Bild - 01.11.2019

(Jacob Rumans) #1

SEITE 10 BILD SPORT • 1. NOVEMBER 2019
BEDROHT BELEIDIGT VERPRÜGELTJetzt reden die Schiedsrichter in BILD


DIESER SCHIRI BEKAM


MORDDROHUNGEN


„Schiedsrichter sind we-
der Freiwild für Beleidi-
gungen und Bedrohungen,
noch sind sie Sandsäcke
für Aggressionen.“
Jens Kaden, Präsident
des Fußball-Landesver-
bandes Brandenburg.
Die Angst geht um bei
den Schiedsrichtern, die
immer mehr Gewalt er-
leben müssen.
In BILD reden die Schi-
ris über ihre Erlebnisse.

Tom Hohn (18) aus Bad
Vilbel (Hessen) berichtet:
„Ich wurde gestoßen und
bekam Morddrohungen.
Der Stoß ist mir vor zwei
Jahren passiert. Der Spie-
ler hat mich nach einer
Gelben Karte auf Türkisch
beleidigt und höhnisch ge-
klatscht. Ich musste ihm
Rot geben. Plötzlich stand
er vor mir, hat mich mit ei-
nem heftigen Stoß gegen
die Brust zu Fall gebracht.

Er war 25, ich 16 Jahre alt.
Meine Arme haben geblu-
tet und ich hatte eine Ge-
hirnerschütterung.
Vor einigen Monaten
drohte jemand nach einer
Roten Karte: ,Ich schwö-
re auf mein Kind, wenn
ich dich finde, bringe ich
dich um.‘ Man hört immer
viel von solchen Dingen,
ich konnte kaum glauben,
dass es mir selbst pas-
siert.“

Kreisliga-Schiri Gerald
Bothe (59/Krankenpfle-
ger aus Berlin): „Viele
Spieler und Offizielle
kriegen die zahlreichen
Regeländerungen der
letzten Jahre nicht rich-
tig mit, das birgt oft
Konflikt-Potenzial. Hin-
terher verbrüdern sich
Teams gern, da hackt
eine Krähe der anderen
kein Auge aus. Dann
sind sich plötzlich alle
einig, dass der Schiri an
allem schuld ist. 2011
wurde ich niederge-
schlagen, lag im Kran-
kenhaus. Aber ich pfeife
weiter, gehe auch jedes
Mal gern zum Spiel. Ich
finde, harte Zweikämp-

fe gehören dazu. Für
die Regeln bin ich zu-
ständig. Aber der Schiri
wird oft als Fremdkörwird oft als Fremdkörwird oft als Fremdkör--
per gesehen, der kei-

ne Ahnung hat. Wenn
ich mir grad die Rug-
by-WM ansehe, bin ich
beeindruckt, weil dort
kein Spieler meckert.“

Tom Hohn ist
angehender
Bundespoli-
zist, gehört zu
den größten
Schiri-Talen-
ten in Hessen.
Sein Opa Die-
ter pfiff selbst
über 50 Jahre,
auch in
der Oberliga
Foto: SPORTFOTO-
GRAFIE KANDEV

Ralph „Drago“ Voll-
mers (52) wurde in
Hamburg mehr-
mals zum „Schi-
ri des Jahres“ ge-
wählt, hat ein Buch
(„Ey Schiri, wir wis-
sen, wo Dein Auto
steht“) geschrie-
ben:
„Die Hemmschwel-
le ist gefühlt auf kurz
vor dem Nullpunkt.
Wahnsinn!
Es ist – wie unser
Vize-Chef des DFB
(Herr Zimmermann; (Herr Zimmermann;
d. Red.) gerade äud. Red.) gerade äu-
ßerte – das Spiegelßerte – das Spiegel-
bild unserer Gesell-
schaft. Durch Politik
und Unterschätzung
des Problems ist
der Rassismus auf
einem erschrecken-
den Weg und das in
alle Richtungen. Wir
Schiedsrichter wer-
den nicht selten als
Nazis, Rassisten, als
Schwule und arro-
gante Dreckschwei-
ne betitelt. Fast ja
schon Alltag.
Respektsperson
Schiedsrichter, das
ist leider Geschich-
te, vielmehr fühlen
wir uns als Freiwild,
das als Aggressi-
onspuffer für pri-
vate Probleme her-
halten muss. Dieses
Problem zieht sich
durch viele Ehren-
amts- und Berufsbil-
der – siehe Angriffe
auf Rettungssanitä-
ter, Feuerwehr und
Polizeibeamte.
Wie kann das ge-
ändert werden?
b Für mich sind als
erstes die Sportge-
richte der Verbände
an der Reihe. Hier

