ZUKUNFT GESTALTEN 39
können. Dieses Recht steht in pro-
gressiveren Ländern des Nahen
Ostens, etwa in Nadine Labakis Hei-
mat Libanon, nicht einmal ansatz-
weise auf der Tagesordnung.
Fortschritte im Hinblick auf die
Frauenrechte lassen sich gewöhn-
lich weniger an oberflächlichen
Markern wie der Kleidung einer
Frau festmachen. Wichtiger ist viel-
mehr, dass sie wählen können, was
sie tragen möchten, und dass sie
auch über andere Aspekte in ihrem
Leben selber entscheiden dürfen.
In Saudi-Arabien mussten die
Frauen und Mädchen bis vor Kur-
zem die Erlaubnis eines männli-
chen Vormunds einholen, wenn sie
reisen, heiraten oder eine höhere
Schule besuchen wollten. In die-
sem August verabschiedete Gesetze
lockern nun das Vormundschafts-
system, das Frauen wie Minderjäh-
rige behandelte.
Im Jahr 2018 war schon das Ver-
bot für Frauen aufgehoben worden,
Auto zu fahren. Und dennoch sit-
zen immer noch viele der Frauen
im Gefängnis, die dieses Recht
als Erste gefordert hatten. Ihre Fa-
milien berichten von Schlägen, Fol-
ter, sexuellen Übergriffen. Zu den
vermeintlichen Verbrechen gehört
die Kontaktaufnahme zu interna-
tionalen Organisationen. Die Bot-
schaft ihrer Inhaftierung ist ein-
deutig: In Saudi-Arabien werden
Frauenrechte nur von der Staats-
führung gewährt, nicht etwa von
unten erkämpft oder verdient.
Frauen haben bei diesem Thema
weder Kontrolle noch Mitsprache-
recht.
Wie können Frauen also am
effektivsten die Geschlechterge-
rechtigkeit erreichen? Aus den Er-
fahrungen aus verschiedenen afri-
kanischen und arabischen Staaten
wird deutlich, auf welche unter-
schiedlichen Weisen Frauen ihre
Gesellschaft revolutionieren.
2012 wurde Joyce Banda die erste
Präsidentin von Malawi, obwohl
sie nicht aus einer Politikerfamilie
stammt und ihre Heimat, eines der
ärmsten Länder Afrikas, keine
Frauenquote im Parlament hat.
Malawi liegt zwischen Sambia,
Tansania und Mosambik und hat
knapp 18 Millionen Einwohner.
Versuche, eine Frauenquote im Par-
lament einzuführen, sind wieder-
holt gescheitert, zum letzten Mal
im Dezember 2017. Und doch hatte
Banda Erfolg, obwohl sie weder auf
eine institutionelle Infrastruktur
zählen konnte, die ihr den Weg an
die Spitze ebnete, noch auf Fami-
lienkontakte oder Geld.
Bandas Vater war Mitglied der
Blaskapelle der malawischen Poli-
zei. Sie weiß noch, wie ein Freund
der Familie, den sie Onkel John
nannte, einmal zu ihm sagte, er
sehe großes Potenzial in der acht-
jährigen Joyce. „Das blieb hängen.
Er pflanzte ein Samenkorn“, sagt
Banda. „Ich hatte das Glück, dass
mein Vater mich stets aufs Neue an
diese Situation erinnerte. Daher
wusste ich immer, dass ich einmal
etwas erreichen würde.“
Banda war erst Ministerin für
Geschlechterfragen, Kinderschutz
und soziale Dienste und dann
Außenministerin, bevor sie 2009
zur Vizepräsidentin von Malawi
gewählt wurde. Nach dem plötzli-
chen Tod ihres männlichen Vor-
gängers wurde sie Präsidentin und
blieb von 2012 bis 2014 im Amt.
In Afrika gab es schon
mehrere Präsidentinnen.
„Und, nun ja, die USA versuchen
es immer noch, eine Frau an die
Spitze zu bringen“, sagt Banda. Sie
schreibt die Fortschritte in Afrika
der Erinnerung an weibliche Ober-
häupter und matrilineare Machtsys-
teme zu, wie es sie in vorkolonialer
Zeit gegeben hat. Sie wurden von
den patriarchalischen westlichen
Kolonialherren verdrängt. „Der