National Geographic Germany - 11.2019

(Barry) #1
INTERVIEW 127

Sie wollten schon als Kind
Astro nautin werden. War das
ein gängiger Kindertraum in
dem italienischen Dorf, in dem
Sie aufgewachsen sind?
Samantha Cristoforetti: Nein,
zumindest nicht in meiner Erinne-
rung. Aber ich habe nie Probleme
damit gehabt, dass ich anders war.
Ich war ein selbstbewusstes Kind.
Mich haben die Sterne einfach
mehr fasziniert als andere.

Ihre Karriere war perfekt ge-
plant: zuerst das Ingenieurstu-
dium, dann die Ausbildung zur
Pilotin bei der Luftwaffe. Sie
haben Russisch gelernt, was auf
der ISS wichtig ist. Waren im Aus-
wahlverfahren bei der Europäi-
schen Raumfahrtorganisation
Esa alle so gut vorbereitet?
Ich denke ja. Aber von den sechs,
die ins Astronautenprogramm auf-
genommen wurden, konnte nur ich
Russisch.

Sie haben sich gegen 8 500 andere
Bewerberinnen und Bewerber
durchgesetzt. Droht man bei so
einem Erfolg abzuheben?
Die Gefahr ist schon da. Außenste-
hende halten Astronauten oft für
brillant. Aber in der Gruppe fühlen

Samantha Cristoforetti (42) ist momentan die einzige europäische
Astronautin. Ein Gespräch über Erfolge, Frust und Träume.

INTERVIEW: WIEBKE HARMS

„FRAUEN


HABEN DA OBEN SCHON


ALLES GEMACHT“


wir uns alle gleich und wissen: Wir
sind nichts Besonderes.

Es gibt eine Barbie, die Ihnen
nachempfunden ist. Wie fühlt es
sich an, ein Vorbild zu sein?
Das ist eine Nebenwirkung meiner
Arbeit: Ich versuche, es mit Ab -
stand zu erleben. Mir werden im-
mer mal Projekte angeboten, die
mich als Vorbild präsentieren. Mein
Hauptziel im Leben ist immer ge-
wesen, in den Weltraum zu fliegen,
und ich freue mich, wenn ich an-
dere für die Raumfahrt begeistern
kann. Aber letztlich muss jeder sei-
nen Werdegang selbst gestalten.

Sie sind 2014 als Mitglied der
„Futura“-Mission ins Weltall ge-
flogen. In Ihrem Buch schreiben
Sie über die Vorbereitung – unter
anderem darüber, dass es zuerst
keine passenden Handschuhe
für Sie gab.
Ja, die Anzüge für die Außenbord-
einsätze werden für jeden aus Ein-
zelteilen verschiedener Größen zu-
sammengebastelt und angepasst.

Lag es an den Handschuhen, die
nicht für Frauen gemacht sind?
Im Gegenteil! Es gab viele Frauen-
handschuhe. Aber die waren zu eng

LINKS
Bestens vorbereitet:
Samantha Cristoforetti
ist ausgebildete
Ingenieurin und Kampf-
pilotin. Hier sieht man
sie in einem Raumschiff-
simu lator im Juri-
Gagarin-Kosmonauten-
trainings zentrum bei
Moskau. Aufgewachsen
ist Cristoforetti in
einem italienischen
Bergdorf, wo ihre Eltern
ein Hotel betrieben.

FOTO: SPUTNIK/ULLSTEIN BILD

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