TITEL
Das Comeback einer Weltstadt:
Wie es weitergeht, lesen Sie hier
Fotos:
Markus C. Hurek für FOCUS-Magazin, dpa, ddp images
138 FOCUS 46/2019
Februar 2010
Helene Hegemanns
Debütroman „Axolotl
Roadkill“ erobert die
Bestseller-Listen.
Themen: Berlin,
Jugend, Drogen
- März 2010
Vier Gangster aus dem
Umfeld einer arabi-
schen Großfamilie
überfallen ein
Pokerturnier im Hotel
„Grand Hyatt Berlin“
Januar 2009
Für den Dreh von
Quentin Tarantinos
„Inglourious
Basterds“ ziehen Brad
Pitt und Angelina Jolie
ins „Ritz-Carlton“ ein
- Oktober 2008
Schließung des
Flughafens Tempelhof.
Seit 2010 ist
das Gelände für
die Öffentlichkeit
zugänglich - Oktober 2008
„Berlin Calling“ mit
Paul Kalkbrenner
kommt in die Kinos. Der
Film handelt von
der Berliner
Techno-Szene
Oktober 2008
Die Samwer-Brüder
gründen den Online-
Shop für Schuhe,
Zalando. Börsenwert
heute: fast 10 Mil-
liarden Euro
- September 2008
Metallica spielen
das erste Konzert in
der O2 World.
Seit 2015 heißt der
umstrittene Bau
Mercedes-Benz Arena
300 000 industrielle Arbeitsplätze ver -
loren, wir hatten teilweise 19 Prozent
Arbeitslosigkeit in der Stadt. Und in den
öffentlichen Kassen herrschte Ebbe, die
Stadt war ja ziemlich pleite. Mit diesem
ökonomischen Schock kamen die Leu -
te lange Zeit nicht zurecht, zumal es
in Ost wie West eine lange gepflegte
Subventionsmentalität gab. Wir muss-
ten dann in der Folge wirklich spa-
ren, bis es quietscht. Die notwendige
Konsolidierung ging eben nicht mehr
geräuschlos.
Steffi-Lotta: Am Ostbahnhof war damals
nichts, als wir 2003 die „Bar25“ aufge-
macht haben. Nur wir, die Wasserwerke
und Vattenfall. Auf dem Bar-Gelände
stand nicht mal ein Strauch, so wie in
diesen Western-Streifen, wo das Tumble-
weed über den kargen Boden fegt.
Frank Künster: In der „Bar25“ wollten
die Besitzer ihren alternativen Lebens-
stil manifestieren. Man konnte dort 60
Stunden am Stück verbringen. Nach
der Schließung machten die Leute auf
der anderen Spreeseite das „Kater Hol-
zig“ auf. Der Laden war dann allerdings
schon professionalisiert, die ganze Club-
Kultur ist viel professioneller geworden.
Steffi-Lotta: Die „Bar25“ hat Berlin ver -
ändert, weil es einigen so ging wie mir:
Sie hat Leute zum Bleiben animiert, zum
Businessmachen, ob mit Musik, einem
Club, einem Label, einer Agentur. Und
ob das so gut war? Es liegt nicht an mir,
das zu beurteilen. DJ ist jetzt ein Beruf,
und Club-Betreiber sind Unternehmer.
Und wir Feiernasen sind Stadtentwickler
in einer Stadt, die sich zum Schlech-
ten entwickeln will, weil der Durch-
schnitt und das schnelle Geld regieren.
Auf jeden Fall hat die „Bar25“ etwas
damit zu tun, was Berlin ausgemacht
hat. Wenn Menschen über die „Bar25“
sprechen, leuchten bei den meisten die
Augen, und es erwachen die Kinder in
ihnen. Das ist ganz toll.
Andreas Murkudis: 2003 kam die Mode-
messe Bread & Butter nach Berlin, und
die Modemesse Premium fand am Pots -
damer Platz in einem U-Bahnschacht
statt. Das war richtig cool. Die Modejour-
nalistin Suzy Menkes schaute vorbei und
die wichtigsten japanischen Einkäufer.
Es gab riesige Fashion-Spektakel von
Boss und Joop. Die Hotels waren voll,
die Restaurants ebenfalls. Alle wollten
schauen, was es hier Neues gibt. Und es
gab auch tolle junge Labels. Das Prob -
lem war nur: In Berlin und Umgebung
wird ja nicht genäht und produziert, und
die Stadt hat die jungen Designer nie
unterstützt. Für den Senat war das alles
ein Unterhaltungsprogramm, kein ernst
zu nehmender Wirtschaftszweig.
Klaus Wowereit: Inzwischen ist Berlin
eine Boom-Metropole, die jedes Jahr um
40 000 Menschen wächst. Heute sind wir
zum Glück nicht mehr arm, aber immer
noch sexy. Berlin ist wieder als Weltstadt
auferstanden – und zwar als charmante
Weltstadt, in der man sich verwirklichen
kann, in der es noch offene Türen gibt,
weil die Gesellschaft wegen des ständi-
gen Wandels nicht erstarrt ist und auch
gar keine Chance zu Abschottung und
Dünkel hat.
Lars Windhorst, 42,
offiziell Wunderkind
Helmut Kohls,
dann Pleitier,
heute wieder
erfolgreich als
Investor u. a. bei
Hertha BSC
Lars Windhorst: Auf dem Weg zur Metro-
pole gab es mehrere Wellen. Eine war zum
Beispiel die Verlegung des Regierungs-
sitzes und nachfolgend die Ansiedlung
der Bundesministerien, der Botschaften
und Verbände. Das war im Jahr 2000
noch nicht komplett abgeschlossen. Dann
kamen die jungen Kreativen, das internati-
onale Publikum. Die haben auf einmal die
Stadt entdeckt für ihre Unternehmen, für
Start-ups und Neugründungen.
Christoph Fisser, 59,
Produzent und
Chef des Film-
studios
Babelsberg, holt
seit 2004 zuver-
lässig Hollywood
an die Spree
Christoph Fisser: Wir haben das Studio
Babelsberg 2004 übernommen und gleich
im ersten Jahr ein Plus von 2,5 Millionen
erwirtschaftet, was an den US-Produktio-
nen „Aeon Flux“ und „V for Vendetta“ lag.
2007 war dann mit dem neu eingerichte-
ten Deutschen Filmförderfonds (DFFF) das
erste starke Jahr mit den Produktionen
„The International“, „Operation Walküre“,
„Der Vorleser“, „Speed Racer“ und „Tage
des Zorns“.
Stephan Landwehr: Das Geld, um den
„Grill“ aufzumachen, musste ich besor-
gen. Also verscheuerte ich einen Peter
Doig. Für eine glatte Million – und die
haben wir dann auch komplett in
Samwer-Brüder
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zeigt evtl. Pro-
bleme beim
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Privatsphäre
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