Neue Zürcher Zeitung - 15.11.2019

(Ann) #1

2INTERNATIONAL Freitag, 15. November 2019


Hunderttausende vonRohingyasind Ende 2017 aus Burma geflohen. JORGE SILVA / REUTERS

Den Haag ermittelt gegenBurma


(dpa)·Der Internationale Strafgerichts-
hof (ICC) in Den Haag hat umfang-
reiche Ermittlungen wegen derVerfol-
gung der muslimischen Minderheit der
Rohingya in Burma autorisiert.Damit
fol gten die Richter am Donnerstag
einem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Die ChefanklägerinFatou Bensouda
hatte imJuli beantragt, mutmassliche
Verbrechen im Zusammenhang mit der
Vertreibung derRohingya aus Burma
verfolgen zu dürfen.Dafür werden weit-
hin die Militärs im vorwiegend buddhis-
tischen Burma verantwortlich gemacht.
Die vorliegenden Informationen böten
Grund zu der Annahme, dass gegen die
Rohingya aufgrund ihrer ethnischen
Zugehörigkeit und/oder ihrerReligion

systematisch Gewaltakte verübt wor-
den seien, die alsVerbrechen gegen
die Menschlichkeit eingestuft werden
könnten, teilte der Internationale Ge-
richtshof mit.
Im März 2018 hatte die Uno-Sonder-
berichterstatterin für Burma,Yanghee
Lee, vor dem Uno-Menschenrechtsrat
in Genf erklärt, dieRohingya-Vertrei-
bung weise sogar Merkmale einesVöl-
kermords auf.Im selbenJahr erklärte
sich der Internationale Gerichtshof für
zuständig, obwohl Burmakein Vertrags-
staat des ICC ist. Zur Begründung hiess
es auch jetzt wieder, dassBangladesh


  • wohin Ende 2017 schätzungsweise
    700000 Rohingya geflohen waren – dem
    Gericht angehöre.


Ermittler im Fall MH


belasten den Kreml schwer


(dpa)·ImFall der 2014 abgeschossenen
malaysischen Passagiermaschine des
Flugs MH17 hat das zuständige inter-
nationale Untersuchungsteam JIT neue
Vorwürfe gegenRussland erhoben. Die
Verbindungen zwischen derFührung der
Sep aratisten in der Ostukraine und Mos-
kau seien viel enger als bisher angenom-
men,sagte der ErmittlerAndy Kraag am
Donnerstag. Der russische Einfluss sei
weit überMilitärhilfe hinausgegangen.
Das belegten abgehörte Gespräche, Zeu-
genaussagen und andere neue Informa-
tionen.Russland wies dieVorwürfe um-
gehend zurück.Das JIT veröffentlichte
Telefonmitschnitte, auf denen unter
anderem Wladislaw Surkow, ein Bera-
ter des Kremlchefs Putin,zu hören sein
soll. DieAufnahmen sollen beweisen,
dass die Separatisten direktenKontakt
zu russischen Spitzenbeamten hatten.


IN KÜRZE


Macron kündigt No tfallplan
für Gesundheitswesen an
(dpa)· Frankreichs Präsident Emma-
nuel Macron will auf den Protest von
Spital-Mitarbeitern mit einem Notfall-
planreagieren. Er habe dieRegierung
aufgefordert, einen Aktionsplan zu er-

Russland stationi ert
Helikopter in Nordsyrien
(dpa)· ZurKontrolle derLage im Nor-
denSyriens hatRussland Militärheli-
kopter und für deren Schutz auch das
FlugabwehrsystemPanzir in dieRegion
verlegt. Nach dem Abzug derKurden-
milizen hätten die Einheiten der rus-
sischen Luftstreitkräfte auf dem Flug-
platzin Kamishli St ellung bezogen,be-
richtete der Moskauer Militärsender
Swesda. Die Helikopter waren zuvor auf
der Basis Hmeimim imWesten desLan-
des stationiertgewesen. Die Helikopter
sollen die Sicherheit der russisch-türki-
schenPatrouillen an der syrisch-türki-
schen Grenze gewährleisten, hiess es.

