Die Welt Kompalt - 11.11.2019

(nextflipdebug5) #1

14 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,11.NOVEMBER


A


uf einem Rastplatz
auf der Autobahn A
bei Leipzig fährt ein
Autofahrer in einen
Sattelschlepper hinein und
stirbt. Er wollte zwischen den
Anschlussstellen Lützen und
Leipzig-Südwest auf einen
Parkplatz fahren. In der Durch-
gangsspur parkte ein Lastwa-
gen, der Lkw-Fahrer schlief.

VON BIRGER NICOLAI

Dieser Unfall, geschehen im
Juli dieses Jahres, ist eines von
vielen Beispielen für schwerste
Unglücke, die durch falsch ab-
gestellte Lkw ausgelöst werden.
Nur wenige Wochen zuvor war
auf der A6 nahe Heilbronn ein
Schwertransporter mit Begleit-
fahrzeug auf dem Verzöge-
rungsstreifen vor einem Park-
platz stehen geblieben. Auch
dieser Platz war überfüllt. In
der Dunkelheit raste ein Auto
ungebremst in den Begleitwa-
gen hinein. Beide Fahrzeuge
fingen Feuer, zwei Menschen
starben.
Wenig später verunglückte
ein Autofahrer auf der A81 bei
Würzburg auf der Rastanlage
Jagsttal tödlich. Er prallte auf
einen Lkw, der in der Einfahrt
parkte und unbeleuchtet war.
Das Problem ist, dass Stati-
stiken zufolge von Jahr zu Jahr
mehr Laster auf Deutschlands
Autobahnen unterwegs sind.
Anders als in der Schweiz oder
in Österreich ist es bisher nicht
gelungen, mehr Güterverkehr
über die Bahn abzuwickeln. In
den beiden Ländern liegt der
Anteil bei rund 40 Prozent, in
Deutschland dagegen lediglich
bei 17 Prozent. Die Folge sind
Staus und ein Mangel an Park-
plätzen für Fernfahrer.
In den Abendstunden suchen
Fernfahrer verzweifelt nach
Parkplätzen, um ihre Fahrzei-
ten einhalten und Ruhepausen

einlegen zu können. Dem Bun-
desverband Güterkraftverkehr,
Logistik und Entsorgung (BGL)
zufolge müssten 35.000 bis
40.000 Lkw-Stellplätze entlang
der Autobahnen zusätzlich ge-
baut werden. Das heißt, es sind
Milliarden nötig. Denn inzwi-
schen kostet jeder Stellplatz
nach Zahlen der Vereinigung
der Autohöfe immerhin rund
80.000 Euro.
Dieses Geld wollen aber we-
der der Staat noch die Wirt-
schaft zur Verfügung stellen.
Die neuen Rastanlagen und bis
zu 1500 zusätzlichen Parkplät-
ze, die zuletzt jährlich gebaut
wurden, reichen gerade aus, um
das steigende Transportauf-
kommen auszugleichen.
Allerdings gibt es Initiativen,
um die Lage zu verbessern.
Denn die Speditionen selbst ha-
ben einige Platzreserven. Ihre
Betriebshöfe sind zu vielen Zei-
ten längst komplett belegt, sie
eignen sich daher als Parkplatz
auch für fremde Lastwagen.
„Diese Möglichkeiten müssen
dringend genutzt werden, wenn
wir die chaotischen Zustände
auf den Rastplätzen irgend-
wann einmal in den Griff be-
kommen wollen“, sagt deshalb
Dirk Engelhardt, Vorstands-
sprecher des Verbandes BGL.
Auch dafür sind allerdings
Investitionen nötig. „Das Be-
triebsgelände müsste erst ein-
mal aufgerüstet werden“, sagt
Engelhardt. Neben sanitären
Einrichtungen etwa durch Con-
tainer mit Toiletten und Du-
schen müssten Sicherheitsvor-
kehrungen wie Schranken an
der Einfahrt geschaffen wer-

den. Die Lkw-Fahrer könnten
sich online über die Standorte
informieren. Nach Berechnun-
gen des Bundesverbands sind
für derartige Aufrüstungen et-
wa 30.000 Euro je Betriebshof
notwendig. Dieses Geld müss-
ten die Speditionen aufbringen
und könnten es über Parkge-
bühren finanzieren. „Um die
Unternehmen dazu zu bewe-
gen, muss es eine Grundförde-
rung geben. Der Bund und auch
die EU müssen dabei helfen“,
sagt Engelhardt.
Tatsächlich laufen im Bun-
desverkehrsministerium wie
auch bei der EU-Kommission
Gespräche dazu. Vom Ministe-
rium gibt es bisher allerdings
keine Stellungnahme. Weitere
Ideen betreffen stillgelegtes
Bundeswehrgelände, das von
den Truckern als Abstellplatz
genutzt werden könnte.
Die Not ist jedenfalls groß.
Täglich sind auf deutschen Au-
tobahnen rund 500.000 einhei-
mische Lkw und weitere
300.000 Lastwagen aus dem
Ausland unterwegs. Zu Nacht-
zeiten nimmt das Gedränge auf
den Rastplätzen mancherorts
bizarre Formen an. So parken
die Fahrzeuge in langen Reihen
im Zentimeterabstand hinter-
einander. Dieses sogenannte
Kolonnenparken wird durch di-
gitale Technik überhaupt erst
möglich. Dadurch werden be-
stehende Stellplatzkapazitäten
besser genutzt. Experten mei-
nen, dass mithilfe dieses Park-
systems auf der vorhandenen
Fläche bis zu 50 Prozent mehr
Parkplätze geschaffen werden
können.