hat ein Schiri mitun-
ter das Gefühl, kom-
plett alleine gelas-
sen zu werden.
bJeder Spieler, der Jeder Spieler, der
eine andere Person
in einem Exzess von
Gewalt verletzt, egal Gewalt verletzt, egal
ob es ein Schieds-
richter ist, ein Spieler richter ist, ein Spieler
oder ein Zuschau-
er, der hat auf dem er, der hat auf dem
Sportplatz rein gar Sportplatz rein gar
nichts mehr verloren!
Diese Personen müs-
sen eine lebenslan-
ge Sperre bekomge Sperre bekom-
men.
Diese muss zudem
landesweit gelten
und auf einer Sperrund auf einer Sperrund auf einer Sperr--
liste vermerkt wer-
den, damit dieser
Spieler nicht einfach
den Landesverband
wechseln und dort
weiter unseren Sport
tätigen kann!
bWeitere Möglich-
keiten bei „leichte-
ren Vergehen“ sind,
die Spieler in die
Pflicht zu nehmen
und sie zu einer
Ausbildung zum
Schiedsrichter zu
verurteilen, damit
sie selbst Spiele
pfeifen müssen. So
lernen sie gleich mal
die ,andere Seite‘
kennen und was es
heißt, Entscheidun-
gen zu treffen und
was damit zusam-
menhängt.
Stellt die Täter vor
die Wahl, entweder die Wahl, entweder
Schiri werden oder
sie für Jahre zu spersie für Jahre zu spersie für Jahre zu spersie für Jahre zu sper--
ren. Einen positiven ren. Einen positiven
Effekt hat das Gan-
ze auch noch neben-
bei, die Schiedsrichbei, die Schiedsrich-
terzahlen würden
wieder steigen!“wieder steigen!“

Bis 2017 leitete Ralph
Vollmers 95 Spiele in der
Oberliga Hamburg, zeigte
insgesamt 14-mal die
Rote Karte
Foto: OLAF DAMM

Gerald Bothe
wurde in der
Seniorenliga
niedergeschlagen,
musste danach
ins Krankenhaus
Foto: Siegfried Purschke

„Stellt Täter vor die


Wahl: jahrelange


Sperre – oder


Schiri werden!“


„Ich wurde niedergeschlagen, lag im


Krankenhaus. Aber ich pfeife weiter!“


Sportgericht sperrt


Gladbach-Trainer


für ein Pokalspiel


Das ist so ein
Hampelmann!

DER


ROTE


ROSE


Von CHRISTIAN
HORNUNG

Nicht nur in den Amateur-
ligen, auch in der Bunligen, auch in der Bun-
desliga und im DFB-Podesliga und im DFB-Po-
kal müssen Schiedsrichter
viel einstecken.
Zuletzt von Gladbachs
Marco Rose (43), der am
Mittwoch in Dortmund (1:2)
Schiedsrichter Benjamin
Cortus (37) beleidigte und
als erster Trainer Rot sah.
BILD beantwortet die
wichtigsten Fragen zum wichtigsten Fragen zum
roten Rose.
b Warum rastete er aus?
Der Coach war wütend,
weil Cortus in der Nach-
spielzeit eine Ecke für den
BVB gegeben hatte, ob-
wohl Dortmunds Brandt
den Ball eindeutig ins Aus
geköpft hatte.
b Was hat Rose dem Schi-
ri gesagt?
Nach BILD-Informationen
sollen die Worte „Hampel-
mann“ und „Vollblinder“
gefallen sein. Der Coach:
„Okay, es waren nicht die
passenden Worte. Norma-
lerweise bin ich ein Typ,
der sich für Fehler entschul-
digt, aber in diesem Fall
fand ich nicht, dass ich so
weit drüber war. Außerdem
gab es noch die ein oder
andere Fehlentscheidung.“
Rose meint die Abseitsstel-
lung von Brandt vor dem
1:1, die Cortus ebenfalls
übersehen hatte.
bWas sagt der Schiri?
Cortus zu BILD: „Meine
Entscheidung war eindeu-
tig falsch, aber das recht-
fertigt nicht so ein Verhal-
ten an der Linie.“
Das DFB-Sportgericht
sperrte Rose für ein Pokal-
spiel! Sollte er die Sper-
re nicht bis zum 30. Juni
2022 abgesessen haben,
erlischt sie.

