-
ten: Um sich in einem hart um-
kämpften Markt als relevanter Spie-
ler zu etablieren, fehlte es an finan-
ziellen Mitteln.
Nun schlüpft Pexco-Chefin Puello
mit ihrem Mann unter das Dach des
österreichischen Familienunterneh-
mens Pierer Industrie AG. Dessen In-
haber Stefan Pierer, der über seine
Firmen anfangs 49,9 Prozent an Pex-
co hielt, kauft Familie Puello zum
Jahresanfang sämtliche Anteile ab.
Dafür erhält die Familie ein Aktienpa-
ket an der börsennotierten Pierer
Mobility AG. Diese baut Motorräder
der bekannten Marken KTM und
Husqvarna. Die Kartellbehörden
müssen noch zustimmen. Susanne
und Felix Puello bleiben weiterhin
Geschäftsführer in Schweinfurt.
„In den letzten zwei Jahren ist un-
ser Unternehmen deutlich schneller
gewachsen als geplant, doch dieses
Wachstum ist nur mit einem entspre-
chenden finanziellen Spielraum mög-
lich“, begründet Susanne Puello den
Verkauf des Fahrradbauers. Die
Übernahme der Pexco durch die
Pierer-Gruppe beschleunige die posi-
tive Unternehmensentwicklung ganz
wesentlich.
Nur so könne eine starke interna-
tionale Expansion weiter vorangetrie-
ben werden. Gerade bei Qualitätsma-
nagement und Service sei Pexco in
diesem Jahr an Grenzen gestoßen.
„Wir müssen zusätzliches Momen-
tum aufnehmen, damit wir uns in ei-
nem hart umkämpften Markt be-
haupten können.“
Stefan Pierer hofft auf Synergien in-
nerhalb seiner Unternehmensgruppe.
Die macht mit fast 8 000 Mitarbeitern
mehr als zwei Milliarden Euro Um-
satz. Der Pexco-Standort Schweinfurt
soll ausgebaut werden. „Der Markt
für Elektromobilität fängt gerade an,
sich in verschiedene Facetten aufzu-
teilen, die für Hersteller und Fach-
handel große Chancen bergen“, sagt
Pierer. Der Unternehmer vertraut da-
bei auf die Expertise der Puellos. Fe-
lix Puello sei ein exzellenter Produkt-
entwickler und Lieferkettenexperte.
Susanne Puello sei eine „handschlag-
fähige Powerfrau“, so Pierer. „Bei Ver-
trieb und Produkt kann man ihr
nichts vormachen.“ Katrin Terpitz
Tim Berger
Erst Beauty, jetzt Fruchtsaft
E
s ist ein Führungswechsel mit
Weitblick: Tim Berger, 45,
wird im August 2020 den Vor-
standsvorsitz der Eckes AG und da-
mit die Geschäftsleitung der unterge-
ordneten Eckes-Granini-Gruppe
übernehmen. Dann wird der langjäh-
rige Chef Thomas Hinderer den Her-
steller von Granini- und Pago-Säften
wie geplant verlassen.
Berger, derzeit bei L‘Oréal mit dem
Titel „Vice President Western
Europe“ für das Geschäft mit Kosme-
tik und Körperpflege in Westeuropa
zuständig, kommt nicht aus der Le-
bensmittelbranche. Aber er hat eine
lange Karriere im Konsumgüterbe-
reich vorzuweisen: Seine berufliche
Laufbahn begann er einst im Marke-
ting bei Henkel, 2007 wechselte er zu
L‘Oréal. Dort hatte er verschiedene
Positionen im Marketing inne, arbei-
tete unter anderem in Thailand und
Peru für den Konzern.
Nun also zieht es den dreifachen
Vater zum Familienunternehmen
Eckes – nach eigenen Angaben
Europas führender Anbieter von
Fruchtsäften und fruchtsafthaltigen
Getränken. Die Gesellschaft mit 1 725
Mitarbeitern und einer knappen Mil-
liarde Euro Jahresumsatz hat ihren
Sitz im rheinland-pfälzischen Nieder-
Olm. Berger, der angibt, er habe
„Granini und Hohes C schon als Kind
geliebt“, sagt zu seinem Wechsel:
„Die Zukunft eines Unternehmens
gestalten zu können, das über ein
Markenportfolio mit solchen Ikonen
verfügt, ist eine Gelegenheit, wie
man sie nicht oft im Leben findet.“
Hier schließt sich der Kreis zu
L‘Oréal, das ebenfalls ikonenhafte
Marken wie Garnier oder Lancôme
im Portfolio hat und im Marketing
lange Jahre als „the place to be“ galt.
Vor allem dürfte Berger wertvolle
Erfahrungen für Eckes-Granini aus
dem Kosmetik-Geschäft mitbringen.
Denn es hat sich durch Digitalisie-
rung, Onlinehandel und -marketing
in wenigen Jahren gewandelt wie
kaum eine andere Branche. Axel
Hamm, Aufsichtsratsvorsitzender der
Eckes AG, lobt denn auch Bergers
„bemerkenswerten Teamgeist so-
wohl bei der Transformation etablier-
ter Marken als auch in E-Commerce
und Kommunikation“. Corinna Nohn
Tim Berger: Viel
Erfahrung im
E-Commerce.
Der Name
Puello
hat einen
exzellenten
Ruf in der
Branche.
Bernhard Lange
Präsidiumsmitglied
des Zweirad-
Industrieverbands
L'Oreal / Michael Dean
Stefan Pierer, Susanne
Puello, Felix Puello (v.l.):
Ehrgeizige Pläne.
Pexco
2017 erst gründeten sie den
erfolgreichen Radbauer
Pexco. Nun verkaufen sie an
ihren finanzstarken Teilhaber,
um schneller wachsen zu
können.
Der lang jährige L‘Oréal-
Manager übernimmt im
kommenden Jahr die
Geschäftsleitung der
Eckes-Granini-Gruppe.
Familienunternehmen des Tages
MITTWOCH, 27. NOVEMBER 2019, NR. 229
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