Handelsblatt - 01.11.2019

(Brent) #1

Axel Postinett San Francisco


A


m Mittwoch standen
viele Apple-Fans wieder
Schlange und warteten
geduldig auf die Öffnung
der Geschäfte. Die Be-
geisterung galt jedoch nicht – wie in
der Vergangenheit so häufig – den
neuen iPhone-Modellen, sondern den
kabellosen Kopfhörern Airpods Pro,
die über eine Geräuschunterdrückung
verfügen und den Klang individuell
anpassen.
Bei Apple dreht sich nicht mehr al-
les ums iPhone: Diese Neuorientie-
rung zeigt sich nicht nur an den
Schlangen vor den Läden, sondern
auch den Zahlen fürs abgeschlossene
Geschäftsjahr. Vorstandschef Tim
Cook konnte am Mittwoch endlich
wieder Wachstum verkünden, weil
Produkte wie die Apple Watch und die
Kopfhörer Airpods sowie die verschie-
denen Serviceangebote den Rückgang
beim iPhone überkompensiert hatten.
Der Umsatz von 64 Milliarden Dol-
lar im abgelaufenen Quartal von An-
fang Juli bis Ende September übertraf
mit einem Plus von zwei Prozent zum
Vorjahreszeitraum die Erwartungen
der Analysten. Der Nettogewinn ging
von 14,1 auf 13,7 Milliarden Dollar zu-
rück, was die Analysten aber prognos-
tiziert hatten: Das margenstarke Ge-
schäft mit dem iPhone schrumpfte im
Jahresvergleich von 37,2 auf 33,4 Milli-
arden Dollar.
Auf Jahressicht steht Apple zwar
schlechter da. Dennoch beweist Cook
mit dem aktuellen Ergebnis und der
optimistischen Prognose, dass seine
neue Strategie funktioniert: mit der
bestehenden Kundschaft, die größer
ist als je zuvor, mehr Geschäft zu ma-
chen. Das Quartalsergebnis zeige die
„Stärke von Apple, mit der Einfüh-
rung von neuen Produkten und
Diensten jenseits von iPhone, Mac
oder iPad die bestehenden Kunden
dazu zu bewegen, mehr Geld auszuge-
ben“, kommentierte Francisco Jeroni-
mo, Analyst beim Marktforscher IDC.
Da ist zum Beispiel die Kategorie, in
der Apple Produkte wie die Apple
Watch, Kopfhörer, den Lautsprecher
Homepod und weitere Produkte zu-
sammenfasst: Der Umsatz stieg im
vierten Quartal um 54 Prozent auf 6,
Milliarden Dollar an. Mit der Compu-
teruhr gewann der Konzern zahlrei-
che neue Kunden, drei von vier Käu-
fern hatten zuvor kein Modell mit
dem Apfellogo, wie Finanzchef Luca
Maestri erklärte – der Markt sei längst
noch nicht gesättigt.
Auch die eigenen Dienste boomen:
Der Bereich, in dem Apple zum Bei-
spiel die neue Kreditkarte, den App
Store und Apple Music zusammen-
fasst, wuchs um 18 Prozent auf 12,
Milliarden Dollar. 450 Millionen be-
zahlte Abos zählt der Konzern inzwi-