Rüdiger Schmidt (52/SaarbrüRüdiger Schmidt (52/Saarbrü


  • cken): „Ich pfeife seit über 20 Jah


  • ren, darf bis zur Bezirksliga Spiele
    leiten. Pro Saison leite ich etwa
    40 bis 50 Spiele, da ich selbst an
    den Wochenenden arbeiten muss
    und nicht immer kann. Ich habe
    noch nie einen tätlichen Angriff
    auf mich erlebt, kenne aber Kol




  • legen, denen das schon passiert
    ist. Vielleicht hat es etwas mit dem
    eigenen Auftreten zu tun und ob
    man Autorität zeigt.
    Ich denke, dass die Verbände
    in Zusammenarbeit mit den Ver




  • in Zusammenarbeit mit den Ver




  • in Zusammenarbeit mit den Ver
    einen in der Pflicht sind, auch die
    Schiedsrichter zu schützen. Denn in
    unseren Ligen ist das Pfeifen ein
    Hobby, mit dem wir kein großes
    Geld verdienen. Ich plädiere für
    drastischere
    Strafen.
    Spieler, die
    Schiedsrich-
    ter attackie-
    ren, müssten
    eben auch
    mal für meh-
    rere Jahre
    gesperrt
    oder für im-
    mer aus dem
    Verkehr gezo-
    gen werden.“




„Pfeifen ist


Hobby! Vereine


müssen uns


schützen!“


Florian Eib (28/Florian Eib (28/
Schiedsrichter
seit 2006, pfeift
in der Stadtliga
Leipzig): „Gene-
rell fühle ich mich
als Schiedsrichter
auf dem Rasen si-
cher, erlebe meist
einen respektvol-
len Umgang auf
den Leipziger Fuß-
ballplätzen. Den-
noch hatte auch
ich ein Negativ-
Erlebnis: Beim
Spiel in der B-Ju-
gend vor ein paar
Jahren wurde ich
von einem Spie-
ler angegriffen. Er
stieß mich
mit bei-
den Hän-
den weg.
Trotzdem
habe ich
nach dem
PlatzverPlatzverPlatzver--
weis das
Spiel da-
mals nicht
abgebro-
chen, ob-
wohl das
vielleicht
das stärke-
re Zeichen
gewe-
sen wäre.
Als Schi-
ri übe ich
zwar auf
dem Platz
ein Amt
aus, aber
bin trotz-
dem ein

Mensch.
Der Verein hat
den Spieler infol-
ge des Vorfalls
rausgeschmissen.
Später habe ich
ihn dann auf dem
Fußballplatz wie-
dergetroffen. Da
er sehr emotio-
nal war, drohte
auch in dem Spiel
die Stimmung bei
ihm zu kippen. Mit
viel Kommunikati-
on gelang es mir
aber, ihn runter-
zuholen und das
Spiel ohne Platz-
verweis zu Ende
zu bringen.“

„Als Schiri bin


ich trotzdem


ein Mensch“


Florian Eib ist
Schiedsrichter
seit seinem


  1. Lebensjahr
    Foto: THOMAS PURWIN


In dieser Saison pfiff
Rüdiger Schmidt drei
Spiele in der Kreis-
liga Saarbrücken
Foto: FotoSchlichter

Das gab‘s
noch nie:
Marco Ro-
se bekommt
von Schiri
Cortus Rot

Fotos

: KOLVENBACH/MIRAFOTO, SKY

Streik-Drohung nach dem
Pokal-Spektakel!
Jürgen Klopp (52) gewinnt
mit Liverpool 10:9 n.E. ge-
gen Arsenal. Nach regulä-
rer Spielzeit hatte es 5:5 (!)
gestanden.
Der Trainer droht jetzt, das
Viertelfinale gegen Aston
Villa (17./18.12.) zu boykottie-
ren – wegen zu vieler Spie-
le! 15 sind es für die Reds
bis Jahresende. Und: Zeit-
gleich steigt die Klub-WM
in Katar (Halbfinale 18.12.,
Finale 21.12.).
Klopp: „Wenn es da kei-
ne vernünftige Lösung gibt,
spielen wir nicht.“

Klopp droht mit


Pokal-Boykott

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