lungspotenzial von Alfa Romeo und Maserati wird
mit einem nicht ausgewiesenen Wert berücksich-
tigt. Alfa wird gar als Premiummarke bezeichnet.
Dabei gehören die Werke von Alfa und Maserati
nach der Ansicht von Experten zu den Sorgenkin-
dern von FCA, während die beiden Einheiten, in
denen ein Renegade-Nachbau und der Fiat 500 so-
wie leichte Lieferwagen hergestellt werden, in den
vergangenen Jahren bereits saniert worden seien.
Mit der Fusion werde man zu einer „smarten
Konsolidierung der Branche“ beitragen, sagte der
FCA-CEO Mike Manley bei der Vorstellung der
Quartalszahlen am Donnerstag. „Es liegt noch viel
Arbeit vor uns, bis wir die Fusion formalisiert ha-
ben“, sagte der Fiat-Chrysler-Mann. Aber sie sei
sehr attraktiv. Ins Detail wollte er allerdings nicht
gehen.
In einer E-Mail an die Mitarbeiter hatte Manley
zuvor geschrieben: „Indem wir eine einzige Grup-
pe werden, sind wir dazu in der Lage, bedeuten-
den Wert zu schaffen, indem wie jährliche Syner-
gien von rund 3,7 Milliarden Euro heben durch ef-
fizientere Investitionen in Fahrzeug-Plattformen,
Antriebe, Technologien und eine stärkere Einkaufs-
macht.“ Diese Synergien basierten nicht auf Werks-
schließungen, betonte er. Das versichert auch PSA,
nennt allerdings Kosten der Synergien von 2,8 Mil-
liarden Euro – dahinter dürften Aufwendungen für
Personalabbau stecken.
Im dritten Quartal hat FCA wegen Abschreibun-
gen in Europa 179 Millionen Euro verloren. Ein Jahr
zuvor hatte Fiat-Chrysler noch einen Gewinn von
564 Millionen Euro geschrieben. Grund für den
Verlust waren unter anderem Abschreibungen auf
das Modellangebot bei Kleinwagen und bei Alfa Ro-
meo. Zudem fielen in Europa beim Luxusautobau-
er Maserati und in Asien operative Verluste an. Das
starke Nordamerikageschäft konnte die Probleme
in Europa diesmal nicht wettmachen. Es ist interes-
sant, dass viele Analysten gerade die Marken Alfa
Romeo und Maserati als ein potenzielles Pfund des
neuen Ensembles betrachten. Hier liegt wohl noch
viel Arbeit vor den Partnern.
Das starke Amerika-Geschäft ist das, was PSA inte-
ressiert. Dort sind die Italo-Amerikaner vor allem
mit den Marken Jeep, Ram und Dodge unterwegs. 19
Milliarden des gesamten FCA-Umsatzes von 27 Milli-
arden Dollar kamen im dritten Quartal aus den USA.
Dort konnte FCA das um Sondereffekte bereinigte
Ergebnis vor Zinsen und Steuern um fünf Prozent
auf 1,96 Milliarden Euro steigern. „Unsere starken
Resultate im dritten Quartal, die auf der rekordho-
hen Profitabilität in Nordamerika aufbauen, verset-
zen uns in die Position, unsere Prognosen zu erfül-
len“, sagte Fiat-Chrysler-Chef Mike Manley.
In Nordamerika hat sich FCA seit einigen Jahren
komplett auf die spritfressenden SUVs und Pick-ups
konzentriert, weil sich die anderen Pkws auf dem
Markt nicht mehr verkauften. Diese Autos sind zwar
deutlich margenträchtiger als die kleineren Modelle
in Europa. Aber sie haben mit den Emissionen zu
kämpfen. Weil die FCA-Flotte zu viel CO 2 ausstößt,
hat der Konzern zu einem Trick gegriffen: Er hat CO 2
-Zertifikate in dreistelliger Millionenhöhe von dem
E-Auto-Hersteller Tesla erworben. Die eigenen E-Au-
tos sind bisher noch Zukunftsmusik.
