Ketanji Brown Jackson
Kühn im Urteil, scharf im Ton
Jens Münchrath Washington
Z
ivilcourage an den Tag zu legen ist in
diesen Tagen in den USA keine Selbst-
verständlichkeit – auch für unabhän-
gige Richter nicht. Ein Präsident, der leiseste
Kritik als Verrat klassifiziert und der glaubt,
über dem Gesetz zu stehen, weil er schließ-
lich derjenige sei, der es unterschreibt – ein
solcher Präsident stellt die denkbar größte
Herausforderung für all jene dar, die Rechts-
staatlichkeit qua Amt repräsentieren. Jedes
kleinste Signal des Widerstands aus den Rei-
hen der demokratischen Kontrollinstanzen,
der legendären amerikanischen „checks and
balances“, ist eine kleine Heldentat.
Ein solches Signal hat Ketanji Brown Jack-
son jetzt ausgesandt. Und zwar eines, das
sowohl in der Sache als auch im Ton von
großer Bedeutung ist. Die 49-jährige Bun-
desrichterin urteilte am Montag, dass der
frühere Leiter der Rechtsabteilung des Wei-
ßen Hauses, Don McGahn, der Vorladung ei-
nes Ausschusses des Repräsentantenhauses
nachkommen und im Parlament aussagen
müsse. „Präsidenten sind keine Könige. Nie-
mand steht über dem Gesetz. Und es steht
auch nicht in der Macht des Präsidenten, ei-
nen seiner Mitarbeiter davon zu befreien, ei-
ner solchen Vorladung des Kongresses Folge
zu leisten“, sprach die Richterin. McGahn
könne sich nicht auf die Immunität hoher
Regierungsmitarbeiter oder Gründe der na-
tionalen Sicherheit berufen, begründete die
Havard-Absolventin ihre Entscheidung.
McGahn ist zwar kein Zeuge in den lau-
fenden Impeachment-Ermittlungen. Aber
das Urteil könnte eine entscheidende Rolle
spielen beim Verfahren um eine mögliche
Amtsenthebung des Präsidenten. Mehrere
aktuelle und frühere Mitarbeiter des Weißen
Hauses weigern sich, in der Ukraine-Affäre
vor dem Kongress gegen Donald Trump aus-
zusagen, auch weil der US-Präsident das so
angeordnet hat.
Dazu gehört etwa auch Charles Kupper-
man, der frühere stellvertretende nationale
Sicherheitsberater des Präsidenten. Er hat
sich in einem separaten Verfahren an ein
Gericht gewandt, um klären zu lassen, ob er
vor dem Parlament aussagen oder ob er sich
an Trumps Anordnung halten muss, die Er-
mittlungen zu blockieren.
Die Demokraten werfen Trump Amts-
missbrauch und möglicherweise auch Beste-
chung vor, weil der Präsident Druck auf den
ukrainischen Präsidenten ausgeübt haben
soll, damit dieser gegen den Sohn seines de-
mokratischen Rivalen Joe Biden Ermittlun-
gen einleitet. Trump soll als Druckmittel
auch die Aussetzung von US-Militärhilfen für
die Ukraine eingesetzt haben.
Im Fall McGahn geht es um Russland. Der
Justizausschuss hatte ihn im Rahmen der Er-
mittlungen zur möglichen Beeinflussung der
US-Wahlen durch Moskau vorgeladen. Die
Regierung wollte ihn aber an einer Aussage
im Parlament hindern. Der Ausschussvorsit-
zende Jerry Nadler lobte das Urteil der Rich-
terin und erklärte, McGahn sei ein „zentra-
ler Zeuge“ bei der Klärung der Frage, ob
Trump die Ermittlungen Muellers behindert
habe. Allerdings ist Brown Jacksons Wort
noch nicht das letzte: Das Justizministerium
kündigte am Dienstag an, in die Berufung zu
gehen.
Ketanji Brown
Jackson:Ihr Urteil
könnte die
entscheidende
Rolle spielen.
H2rty
Joachim Wenning
Der sanfte Reformer
D
er Rückversicherer Munich Re hat
derzeit ein Luxusproblem: Das ge-
plante Jahresergebnis von 2,5 Milli-
arden Euro war nach neun Monaten schon
fast erreicht. Die oft als langweilig verschrie-
ne Aktie ist 2019 ein Überflieger im Dax. Die
Erwartungen sind hoch – Konzernchef Joa-
chim Wenning muss so zum ersten Mal als
Bremser auftreten. Vor allem vor zu hohen
Erwartungen, die von außen auf das 139 Jah-
re alte Traditionshaus zukommen.
„Unsere Aussagen, die wir vor zwei Jahren
gemacht haben, werden geglaubt“, sagte
Wenning, 54 Jahre alt, am Montagabend bei
einem Gespräch mit Journalisten in Mün-
chen. Im Frühsommer 2017 hatte er den
Vorstandsvorsitz vom langjährigen Chef Ni-
kolaus von Bomhard übernommen und den
Rückversicherer unaufgeregt, aber kontinu-
ierlich umgestaltet. Das Rückversicherungs-
geschäft wurde in der Folge digitaler, der
Erstversicherer Ergo fand zurück in die Er-
folgspur.
Sogar 900 Arbeitsplätze wurden einge-
spart, was früher undenkbar gewesen wäre.
Weil von oberster Ebene aber offen kommu-
niziert wurde und die Abfindungen großzü-
gig ausfielen, fand vieles dabei geräuschlos
statt. Inzwischen kann sich der studierte
Volkswirt Wenning sogar den Kauf eines
Erstversicherers vorstellen. „Es müsste sich
dort um Risiken handeln, die mit unserem
Risikoappetit kompatibel sind“, gibt er die
klare Richtung vor. Christian Schnell
BusinessLoungeLounge
Ausgezeichnete Karrieren: Franck Marilly,
Europa-Chef der Kosmetikmarke Shiseido,
besucht mit Marie-Anne Barbat-Layani, ab
Dezember Generalsekretärin im französischen
Finanzministerium, die Preisverleihung „Die
einflussreichsten Frauen 2020“ in Paris.
Ausgezeichnet:Der Ex-Chef der Rotkäppchen
Sektkellerei, Gunter Heise (2.v.l.), erhält in Berlin
den „Preis Soziale Marktwirtschaft“ der Konrad-
Adenauer-Stiftung. Mit dabei: Norbert Lammert,
Vorsitzender der Stiftung (l.), Jury-Vorsitzende
Hildegard Müller und Laudator Dieter Althaus.
Ausgezeichnet:DerEx-ChefderRtkä
Ordentlicher Start:Alibaba CEO Daniel Zhang
(l.) und Tung Chee-hwa, ehemaliger Chief Exe-
cutive der Sonderverwaltungszone Hongkong
(r.), freuen sich über den gelungenen Börsenstart
des Internetkonzerns in Hongkong.
Ordentlicher Start:Alibaba-CEODaniel Zhang
Die Zusammenarbeit fördern:Bundesverteidi-
gungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
(CDU) empfängt in Berlin den Generalsekretär
der Vereinten Nationen, António Guterres.
DieZusammenarbeitfördern:Bundesverteidi
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Die US-Bundesrichterin zwingt
Mitarbeiter des Weißen Hauses zur
Aussage vor dem Kongress.
Der Chef der Munich Re hat den
Rückversicherer umgekrempelt.
Und jetzt könnte gar der Kauf
eines Erstversicherers folgen.
Joachim Wenning:
„Unsere Aussagen
Joerg Fokuhl/laif werden geglaubt.“
Namen des Tages
MITTWOCH, 27. NOVEMBER 2019, NR. 229
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