Focus - 09.11.19

(singke) #1
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➝ LEBEN


des Angebots, und am Ende wird weniger gebaut, und
die Mieten sinken nicht.
Da helfen auch die historisch niedrigen Zinsen nichts?
In solchen Zeiten steigen, das ist quasi ein Gesetz der
Ökonomie, die Grundstückspreise. Gleichzeitig wird das
Bauen an sich immer teurer. Das frisst den Zinseffekt.
Zudem erleben wir seit 2015 eine Interventionsspirale
bei der Mietpreisbremse: Auf Schlupflöcher
folgt eine Verschärfung der Sanktion und so
weiter. Man darf, bei aller berechtigter Kritik
nicht vergessen: Ein privater Investor baut nicht
ohne Aussicht auf Gewinn. Ich kenne Fälle, in
denen Bauvorhaben aus Unsicherheit kurzfris-
tig umgewandelt wurden. Der Bereich der Ser-
viced Apartments etwa wächst auch deswegen
gerade sprunghaft.
Sie meinen, einfach gesagt, aus geplanten
Wohnungen sind Hotelzimmer geworden?
Unter anderem. Die Hotelbranche ist nicht
reguliert und unterliegt den normalen Markt-
mechanismen, unter anderem dem Schweine-
zyklus-Effekt.
Wie bitte?
Wenn die Übernachtungspreise aufgrund von
Nachfrage steigen, wird schnell überproportional
investiert. Bedeutet, es gibt rasch ein Überange-
bot, und die Preise fallen wieder. Wir sind gerade
in einer solchen Investitionsphase, auch weil,
wie gesagt, viel Geld aus dem Wohnungsbau
zufließt. Da ist gerade richtig Druck im Kessel.
Massive Investitionen könnten also den
Knoten im Wohnungsbau lösen?
In den kommunalen Wohnungsbau durch die
öffentliche Hand, könnten helfen, ja. Das kostet
aber viel Geld. Die Mietpreisbremse oder ein
Mietendeckel kostet zunächst nichts. Wo ein
solcher Deckel aber hinführen kann, lässt sich

„Am Ende wird


weniger gebaut“


Kann eine Mietpreisbremse den
Immobilienmarkt entspannen?
Max Schlereth, Wirtschafts-
professor, Bauunternehmer und
Hotelier, sagt: Nein. Er hält
sie gar für ziemlich gefährlich

E


igentlich wollte Max Schlereth nach dem Stu-
dium der Betriebswirtschaftslehre und der fol-
genden Promotion erst mal in der universitären
Forschung bleiben. 1999 überzeugte ihn sein
Vater aber doch, ins Familienunternehmen ein-
zutreten, die Deutsche Realbesitz AG, kurz: Derag, einen
der größten Bauträger Deutschlands. Heute ist Schlereth
Chef der zugehörigen Derag Livinghotels, lehrt unter
anderem Innovationsmanagement an der Fachhochschule
St. Pölten in Österreich und ist Mitglied im Salzburg Glo-
bal Seminar, einem ausgesuchten Zirkel von Denkern und
Lenkern, der sich dem eigenen Selbstverständnis nach um
Probleme von weltweiter Bedeutung kümmert.

Herr Schlereth, steht das Thema „Wohnungsnot“
auf der Agenda des Salzburg Global Seminar?
Bislang noch nicht, um ehrlich zu sein. Wir diskutieren
allerdings intensiv über die Stadtentwicklung im Kontext
von Energie und Klima und setzen dort auch viel um.
Wer die Stadt neu denkt, der kann auch gleich bezahlbaren
Wohnraum einplanen, oder?
Da könnte man ansetzen, ja. Wenn es nur so einfach wäre.
Mehr bauen und zwar Wohnungen, nicht Büros oder
Hotels, wäre doch ein Schritt in die richtige Richtung.
Was macht es so schwierig?
Die Mietpreisbremse zum Beispiel.
Die Politik verspricht sich davon aber sehr viel.
Sie ist aus meiner Sicht – jetzt spricht der Hochschul-
professor in mir – Teil des Problems. Politisch ist sie ein
Instrument, das zum Schein schnell Ergebnisse liefert.
Eine Preisobergrenze führt aber immer zu Verknappung

Interview: Patrick Morda

FOCUS READY+ Special/2019
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