National Geographic Germany - 11.2019

(Barry) #1
FORSCHUNG
hat Shriya Reddy (16) schon immer
begeistert. Als sie sieben war, las sie
Biologiebücher mit ihrer Mutter, die
sich damals gerade auf das medizi-
nische Examen vorbereitete. In der
sechsten Klasse nahm Reddy schon
an Forschungswettbewerben teil. Im
Sommer vor der neunten Klasse
begann sie, in einem Labor für Bio-
verfahrenstechnik zu forschen. Dort
entwickelte sie ein nicht invasives
Verfahren zur schnellen Diagnose
von Hautkrebs.
„Die Wissenschaft beschäftigt
sich mit der Frage, wie und warum
Dinge geschehen“, sagt Reddy und
fügt entschlossen hinzu: „Da möch-
te ich unbedingt dabei sein.“ Die
Zeit könnte nicht passender sein.
In den USA wie anderswo auf der
Erde bemühen sich Unternehmen
und Institutionen, die Anzahl weib-
licher Studenten in Wissenschaft,
Technik, Ingenieurwesen oder Ma-
thematik zu steigern.
Viele Universitäten und Institu-
tionen wie etwa die Nasa halten
dazu regelmäßig Veranstaltungen
ab. Organisationen wie die Akade-
mie der Wissenschaften in New
York bringen Frauen aus relevanten
Berufsfeldern mit Mädchen zusam-
men, die für ihre Zukunftsplanung
Rat und Betreuung suchen.
Die von der Society for Science &
the Public in Washington veran-
staltete International Science and
Engineering Fair (ISEF) ist der welt-
weit größte Forschungswettbewerb
für Schülerinnen und Schüler, die
sich auf internationaler Ebene mit
anderen messen. In diesem Jahr
waren 1842 Finalisten angemeldet,

zu gleichen Teilen männlich und
weiblich. Drei der vier Höchstpreise
gingen an junge Frauen – darunter
gut 9 000 Euro an Reddy für ihr
Hautkrebs–Diagnoseverfahren.
„Schon allein dabei sein zu dürfen,
war total aufregend“, sagt sie.
Mary Sue Coleman, Biochemike-
rin und Präsidentin der Associa-
tion of American Universities, ist
optimistisch, was die Zukunft von
Frauen in der Wissenschaft angeht.
Sie brächten neue Perspektiven zur
Lösung wissenschaftlicher Proble-
me ein, sagt sie. „Menschen, die an-
dere Lebenserfahrungen haben,
stellen andere Fragen.“
In diesem Jahr meldeten sich bei
der ISEF zwar mehr junge Frauen
als Männer in den Bereichen Mikro-
biologie und Biochemie an, doch in
Mathematik und Ingenieurwissen-
schaften war noch immer weniger
als ein Drittel der Finalisten weib-
lich. Dennoch finde ein Wandel
statt, stellt Maya Ajmera, die Präsi-
dentin und Geschäftsführerin der
Society for Science & the Public,
fest. Überdies nutzten kreative jun-
ge Frauen technische Verfahren, um
Probleme zu lösen, die aus ihrer Per-
spektive besonders wichtig sind –
von der Entwicklung von ernäh-
rungsphysiologisch besserem Reis
bis hin zum Einsatz von Häkeltech-
niken beim Design von Datenbril-
len und Smartwatches. „Ich bin
zuversichtlich“, sagt Ajmera, „dass
diese Generation junger Frauen in
einer viel besseren Position als viele
Männer ist, um die Probleme der
Welt in Angriff zu nehmen.“
Aus dem Englischen von
Karin Rausch

Die Autorin Claudia Kalb schrieb auch die Titelgeschichte über
Leonardo da Vinci in der September-Ausgabe 2019.


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