Rente
Koalition schnürt Grundrenten-Paket
Union und SPD verabreden
weitere Maßnahmen zur
Bekämpfung der Altersarmut
und zur Stärkung der
Konjunktur.
Frank Specht Berlin
V
or dem Treffen des Koaliti-
onsausschusses zur Grund-
rente hatte CDU-Chefin Anne-
gret Kramp-Karrenbauer per Inter-
view die Latte noch einmal höher ge-
legt. Es sei „sinnvoll und notwendig“,
die schon vorhandenen Vorschläge
zur Grundrente „um Maßnahmen
zur Stärkung der betrieblichen und
privaten Vorsorge zu ergänzen“, sag-
te sie der „Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung“.
Herausgekommen ist dann beim
sechsstündigen Treffen der Partei-
spitzen von Union und SPD im Kanz-
leramt tatsächlich ein Paket, das weit
über die eigentliche Grundrente hi-
nausgeht. CSU-Chef Markus Söder
sprach von einem „echten Gerechtig-
keits- und Leistungspaket“. Die Koali-
tion leiste einen wirksamen Beitrag,
um Altersarmut zu bekämpfen, sagte
Kramp-Karrenbauer.
Um Betriebsrenten attraktiver zu
machen, will die Koalition doch noch
das Problem der sogenannten Dop-
pelverbeitragung angehen. Seit 2004
müssen Rentner auf ihre Bezüge aus
einer betrieblichen Altersversorgung
nicht nur den Arbeitnehmeranteil
zur Krankenversicherung zahlen,
sondern auch den der Arbeitgeber.
Einen Vorstoß von Gesundheitsmi-
nister Jens Spahn (CDU), das zu än-
dern, hatte Kanzlerin Angela Merkel
jüngst noch gestoppt.
Arbeitslosenbeitrag sinkt
Den arbeitgeberfinanzierten Förder-
betrag zur betrieblichen Altersvor-
sorge wollen Union und SPD auf 288
Euro verdoppeln. Außerdem planen
sie Verbesserungen bei der Mitar-
beiterkapitalbeteiligung, um Be-
schäftigten mehr Möglichkeiten für
eine ergänzende Alterssicherung zu
geben.
Das von Söder angesprochene
Leistungspaket besteht in einer wei-
teren Absenkung des Arbeitslosen-
versicherungsbeitrags um 0,1 Pro-
zentpunkte. Die Koalition hatte den
Beitrag gerade erst zum Jahreswech-
sel von 3,0 auf 2,5 Prozent gesenkt.
Die jetzt verabredete weitere Absen-
kung sei „ein wichtiges Signal in einer
sich trübenden Konjunktur“, betonte
Söder. Außerdem will die Koalition
bei der staatlichen Förderbank KfW
einen Beteiligungsfonds für Zukunfts-
technologien auflegen.
Mit dem Kompromiss geht ein mo-
natelanger Streit zu Ende, der das
Regierungsbündnis an den Rand des
Zusammenbruchs geführt hatte. Mit
der Einigung wird der Weg für weite-
re Gesetze frei, die Union und SPD
noch verabredet haben, etwa ein
„Arbeit-von-morgen-Gesetz“ oder
die Einbeziehung von Selbstständi-
gen in die Rentenversicherung. Der
Streit hatte sich daran entzündet,
dass die SPD die Grundrente – an-
ders als im Koalitionsvertrag vorge-
sehen – nicht mehr an eine Bedürf-
tigkeitsprüfung koppeln wollte. Vor
allem der einflussreiche Wirtschafts-
flügel der Union hatte damit Stim-
mung gemacht, dass mit einer sol-
chen Regel auch die Rentenbezüge
der „Zahnarztgattin“ aufgestockt
würden.
Statt der Bedürftigkeitsprüfung
soll es jetzt eine Einkommensprü-
fung geben, die in Kooperation zwi-
schen der Rentenversicherung und
den Finanzämtern abgewickelt wird.
Laut der kommissarischen SPD-Vor-
sitzenden Malu Dreyer werden bis zu
1,5 Millionen Menschen von der Re-
gelung profitieren. Vier von fünf da-
von seien Frauen. Dies sei ein „star-
kes frauenpolitisches Signal“, sagte
Dreyer. Die Kosten des Kompromiss-
modells bezifferte CSU-Chef Söder
auf bis zu 1,5 Milliarden Euro. Nach
den ursprünglich von Arbeitsminis-
ter Hubertus Heil (SPD) vorgelegten
Plänen ganz ohne Bedürftigkeitsprü-
fung hätten drei bis vier Millionen
Rentner profitieren sollen.
CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer
nannte den nach langem Ringen er-
zielten Kompromiss ein „gutes, ein
vertretbares Ergebnis“, das auch von
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus
mitgetragen werde. Es sei sicherge-
stellt, dass die Grundrente nur be-
komme, wer auch wirklich einen Be-
darf habe. Sie werde das Modell an
diesem Montag den Parteigremien
präsentieren, sagte die CDU-Chefin.
Die Opposition hatte im Vorfeld
des Treffens noch einmal heftige Kri-
tik an der Koalition geübt. Während
die Koalition noch um die Grundren-
te ringe, setze sich Kanzlerin Merkel
für mehr Rüstungsausgaben ein, twit-
terte Linken-Chef Bernd Riexinger.
„Das zeigt klar, bei wem die Prioritä-
ten liegen – nicht bei den Menschen
dieses Landes.“
Parteichefs Kramp-Karrenbauer, Dreyer, Söder (v.l.):
Späte Einigung im Streit um die Grundrente.
dpa
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Wirtschaft & Politik
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MONTAG, 11. NOVEMBER 2019, NR. 217
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