Finnland wegen Ablehnung
eines Asylantrag s verurteilt
(dpa)· Finnland hat mit der Ablehnung
des Asylantrags eines Mannes aus dem
Irak gegen die Menschenrechte verstos-
sen. Zu diesem Urteil ist der Europäi-
sche Gerichtshof für Menschenrechte in
St rassburg am Donnerstag gelangt. Der
Mann war kurz nach seiner unfreiwilli-
genRückkehr in den Irak getötet wor-
den.Finnland habe mit seiner Entschei-
dung dasRecht des Mannes auf Leben

Morawiecki soll erneut
Polens Regierung führen
(dpa)· Der polnische Staatspräsident
Andrzej Duda hat den bisherigen
nationalkonservativen Ministerpräsi-
denten Mateusz Morawiecki offiziell
mit derRegierungsbildung beauftragt.
«Ich bin überzeugt, das ist eine Garan-
tie, dass dieseRegierung effizient funk-
tionieren wird», sagte Duda inWarschau.
Der 51-jährigeFinanzfachmann Mora-
wiecki amtierte für die nationalkonser-
vativeRegierungspartei PiS bereits ab
Dezember 2017 als Ministerpräsident,
davor fungierte er als Superminister für
Wirtschaft undFinanzen.

und dasRecht,keinerFolter oder un-
menschlichen Behandlung ausgesetzt zu
werden, verletzt, befand der Gerichts-
hof jetzt. Der Iraker war ein sunniti-
scher Muslim und arbeitete im Innen-
ministerium inBagdad. Er geriet dort in
Streit mit einemKollegen, der mutmass-
lich einer mächtigen schiitischen Miliz
angehörte.

AUFGEFALLEN


Auf Evo folgt in Bolivi en


das Evangelium


Samuel Misteli· Wer ist schuld am Sturz von Evo Morales?War
es die Armee, die dem gefallenen Präsidenten denRücktritt
empfahl, worauf Morales sein Amt tatsächlich aufgab?War es
Morales selber, derdie bolivianische Demokratie so gründ-
lich demontierte, dass sich eine Protestbewegung formierte,
die immer wütender wurde? Oder – war es Gott?
DieFührer der Opposition, die nun nicht mehr Opposi-
tionelle sind,sondern Staatslenker, glauben die Antwort zu
kennen: Es war der Allmächtige.Als die Übergangspräsiden-
tin Jeanine Áñez am Dienstag den Präsidentenpalast betrat,
streckte sie eine überdimensionierte Bibel in die Höhe und
dankte Gott dafür, dass die Heilige Schrift nun wieder in den
Palast einziehe. Ein anderer Oppositionsführer, LuisFernando
Camacho, der bei öffentlichenAuftritten gerne einenRosen-
kranz knetet, war schon am Sonntag mit Bibel und boliviani-
scher Flagge durch die Gänge desPalastes gewandert. Und
wie durch einWunderkonnte Camacho kurz darauf denRück-
tritt des Präsidenten bejubeln: «Gottkehrte in den verlasse-
nenPalast zurück», schrieb er aufFacebook, «und15 Min u-
ten später begannen dieRücktritte sämtlicherVerbrecher die-
ses Landes!»
Derreligiöse Eifer hat viel damit zu tun, dass der Mann,
den Camacho als grösstenVerbrecher desLandes bezeichnen
würde, die Kirche oft hart kritisiert hat.«Vom Himmelkommt
nurRegen», sagte Evo Morales 2015.Während seiner Präsi-
dentschaft verschwand derVerweis auf die katholische Kir-
che aus derVerfassung: Bolivien sei ein von derReligion un-
abhängiger Staat, hiess es nun. Moralesbezeichnete sich zwar
als Katholiken, doch lieber als an der Sonntagsmesse nahm
der erste indigene Präsident Boliviens an Ritualen teil, die die
Pachamama (Mutter Erde) ehrten.Könnte es am Ende doch
Gott gewesen sein, der Morales für seineRespektlosigkeit
bestraft hat? Man wird es nie erfahren. Was sich sagen lässt:
Morales ist auch deshalb nicht mehr Präsident, weil er sich für
unersetzlich hielt. Er hatte einen Messias-Komplex – und er
teilt diesen offenbar mit den neuen Staatslenkern.