Was man angesichts der Begeisterung der Analys-
ten nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass noch
viele Details der Fusion zu verhandeln sind und dass
bei PSA der Staat ein Wörtchen mitzureden hat. Der
zeigt sich bislang zwar wesentlich kooperativer als
im Falle Renault: „Diese Operation würde den bei-
den Gruppen die notwendige Größe verschaffen,
um die notwendigen Investitionen für die Einspa-
rung von Energie, für elektrische Autos, neue Mobi-
litätsformen und autonomes Fahren zu verwirkli-
chen“, sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno
Le Maire und begrüßte ausdrücklich, dass Tavares
auch der CEO des neuen Unternehmens werden
soll. Doch er will am Ende die Sicherung von Ar-
beitsplätzen in Frankreich sehen.
Kampf um Opels Eigenständigkeit
Die deutsche Gewerkschaft IG Metall pocht darauf,
dass die Rüsselsheimer PSA-Tochter Opel auch künf-
tig weitgehend autonom agieren kann. „Die IG Me-
tall wird sich angesichts der Fusion weiterhin für die
Eigenständigkeit der Marke Opel und für die Identi-
tät von Opel einsetzen“, erklärte Jörg Köhlinger, Lei-
ter des IG-Metall-Bezirks Mitte. Der Arbeitnehmer-
vertreter betont die Bedeutung des Tarifvertrags,
den Opel und die Gewerkschaft 2018 abgeschlossen
haben. Dieser sieht vor, dass die deutschen Opel-Be-
schäftigten bis Juli 2023 vor betriebsbedingten Kün-
digungen geschützt sind.
„An den jetzt umlaufenden Spekulationen über
mögliche negative Folgen einer Fusion von Fiat-
Chrysler und PSA für die Opel-Standorte beteiligen
wir uns nicht, sie sind kontraproduktiv und schäd-
lich“, sagte Köhlinger. Auch die französischen Ge-
werkschaften halten sich mit Kritik zurück, wollen
das Projekt erst in den Details kennen.
Bei Opel ist die Sorge vor weiteren Einschnitten al-
lerdings groß. „Unsere Ansprüche werden zuallerletzt
zur Geltung kommen“, fürchtet eine Führungskraft.
Überschneidungen und damit Einsparpotenzial gibt
es etwa in der Entwicklung. Allein PSA betreibt neun
Forschungsstandorte weltweit, wobei die Opel-Ein-
richtung ITEZ in Rüsselsheim der größte Standort mit
mehr als 4 500 Beschäftigten ist. FCA unterhält sogar
46 Entwicklungszentren rund um den Globus. Zu-
sammen kommen die Autokonzerne auf fast 37 000
Ingenieure. Wirklich Kosten sparen kann der neue
Autogigant allerdings nur, wenn er die Komplexität
bei Fahrzeugplattformen, Elektronikarchitekturen
und Motorenfamilien drastisch reduziert.
Vereinfachen heißt geringerer Arbeitsumfang und
damit auch weniger Personalbedarf. Dass Kostenkil-
ler Tavares beim Sparen im Zweifel dort ansetzt, wo
die Kosten am höchsten sind, weiß jeder bei Opel.
Angesichts des deutschen Lohnniveaus hat die Mar-
ke mit dem Blitz intern wohl nicht gerade die besten
Karten. Die Politik ist alarmiert. „Die Zukunftsfähig-
keit von Opel muss gesichert sein“, forderten der
hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU)
und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Eine Fusion
von PSA und FCA dürfe nicht zulasten der deut-
schen Opel-Standorte in Rüsselsheim, Kaiserslau-
tern, Eisenach und Bochum gehen. Opel will sich
auf Anfrage nicht zur FCA-Thematik äußern.
„Reset“ im Entwicklungszentrum
Sorge um das
Herz von Opel
A
m 16. Oktober trommelte Opel-Entwick-
lungschef Christian Müller seine Füh-
rungskräfte zu einem Managementmee-
ting in Rüsselsheim zusammen. Der Co-Geschäfts-
führer der Marke kam in seiner Präsentation
schnell zur Sache. Nach dem obligatorischen
Deckblatt bekam die versammelte Direktoren- und
Abteilungsleiterriege einen roten Button zu sehen,
darüber konnten sie in dicken weißen Lettern „Re-
set“ lesen. Die unmissverständliche Botschaft: Das
Internationale Technische Entwicklungszentrum
(ITEZ) in Rüsselsheim braucht einen Neustart.
