Die Welt Kompalt - 11.11.2019

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POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,11.NOVEMBER2019 SEITE 4


Hängen geblieben ist eher die
harsche Kritik von Umwelt-
schützern und Fridays for Fu-
ture an einem „Klimapaket-
chen“– und die Tatsache, dass
das Erneuerbare-Energien-
Gesetz wieder zur Erhöhung
der Strompreise geführt hat.
Es gibt da sicher Dinge, die
noch nicht hinreichend gere-
gelt sind, gerade auch bei den
Kosten der Energiewende.
Schleswig-Holstein ist nicht
das einzige Bundesland, das
vom Bund einen finanziellen
Ausgleich für die in seinem
Haushalt entstehenden Steuer-
ausfälle erwartet. Dennoch ge-
hen die Vorschläge des Bundes
in die richtige Richtung; sie
sind sozial ausgewogen und
markieren einen Einstieg in ei-
ne CO 2 -Bepreisung. Darauf
können wir aufbauen.

Der Wähler hat das, Beispiel
Thüringen, nicht ansatzweise
honoriert. Kann es sein, dass
Friedrich Merz, den sie wegen
seiner Grundsatzkritik am
„grottenschlechten“ Bild der
großen Koalition schwer in
den Senkel gestellt haben,
recht hat mit seiner Kritik?
Natürlich hat die GroKo insbe-
sondere in der Außendarstel-
lung noch viel Luft nach oben.
Dennoch ist es weder richtig
noch zutreffend, die Schuldfra-
ge derart einseitig zu debattie-
ren, wie Friedrich Merz das ge-
tan hat. Es macht einfach kei-
nen Sinn, Personaldebatten in
dieser Art und Weise zu führen.

Was müsste die Bundeskanz-
lerin tun, damit sich das desa-
ströse Bild, das die Koalition
bietet, zum Positiven wendet?
Ich würde diese notwendige
Veränderung eben genau nicht
an einer Person allein festma-
chen. Natürlich hat die Bundes-

kanzlerin großen Einfluss. Aber
im Grunde sind alle Beteiligten
aufgerufen, sich auf erfolgrei-
che Politik zu konzentrieren
und sich eben nicht, wie es die
SPD vorexerziert, quälend lan-
ge mit sich selbst zu beschäfti-
gen.

Augen zu und durch?
Augen auf und durch dürfte Er-
folg versprechender sein.

Gilt das auch für Ihren bevor-
stehenden CDU-Parteitag?
Mein Wunsch wäre, dass uns als
Union in Leipzig ein echter Be-
freiungsschlag gelingt. Die
Menschen sollten uns danach
wieder mit Themen verbinden
und nicht mit Personaldebat-
ten. Die Leute wollen wissen,
wohin die CDU das Land füh-
ren will, auch über diese Koali-
tion hinaus. Es ist also gut, dass
wir auf dem Parteitag über
Wirtschaftspolitik sprechen
wollen, auch über die Frage, wie
man die Klimaziele erreicht,
und wie es gelingen kann, not-
wendige Infrastrukturprojekte
schneller umzusetzen, als es
derzeit möglich ist. Politik
muss da wieder mehr Verant-
wortung übernehmen. Das ist
für die CDU eine gute Möglich-
keit, sich zu profilieren, gerade
auch in Abgrenzung zu den
Grünen. Die Menschen wollen,
dass Entscheidungen wieder
schneller umgesetzt werden in
unserem Land.

Sollte Frau Kramp-Karren-
bauer in Leipzig sich einer Ab-
stimmung über die Führungs-
frage stellen?
Davon halte ich überhaupt
nichts. Annegret Kramp-Kar-
renbauer ist mit Mehrheit ge-
wählt, weitere Personalent-
scheidungen stehen nicht an.
Insofern gibt es zu Personalde-

batten auf dem Bundespartei-
tag keinen Anlass.

Die Entscheidung, Parteivor-
sitz und Kanzlerschaft zu
trennen, hat sich nicht be-
währt, oder?
Die Befürchtung, dass das
schwierig wird, hat sich bestä-
tigt. Aber derzeit ist das die ein-
zige realistische Möglichkeit,
und wir müssen das Beste da-
raus machen.

Gesetzt den Fall, die Koalition
zerbricht doch: Wer wäre
dann Ihr Kanzlerkandidat?
Ich gehe davon aus, dass die Ko-
alition bis zum Ende der Legis-
laturperiode im Amt bleibt. In-
sofern gibt es derzeit keinen
Anlass zu solchen Spekulatio-
nen.

Ausgerechnet die auch von Ih-
nen im vergangenen Jahr hef-
tig kritisierte CSU sieht ange-
sichts der Debatten, die SPD
und CDU gerade liefern, der-
zeit aus wie der Hort der poli-
tischen Stabilität. Wäre Mar-
kus Söder ein guter Kanzler?
Die CSU hat ihre Lage sehr klug
analysiert, die richtigen Schlüs-
se aus ihren damals schlechten
Umfragewerten gezogen, neue
Akzente gesetzt und sich mit
Markus Söder an der Spitze auf
einen sehr erfolgreichen Weg
gemacht. Sie sind inzwischen
tatsächlich ein stabilisierender
Faktor in der großen Koalition.
Und das wird sich auch auszah-
len. Einen entsprechenden Pro-
zess würde ich mir auch für die
CDU wünschen. Wir können da
inzwischen von der CSU viel
lernen. Was die Kanzlerkandi-
datur angeht, habe ich gesagt,
was derzeit zu sagen ist.

