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jedoch zu sehr wie eine Gleichrangige.
Dieses Muster sollte sich in der Suf-
fragettenbewegung wiederholen,
ebenso in der Frauenrechtsbewegung
in den USA bis hinein in den Feminis-
mus der 1970er-Jahre. In Deutschland
diskutiert Alice Schwarzer, die wohl
bekannteste Feministin des Landes,
immer wieder auf eine Art über das
Thema Kopftuch im Islam, die manche
muslimische Frauen als respektlos
empfinden.
Unger Baskins Untersuchung ist
wichtig für unser Verständnis von dem,
was Frauen leisten können. Sie zeigt,
dass Frauenarbeit im Laufe der Jahr-
hunderte viel mehr bedeutete als das,
was oft auf Bildern dargestellt und in
der Literatur beschrieben wurde. Frau-
enarbeit bedeutete schwielige Hände,
aber auch Sinn für finanzielle Dinge
und eine clevere Lebensstrategie.
Macht hat ihre eigene Sprache.
Kapitäne, Piloten und Unternehmer
haben Macht. Nun fragen Sie sich
selbst: Als Sie diese Begriffe eben lasen,
hatten Sie da Frauen vor Augen? Wenn
die Antwort Ja lautet, hoffen Sie mit
mir, dass bald mehr Menschen Ihre
Sicht teilen. Aber wenn nicht, dann
vielen Dank für Ihre Ehrlichkeit – es
gibt eben noch viel zu tun.
Die Drehbuchautorin und Produ-
zentin Shonda Rhimes verkörpert eine
Erfolgsgeschichte, die Mut macht.
Die Schöpferin von Serien wie „Grey’s
Anatomy“ und „Private Practice“ lie-
ferte ein Jahrzehnt lang einen nie
versiegenden Strom profitabler, sehr
beliebter Fernsehserien mit weib-
lichen, schwarzen, asiatischen und
homosexuellen Figuren in wegwei-
senden Rollen. Inzwischen gewährt
eine Millionen Dollar schwere Pro-
duktionsvereinbarung ihr die kom-
plette künstlerische Freiheit.
Ihr Erfolg als farbige Frau in Holly-
wood ist mehr als beeindruckend. Aber
am meisten bewundere ich an ihr, wie
sie ihren phänomenalen Erfolg völlig
ohne schlechtes Gefühl genießt. Sie
hat keine Probleme damit, sich selbst
als „Titanin“ zu beschreiben, was sie
mit Sicherheit auch ist.
MACHT WURDE FRAUEN SO LANGE VOR-
ENTHALTEN,dass sie sich manchmal
anfühlt wie ein Kleidungsstück, das
für jemand anderen entworfen wurde.
Eine ganze Generation von Frauen will
das nicht mehr hinnehmen: US-Fuß-
ballstar Megan Rapinoe, Tennislegen-
de Serena Williams, Susan und Anne
Wojcicki (Geschäftsführerinnen unter
anderem von YouTube), Technologie-
Philanthropin Laurene Powell Jobs,
TV-Moderatorin Oprah Winfrey und
all die Frauen, die die #MeToo-Bewe-
gung inspirierten – eine Bewegung,
die ein System infrage stellt, das seit
Jahrzehnten Frauenrechte offenkun-
dig missachtet.
Als immer mehr Geschichten über
sexuelle Belästigung in Hollywood und
dann in der Finanzwelt, im Journa-
lismus und in zahllosen anderen Be-
reichen an die Öffentlichkeit kamen
und sogar Größen der Filmbranche
wegen sexuell übergriffigen Verhaltens
stürzten, begann eine kleine Gruppe
Frauen in Hollywood damit, täglich
zusammenzukommen und gemeinsam
Warum wissen wir nicht
mehr über diese Frauen?
Wie kann es sein, dass ihre Geschich-
ten übersehen oder ausgelöscht wur-
den? Womöglich auch deshalb, weil
so viele der Frauen strategisch vorge-
hen mussten, um Abnehmer für ihre
Arbeitskraft zu finden. Sie durften
nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf
sich lenken, weil sie außerhalb ihrer
vorgeschriebenen Rollen agierten.
Genau das wollte meine Mutter mir
ersparen, als sie mir vor gut 30 Jahren
diesen Zettel gab. Sie wollte nicht, dass
ich mich jemals mit einer untergeord-
neten Position zufriedengab. Ich hatte
zwei Schwestern, und das Mantra bei
uns zu Hause lautete: „Ihr seid nicht
besser als irgendjemand anderes, aber
es ist auch niemand besser als ihr.“
Das ist die Sprache der Gleichstel-
lung, und ich stelle fest, dass ich mit
meinen Kindern auch so spreche. Aber
ist es auch die Sprache der Macht?
Wenn wir Mädchen dazu bringen wol-
len, gleichberechtigt mit Jungen zu
konkurrieren, dann müssen wir dafür
sorgen, dass es ihnen nichts ausmacht,
mit ihrem Erfolg bei anderen Men-
schen Unbehagen hervorzurufen. Wir
müssen ihnen beibringen, dass das
Unbehagen nicht ihr Problem ist. Auch
wenn es schwer sein kann, die Reak-
tionen der anderen auszuhalten.
Wir müssen dafür
sorgen, dass es
unseren Töchtern
nichts ausmacht, mit
ihrem Erfolg bei
anderen Unbehagen
hervorzurufen. Wir
müssen ihnen
beibringen dass das
Unbehagen anderer
nicht ihr Problem ist.