schen, die Marke von 500 Millionen
will er 2020 überschreiten – auch
dank neuer Angebote wie dem Spiele-
dienst Arcade, das seit einigen Wo-
chen verfügbar ist, und dem Strea-
mingangebot Apple TV+, das Anfang
November an den Start geht.
Cook hofft auf einen schnellen
Durchbruch im Kampf gegen den
Marktführer Netflix und Herausforde-
rer wie Amazon, Walt Disney und
AT&T, das jüngst HBO Max angekün-
digt hat. Die Frage ist allerdings, wie
viel seiner 205,9 Milliarden Dollar Bar-
reserven Tim Cook in den Markt pum-
pen wird, auf dem auch die Konkur-
renz viel ausgibt. Neben Produktions-
deals für Serien und Filme glauben
einige Analysten an große Investitio-
nen, zum Beispiel den Kauf eines Hol-
lywood-Studios.
Trotz Handelskrieg und schwä-
chelnder Wirtschaft sackte der Um-
satz in China nur leicht von 11,4 auf 11,
Milliarden Dollar ab. Das Management
bestätigte gegenüber Analysten geziel-
te Preisnachlässe, damit chinesische
Verbraucher sich die vielen Apple-Pro-
dukte wieder leisten können. Sie lei-
den unter dem Verfall der Heimat-
währung gegen den Dollar.
Vorstandschef Cook legt Wert da-
rauf, dass Apple im Quartal 21,5 Milliar-
den Dollar „an die Aktionäre zurückge-
geben hat“. 3,5 Milliarden Dollar in
Form einer vergleichsweise kleinen Di-
vidende und 18 Milliarden Dollar in
Form von umfangreichen Aktienrück-
käufen. Dadurch sinkt die Zahl der ver-
fügbaren Aktien, und bei der bei Ana-
lysten beliebten Kennzahl „Gewinn pro
Aktie“ steht sogar ein Plus von 2,91 auf
3,05 Dollar. Im laufenden Quartal wird
dieses Ziel erneut leichter zu erreichen
sein, die Rückkäufe gehen weiter.

Optimistischer Ausblick
Optimistische Vorhersagen für das
laufende Weihnachtsquartal stützen
sich auf einen laut Tim Cook „vielver-
sprechenden“ Verkaufsstart der aktu-
ellen iPhone-Generation, einen prog-
nostizierten weiteren starken Anstieg
bei den Services und ein allgemein gu-
tes Weihnachtsgeschäft bei iPads,
Macbooks und Co. Erwartet wird ein
Konzernumsatz zwischen 85,5 und
89,5 Milliarden Dollar. Ein Übertreffen
des Quartalsumsatzes von Weihnach-
ten 2017 von 88,3 Milliarden Dollar,
der bisherige Rekord, wäre damit in
Reichweite.
Apple kann auf die Macht der beste-
henden und neuen Kundenbeziehun-
gen setzen. Zum Beispiel wird den Be-
sitzern der neuen Kreditkarte mit
dem Apple-Logo jetzt eine Null-Zins-
Finanzierung fürs iPhone angeboten
werden. Das Gerät erhält bei Ausliefe-
rung zudem ein zunächst kostenfreies
Abo für Apple-TV+. Man könnte auch
sagen: Bei Apple wird selbst die Hard-
ware zu einem Abo.

Elektronikbranche


Apple findet neue


Hoffnungsträger


Der Elektronikhersteller wandelt sich: Die Abhängigkeit
vom iPhone sinkt, Zubehör und Dienstleistungen werden
wichtiger. Die Transformation ist im vollen Gange.

Apple in Zahlen
Umsatz
in Mrd. US-Dollar
265,6 260,

HANDELSBLATT


2018


-2,0 %


2019
*Wearables, Home, Accessories; Geschäftsjahr zum 28.9.; PP = Prozentpunkte • Quellen: Unternehmen, Bloomberg

Nettoergebnis
in Mrd. US-Dollar

Umsatz nach Segmenten
in Mrd. US-Dollar

Anteil am Gesamtumsatz 2019
(Veränderung zu 2018)

59,5 55,


2018


-7,1 %


2019


142,


164,


39,746,
25,225,7 17,424,5 18,421,

iPhone Services Mac Sonstiges* iPad


2018 2019


260,
Mrd. US$
2019

54,7 % (-7,4 PP)
iPhone

17,8 % (+2,8 PP)
Services

8,2 %
(+1,3 PP)
iPad

9,4 %
(+2,9 PP)
Sonstiges*

9,9 %
(+0,4 PP)
Mac

Aktienkurs in US-Dollar


243,26 US$


31.10.2018 30 .10.


260


220


180


1


100


Die neue
Apple
Watch: Es
dreht sich
nicht mehr
alles um die
iPhones.

18 Unternehmen & Märkte WOCHENENDE 1./2./3. NOVEMBER 2019, NR. 211

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