Morales-Anhänger zum
Parlamentschef gewählt
(dpa)· Ei nAnhänger des ins Exil geflo-
henen früheren bolivianischenPräsiden-
ten Evo Morales ist zum neuenVorsit-
zenden der Abgeordnetenkammer ge-
wählt worden. DerFraktionschef von
Morales’ Bewegung zum Sozialismus
(MAS),Daniel Choque, setzte sich am
Donnerstag dank der MAS-Mehrheit
im Parlament durch. SeinVorgänger war
am Sonntag inmitten der Proteste gegen
Morales zurückgetreten. In der zweiten
Parlamentskammer,dem Senat, war
dessen zweiteVizepräsidentin,Jeanine
Añez, am Dienstag in Abwesenheit der
MAS-Mehrheit zur Interimspräsidentin
ernannt worden. Das Verfassungsgericht
billigte anschliessend die Machtüber-
nahme von Añez, die eine scharfe Kri-
tikerin von Morales ist.

Beschwerde Trumps wegen
Steuerakten abgewiesen
(afp)· Im Streit um die Herausgabe sei-
ner Steuererklärungen hat der ameri-
kanische Präsident DonaldTrump er-
neut eine Niederlage vor Gericht erlit-
ten. Ein Berufungsgericht inWashington
entschied, dass derKongress dieVorlage
vonTrumps Steuererklärungen für die
ve rgangenen achtJahre verlangen darf.
Es wies damiteinen neuerlichen Ein-
spruch des Präsidenten zurück.Trumps
Anwalt kündigte laut Medienberichten
unmittelbar nach der Entscheidung an,
vor den OberstenGerichtshof zu ziehen.
Trump sperrtsich hartnäckig gegen alle
Aufforderungen von Strafermittlernso-
wie der oppositionellen Demokra-
ten imKongress, seine Steuererklärun-
gen zu veröffentlichen. Er ist der erste
Präsident seit Richard Nixon, der diese
Unterlagen geheim hält.

Zahl der Migrant en an der
US-Südgrenze sinkt weiter
(dpa) · Die Zahl der aufgegriffenen
Migranten an der amerikanischen
Grenze zu Mexiko ist rückläufig. Im
Oktober seien etwas mehr als 42 000
Menschen an der Grenze festgesetzt
worden, sagte der geschäftsführende
Chef der Grenzschutzbehörde (CBP),
Mark Morgan, imWeissen Haus. Das
sei einRückgang um etwa 70 Prozent
verglichen mit dem Höchststand im Mai,
als die Zahl noch bei rund144000 lag.

Zweiter Impfstoff ge gen
Ebola-Epidemie im Einsatz
(afp)· InKongo-Kinshasakommt jetzt
ein zweiter Impfstoff gegen die seit mehr
als einemJahr grassierende Ebola-Epi-
demie zum Einsatz. Der Impfstoff des
KonzernsJohnson &Johnson werde
in Goma verwendet, teilte Ärzte ohne
Grenzen mit. Innerhalb von vier Mona-
ten sollen 50 000 Personen damit ge-
impft werden. Mehr als 250 000 Perso-
nen wurden seitAugust 2018 mit einem
Impfstoff derFirma Merck geimpft.

arbeiten,sagte Macron in Epernay. Man
müsse kurzfristig mehr in das Gesund-
heitswesen investieren als bisher vorge-
sehen. «Einer Pflegekraftkönnen wir
nicht erklären: ‹Wir haben einen gros-
sen Plan, der in fünfJahren seine volle
Wirkung entfalten wird›»,sagte Macron.
Premierminister Edouard Philippe
werde den Aktionsplan kommende
Woche vorstellen.Ärztinnen, Pfleger
undVerwaltungsmitarbeiter der öffent-
lichen Spitäler klagen seit einiger Zeit
über Überlastung.

ZÜRICH –SIHLPORTE 3
AUC HINGENF–LAUSANNE
Free download pdf