Nach Thüringen: Sie selbst
haben ja dafür geworben, den
CDU-Landeschefs in den ost-
deutschen Bundesländern
freie Bahn für Regierungsbil-
dungen mit der Linkspartei zu
geben. Bleiben Sie dabei?
Ich bleibe dabei, dass man ge-
sprächsbereit bleiben muss.
Und damit es ein für allemal
klar ist: Über Koalitionen habe
ich auch damals nicht gespro-
chen. Da gibt es eindeutige Be-
schlüsse unserer Partei, zu de-
nen ich stehe. Dennoch sehen
wir in Thüringen, wie schwer
Regierungsbildungen gerade im
Osten sein können. Das war
durchaus vorhersehbar, und es
wäre vermutlich nicht schlecht
gewesen, wenn man derartige
Szenarien vorab miteinander
besprochen hätte. Das ver-
säumt zu haben macht die Si-
tuation für die CDU in Thürin-
gen jedenfalls nicht leichter.

Was halten Sie von dem Vor-
stoß von 17 Thüringer Christ-
demokraten, auch mit der AfD
über eine Regierungsbildung
zu sprechen?
Davon halte ich gar nichts. Die
AfD kann für die Union kein
Ansprechpartner sein, Punkt.

Verantwortung zu tragen; er-
folgreich regieren, ein klares
Profil zeigen, die Probleme der
Menschen lösen und öffentlich
über die eigenen Erfolge reden.

Aber wären Neuwahlen nicht
doch die ehrlichere Lösung
für Union und SPD?
Nein. Das könnte man doch
auch niemandem erklären. Wir
haben eine Koalition, die sich
im Bundestag auf eine solide
Mehrheit stützt, die ihren Ko-
alitionsvertrag abarbeitet und
auch noch ein paar Aufgaben
vor sich hat. Im Übrigen wäre
es im Interesse aller drei Regie-
rungspartner, wenn Wahlen zu
einem Zeitpunkt stattfinden,
zu dem auch die unbestreitbar
vorhandenen Erfolge ihrer Poli-
tik wieder positiver wahrge-
nommen werden.

Müssen Sie nicht im Gegen-
teil Sorge haben, dass das
Bild, das die Koalition abgibt,
immer schlechter wird, je län-
ger sie im Amt ist?
Zumindest bei der CDU hat es
in der ersten Hälfte der Legisla-
turperiode ja auch Phasen gege-
ben, in denen die Umfragewer-
te deutlich nach oben gegangen
sind. Im Übrigen hat man in
dieser Zeit ja durchaus gesehen,
dass die große Koalition große
Probleme bearbeiten und lösen
kann, wenn alle an einem
Strang ziehen.

Welche waren das?
Nehmen Sie das Klimapaket.
Natürlich gibt es da auf den ers-
ten Blick noch Punkte, an de-
nen gefeilt werden muss. Aber
unterm Strich ist das schon ein
ausgesprochen solider Gesetz-
entwurf, den die Bundesregie-
rung auf den Weg gebracht hat.
Und das haben die Menschen in
den Umfragen auch honoriert.

V


or dem CDU-Bundes-
parteitag am 22. und


  1. November fordert
    Schleswig-Holsteins
    Ministerpräsident Daniel Gün-
    ther ein Ende der Personalde-
    batten um Kanzlerin Angela
    Merkel und Parteichefin Anne-
    gret Kramp-Karrenbauer und
    eine Fortsetzung der Regie-
    rungszusammenarbeit mit der
    SPD. Als Beispiel für eine ge-
    lungene Weiterentwicklung der
    Union nennt der frühere CSU-
    Kritiker ausgerechnet die baye-
    rische Schwesterpartei um Mi-
    nisterpräsident Markus Söder.


VON ULRICH EXNER

WELT:Herr Günther, die CDU
wirkt gerade fast so todes-
sehnsüchtig wie die SPD. Ihre
Partei sei „außer Rand und
Band“, konstatierte die „Zeit“
in der vergangenen Woche.
Wie konnte es dazu kommen?
DANIEL GÜNTHER:Die Debat-
ten, die wir nach den jüngsten
Landtagswahlen geführt haben,
waren tatsächlich nicht beson-
ders hilfreich. Gerade in poli-
tisch turbulenten Zeiten wie
diesen sollte die Union für Sta-
bilität stehen und sich darauf
konzentrieren, erfolgreich zu
regieren. Die Menschen haben
mit Sicherheit keine Sehnsucht
danach, dass nach den Sozialde-
mokraten nun auch die Union
in andauernde interne Debat-
ten verfällt.

Steuern die beiden Volkspar-
teien jetzt also gemeinsam
Richtung Untergang?
Nicht, wenn wir uns auf das
konzentrieren, was zumindest
die Union immer stark gemacht
hat: Verzicht auf quälend lange
Personaldebatten, nicht andau-
ernd schlecht übereinander re-
den. Stattdessen: Bereit sein,

„Die AfD kann


für die Union kein


Ansprechpartner


sein, Punkt“


Lange hatte Schleswig-Holsteins


Ministerpräsident Daniel Günther


die Schwesterpartei CSU


scharf attackiert. Jetzt ruft der


CDU-Politiker dazu auf, von den


Bayern zu lernen. In Thüringen


verlangt er klare Abgrenzung


PICTURE ALLIANCE/ DPA

/ MARKUS SCHOLZ
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