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widerlegen, verweigerte man ihnen
zugleich die Chance, ihren Intellekt
einzusetzen und ihre Begabungen voll
zu entwickeln.
Doch warum besteht die Ungleich
verteilung von Macht fort, nachdem
die Forschung das Klischee des schwa
chen Geschlechts doch längst wider
legt hat? Weil es schon immer so war?
Das ist aus moderner Perpektive kein
akzeptabler Grund. Zumal es manche
Belege dafür gibt, dass Länder, die es
den Frauen schwer machen, an Ein
fluss verlieren.
Die Asiatische Entwicklungsbank
stellte fest, dass in Asien 80 Prozent
der Männer, jedoch weniger als die
Hälfte aller Frauen arbeiten. Und die
arbeitenden Frauen bekommen die
Hälfte dessen, was die Männer verdie
nen. Geschlechternormen, mangeln
der Zugang zu Bildung und tief ver
wurzelte kulturelle Normen könnten
dazu führen, dass dieser Status quo
auch weiterhin bestehen bleibt.
Doch Analysten warnen: Wenn
Frauen am Aufstieg gehindert würden,
müssten am Ende alle einen hohen
Preis dafür zahlen. Das Beratungs
unternehmen McKinsey hat errechnet,
dass die Weltwirtschaft bis 2025 bis zu
vier Billionen Euro des jährlichen
Bruttoinlandsprodukts verlieren wird,
wenn so vielen Frauen in Asien weiter
der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt
bleibt.
Jedes Land auf der Welt sollte an
dieser Stelle aufhorchen. Auf den
TShirts und Postern mit der Aufschrift
„Die Zukunft ist weiblich“ sollte lieber
die Warnung stehen: „Die Zukunftmuss
weiblich sein!“
Madeline Heilman, eine Psycholo
gieprofessorin an der New York Uni
versity, führte eine Reihe von Studien
zur Reaktion auf erfolgreiche Frauen
in traditionellen Männerberufen
durch. In einem Experiment bat sie
Studierende, zwei identische Profile
von Angestellten auf mittlerer Füh
rungsposition im Vertrieb eines Luft
fahrtunternehmens zu beurteilen. Ein
Profil gehörte einem „James“, das
andere einer „Andrea“. Beide zählten
in den Mitarbeiterbeurteilungen zu
den besten fünf Prozent und wurden
als „herausragende Leistungsträger“
beschrieben. Ihre Profile lieferten keine
Informationen zu ihrer Persönlichkeit.
Und doch wurde „Andrea“ als unsym
pathisch und unhöflich wahrgenom
men, während „James“ begeisterte
Reaktionen erntete.
„Die durchsetzungsfähigen, leis
tungsorientierten Verhaltensweisen,
die bei Männern so positiv bewertet
werden, sind für Frauen typischerweise
tabu“, schreibt Heilman in dieser Stu
die. Die Untersuchung zeigt, dass
althergebrachte Geschlechterstereo
type weiterhin als Schablonen für
angemessenes Benehmen dienen.
WIR ALS GESELLSCHAFT REAGIEREN OFT
BEKLOMMEN,wenn Frauen die Zügel
der Macht ergreifen, weil das noch
immer ungewohnt ist. Frauen, die
Polizeipräsidentin oder Pilotin werden,
gelten weiterhin als Ausnahmen. Und
nicht selten wird ihnen die Erfahrung
selbst dann abgesprochen, wenn sie
diese ganz eindeutig nachweisen kön
nen. Studien zeigen, dass Männer
häufig wegen ihres „Führungspoten
zials“ eingestellt werden, während man
Frauen mit der gleichen Berufserfah
rung ausgerechnet als unterqualifiziert
beurteilt.
Unser kulturelles Erbe trägt eben
falls zu diesem Ungleichgewicht bei.
Der Ausdruck „Frauenarbeit“ ist ein
schränkend und stereotyp – unwill
kürlich assoziiert man damit Kochen,
Putzen, Pflegen. Man muss nur den
Ausdruck „Ministerium für Familie
und Gedöns“ nehmen, den Bundes
kanzler Gerhard Schröder 1998 für das
Ministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend benutzte.
Die Historikerin Lisa Unger Baskin
hat sich mit der Frauenarbeit der ver
gangenen fünf Jahrhunderte befasst
sind fest verankert. Man kann per Ge
setz Menschen vorschreiben, was sie
dürfen und was nicht. Man kann aber
nicht gesetzlich über ihre Gefühle
verfügen. Viele Menschen beiderlei
Geschlechts haben immer noch ein
gespaltenes Verhältnis zu Frauen in
mächtigen Positionen. Studien zeigen,
dass ehrgeizig oder forsch wahrgenom
mene Frauen nicht selten als unsym
pathisch oder auch als nicht vertrauens
würdig gelten.
Doch die Hindernisse auf
dem Weg zur Macht
MADELINE HEILMAN,
Psychologieprofessorin
Die durchsetzungs
fähigen, leistungs
orientierten Verhal
tensweisen, die bei
Männern so positiv
bewertet werden,
sind für Frauen
typischerweise tabu.