Handelsblatt - 01.11.2019

(Brent) #1
Thomas Hanke, Franz Hubik, Katharina Kort
Paris, München, New York

S


eine portugiesischen Vorfahren haben
im 15. Jahrhundert die internationalen
Seewege geöffnet und ein Weltreich ge-
schaffen. Carlos Tavares ist ebenfalls ehr-
geizig – wenn auch in einer anderen
Branche: Er strebt an die Spitze der globalen Liga
der Autobauer. Kommt der Zusammenschluss der
von ihm geführten Peugeot-Citroën-DS-Opel (PSA)-
Gruppe mit der italienisch-amerikanischen Fiat-
Chrysler (FCA) zustande, formt er den viertgrößten
Hersteller der Welt, gemessen am Autoabsatz. In
Europa läge das neue Unternehmen auf Rang zwei.
Seit Donnerstag ist klar: Verhandelt wird nur auf
dem Papier über einen Zusammenschluss unter
Gleichen. Die operative Führung soll uneinge-
schränkt Tavares ausüben, „anfangs für fünf Jah-
re“, wie es in einer gemeinsamen Erklärung formu-
liert ist. Eine so lange Frist ist in der Industrie sel-
ten. Und im elfköpfigen Verwaltungsrat können die
Franzosen sechs, FCA fünf Mitglieder benennen.
Fiat-Erbe John Elkann soll den Vorsitz haben, PSA
den Posten des Stellvertreters.
Auch die technologische Führung wird nach An-
sicht eines französischen Analysten bei PSA liegen:
„FCA hat bei emissionsarmen Autos nichts zu bie-
ten, in anderen Unternehmen streiten sich die In-
genieure, hier wird einfach die PSA-Technologie
zum Einsatz kommen“, sagt ein Experte, der na-
mentlich nicht genannt werden möchte. Sollten ir-
gendwann die amerikanischen Normen verschärft
werden, habe PSA die Expertise, um selbst die gro-
ßen SUVs und Pick-ups sauberer zu machen.
Bei den Anteilen soll auf dem Papier Gleichheit
herrschen: Sowohl die Aktionäre von FCA wie auch
die von PSA werden je 50 Prozent am neuen Unter-
nehmen halten. Angemeldet wird es auf neutralem
Terrain – in den Niederlanden. Künftig soll es drei
operative Zentren geben: in Paris, in den USA und
in Italien. FCA wird seinen Aktionären eine Sonder-
dividende in Höhe von 5,5 Milliarden Euro zahlen.

PSA hält 46 Prozent an Faurecia – diese Aktien wird
es seinen Anteilseignern übergeben.
Am Donnerstag legte die Aktie von Fiat-Chrysler
weiter kräftig zu, um rund acht Prozent. Die von
Peugeot S.A. dagegen stürzte um elf Prozent ab.
Dahinter mag stehen, dass vor allem FCA sich
glücklich schätzen darf, endlich bei einem solven-
ten Partner mit starker Technik unterschlüpfen zu
können, nachdem die beabsichtigte Allianz mit Re-
nault nicht zustande gekommen ist.
Bereits festgeschrieben ist, dass die Hauptaktio-
näre Exor, die Holding der Agnelli-Familie, die Fa-
milie Peugeot, Dongfeng und die französische
Staatsbank BPI ihre Anteile mindestens drei Jahre

lang halten müssen. Sieben Jahre lang sollen sich
die Relationen zwischen den Großaktionären nicht
verändern, wobei den Peugeots das Recht zuge-
standen wird, bis zu drei Prozent des Kapitals von
BPI oder Dongfeng zu erwerben. Das wäre eine Iro-
nie der Geschichte: Vor sechs Jahren konnte sich
die Familie nicht auf die Teilnahme an einer Kapi-
talerhöhung einigen, deshalb musste die damals
schwer angeschlagene PSA bei den Chinesen und
beim Staat anklopfen.
Der Börsenwert von PSA ist etwas höher, wohl
auch deshalb wird besonders berücksichtigt, dass
FCA eine starke Position nicht nur in den USA, son-
dern auch in Südamerika hat. Auch das Entwick-

Das

Weltreich

von Carlos I.

Peugeot-Citroën und Fiat-Chrysler wollen fusionieren.
Die Führung liegt klar bei den Franzosen.
In Deutschland geht die Sorge um, dass Opel zu
den Verlierern der Fusion zählen könnte.

Peugeot-Chef
Carlos Tavares:
Er will den
viertgrößten
Autohersteller
formen.

Serge Picard/Agence VU/laif


AFP


Es liegt noch
viel Arbeit
vor uns, bis
wir die Fusion
formalisiert
haben.

Mike Manley
Chef von Fiat-Chrysler

Unternehmen


& Märkte


(^16) WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211

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