National Geographic Germany - 11.2019

(Barry) #1
diskutieren. In der Demokratie geht
es doch um die Beteiligung aller.“
Hamida und andere Frauen drän-
gen darauf, lange praktizierte, reli-
giös verankerte kulturelle Tradi-
tionen rund um das Erbrecht zu
verändern. In Tunesien steht Frau-
en nur die Hälfte von dem zu, was
Männer erben. Dieser Brauch ist in
der arabischen Welt weitverbreitet,
und wer ihn infrage stellt, wendet
sich gegen eine religiöse Ober-
schicht, die die Grundlage der Ge-
setze in der Interpretation islami-
scher Texte sieht.

„Im Zentrum des Streits steht die
Familie“, sagt die Anwältin Bochra
Belhaj Hamida. „Die traditionelle
Vorstellung von Familie ist patriar-
chalisch, also das Gegenteil dessen,
was wir uns vorstellen.“ Sie meint
damit Menschen wie Halima Maa-
lej, eine religiöse Aktivistin, die
zwar die meisten frauenfreund-
lichen Reformen unterstützt, bei
der Gleichstellung im Erbrecht aber
nicht mitzieht: „Warum sollte die
Grundlage unserer Gesellschaft
verändert werden?“, fragt sie. Die
Anhängerin der Ennahda- Partei

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