Das Herzstück von Opel wird einige Wochen
nach der Auslagerung von Hunderten Mitarbei-
tern an den französischen Dienstleister Segula re-
organisiert. Die etwa 4 500 Ingenieure, die künftig
noch an allen technologischen Raffinessen tüfteln,
die ein Fahrzeug mit Blitzlogo auszeichnen, müs-
sen sich an eine neue Organisationsstruktur ge-
wöhnen. Denn im Mehrmarkenreich des französi-
schen Autobauers PSA, zu dem Opel samt dem
britischen Ableger Vauxhall seit Sommer 2017 ge-
hört, soll es künftig weltweit nur noch ein Team
für Forschung und Entwicklung geben.
Zwischen Peugeot, Citroën, DS und Opel sowie
Vauxhall gebe es „keine Trennung“ mehr. „We are
the Groupe PSA‘s R&D“, heißt es in der 29-seitigen
Präsentation von Müller, die dem Handelsblatt
vorliegt. In dem zusammengewürfelten Gebilde
soll es pro Fachbereich einen „global Manager“
geben, also einen Verantwortlichen, mit dem sich
die Abteilungsleiter aus den einzelnen Entwick-
lungsstandorten über Projekte und die jährliche
Arbeitsauslastung abstimmen müssen.
Opel-Engineeringleiter Müller schwärmt zwar
davon, welch große Autonomie das ITEZ künftig
haben werde, faktisch zurrt PSA über die neue
Struktur allerdings die Rüsselsheimer Entwick-
lungsmannschaft immer enger an das Hauptquar-
tier in Rueil-Malmaison nahe Paris. Im ITEZ geht
nun die Sorge um, es könnte früher oder später
abermals ein Stellenabbau anstehen.
Nachhaltig wettbewerbsfähig
Gerade im Pkw-Bereich gebe es in Rüsselsheim
nur noch eine „sehr eingeschränkte Entwick-
lungsaktivität“, sagt eine Führungskraft. Die Opel-
Ingenieure sind meist lediglich für das sogenannte
„Reskin“ verantwortlich. Das heißt: Die Fahrzeug-
plattform und in der Regel das erste Modell da-
rauf („Launcher“) kommt von PSA. Das zweite
Modell ist dann eine Anpassung des ersten. So
teilt sich der elektrische Peugeot 208 bereits viel
Technik mit dem E-Corsa von Opel.
Das ITEZ hat zwar im PSA-Konzern die Gesamt-
verantwortung für die leichten Nutzfahrzeuge be-
kommen, entwickelt alle Opel-Modelle, eine Mo-
torenfamilie und betreibt 15 Kompetenzzentren,
doch viele Mitarbeiter fürchten, für sie bleibt am
Ende dennoch zu wenig Arbeit. „Die vorgelegten
Pläne werden nicht für eine Auslastung des ITEZ
in der bestehenden Größe ausreichen“, heißt es
in Unternehmenskreisen. Ein Firmensprecher wi-
derspricht: „Wir haben das Rüsselsheimer Ent-
wicklungszentrum nachhaltig wettbewerbsfähig
aufgestellt und lasten es mit den umfangreichen
Aufgaben für Opel sowie die gesamte Groupe PSA
umfassend aus.“ Zudem seien alle Beschäftigten
bis 2023 gegen Kündigungen geschützt.
Klar ist: Die avisierte Fusion von PSA und FCA
würde den Druck auf das ITEZ erhöhen. Schließ-
lich hat PSA schon heute fast 19 000 Entwickler in
seinen Reihen, von FCA kämen 18 000 hinzu. Der
Entwicklungsaufwand dürfte aber nicht im selben
Umfang steigen. „Zwei und zwei ist bei einem
Merger nicht vier, sondern vielleicht zweiein-
halb“, heißt es in Opel-Konzernkreisen. Gilt es,
Doppelstrukturen abzubauen, könnte schnell das
ITEZ in den Fokus geraten. Es ist schließlich der
größte PSA-Entwicklungsstandort. Franz Hubik
2018
Fiat Chrysler
Kennzahlen 3. Quartal
HANDELSBLATT *Angepasst • Quelle: Unternehmen
2019
-1,1 %
-8,4 %
+4,6 %
Umsatz in Mrd. Euro
1 872 1 959
27,6 27,
Ebit* in Mio. Euro
1,
1,
Absatz in Millionen Fahrzeugen
imago images/IP3press
Diese
Operation
würde beiden
Gruppendie
notwendige
Größe
verschaffen.
Bruno Le Maire
französischer
Wirtschaftsminister
Unternehmen & Märkte
WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211^17