Für dieses Kolonnenparken
informiert sich der Lkw-Fahrer
vorab über die Auslastung der
Parkplätze: Er bekommt über
dynamische Anzeigen wie über
ein Navi übermittelt, wo es
freie Plätze gibt und wann an-
dere Lkw den Parkplatz verlas-
sen. Abhängig von seiner eige-
nen Zeitplanung für den näch-
sten Tag entscheidet der Truc-
ker daraufhin, in welche Last-
wagen-Reihe er sich einordnet.
Kritiker sagen jedoch, die
Pläne könnten das Problem
nicht lösen. Sie sprechen des-
halb von Stückwerk. Zum Bei-
spiel habe die Bundesregierung
ein von der Europäischen Uni-
on gefordertes digitales Leitsy-
stem für sämtliche Lkw-Park-
plätze im Land bislang nicht
umgesetzt. Die Regierung wird
das Thema aber kaum aussitzen
können.
Manche Lkw stehen nicht
nur für ein paar Stunden auf
den Rastplätzen, sondern blei-
ben mehrere Tage. Hintergrund
ist auch, dass Flottenbetreiber
aus Osteuropa wie der ungari-
sche Spediteur Waberer’s im-
mer mehr Anteile des Trans-
portgeschäfts im Fernverkehr
übernehmen. Diese Firmen ver-
fügen in Deutschland nur in
Ausnahmen über eigene Be-
triebshöfe in ausreichender
Zahl. Die Folge ist, dass die Fah-
rer ihre Zeit auf öffentlichen
Parkplätzen verbringen, wenn
sie die vorgeschriebenen länge-
ren Pausen einhalten oder auf
Aufträge warten.
Das Abstellen des Lastkraft-
wagens auf den Ein- und Aus-
fahrten der Rastplätze gilt als
Ordnungswidrigkeit und wird
mit geringen Bußgeldern ge-
ahndet. Das ändert sich, wenn
es zu schweren Unfällen
kommt, bei denen Menschen
sterben. Dann stehen die Fah-
rer wegen fahrlässiger Tötung
vor Gericht.

Lastwagen stehen auf einem Rastplatz. Um das Stellplatzproblem von Lkw zu lösen, sind mindestens zwei Milliarden Euro nötig

PICTURE ALLIANCE/ DPA

/ ARNULF STOFFEL

D


er überraschend ange-
kündigte Eigentümer-
wechsel beim Waffen-
hersteller Heckler & Koch ent-
wickelt sich zur Tarnaktion. So-
wohl das Unternehmen als auch
der bisherige Großaktionär An-
dreas Heeschen vermeiden es,
den bereits beteiligten Käufer
zu nennen, der seinen Anteil
auf eine Mehrheit erhöhen will.
Wie der 58-jährige Heeschen
WELT erklärt, liegt dem Bun-
deswirtschaftsministerium „ein
Antrag einer Mit-Aktionärin
vor, weitere Anteile von mir zu
erwerben“. Falls dem zuge-
stimmt wird, „bleibe ich als Ak-
tionär beteiligt und dem Unter-
nehmen verbunden“. Wörtlich
teilte Heeschen WELT mit:
„Für den Fall, dass dem Antrag
nicht stattgegeben wird, bleibe
ich weiterhin Mehrheitsaktio-
när der H&K AG.“


VON GERHARD HEGMANN

Für die Bundesregierung ist
es aus nationalen Sicherheits-
überlegungen von Interesse,
wem der Hauslieferant der
Bundeswehr gehört, der als Fa-
vorit beim geplanten Ersatz des
Sturmgewehrs G36 gilt. Nach
dem Außenwirtschaftsgesetz
kann der Bund den Einstieg un-
liebsamer ausländischer Inves-
toren bei einem Rüstungsunter-
nehmen untersagen. Heeschen
hatte 2002 mit dem in der
Schweiz gemeldeten 62-jähri-
gen Unternehmer Keith Halsey
die Oberndorfer Waffenfirma
aus britischer Hand übernom-
men. Halsey stieg angeblich vor
vier Jahren aus. Heeschen be-
stätigt, dass 2015 der französi-
sche Unternehmer Nicolas Wa-
lewski „als Finanzier dazuge-
kommen ist“. Den Gründer der
Londoner Fondsgesellschaft Al-
ken Fund mit einem Anlagever-
mögen in Milliardenhöhe be-
zeichnet Heeschen als „ehren-
werten Kaufmann“. Ein Ex-
Heckler-&-Koch-Geschäftsfüh-
rer behauptete in einem Zivil-
prozess sogar, dass Walewski
bei dem Waffenhersteller das
Sagen habe. Heeschen wieder-
um pocht darauf, dass es „bis
heute keinen Wechsel des
Mehrheitsaktionärs“ gibt.
Wer bei der Hauptversamm-
lung in das Aktienregister
schaute, wurde nicht viel
schlauer. Der Name Heeschen
war mit grob zwei Drittel der
Stimmen aufgelistet. Auffällig
war ein größerer Aktienanteil
einer „Ignition Finance II BV“
mit rund 3,8 Millionen Stim-
men oder grob 15 Prozent An-
teil. Auch die Bank BNP Paribas
und die Deutsche Bank waren
als Aktionärsstimmen mit grö-
ßeren Anteilen aufgeführt.


Rätselraten um


den Verkauf von


Heckler & Koch


Künftiger Besitzer soll


bereits beteiligt sein


Eine Idee gegen die Todesfalle


An deutschen Autobahnen fehlen rund


4 0.000 Lkw-Stellplätze. Das führt zu


vielen schweren Unfällen. Jetzt könnte


es allerdings eine Lösung geben

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