Focus - 09.11.19

(singke) #1
Foto: Thorsten Jochim

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im Geschichtsbuch nachlesen oder am Beispiel
von Genf von heute anschauen.
Was passiert in Genf?
Verkürzt gesagt: Dort wird seit Jahren der
Mietpreis rigoros gedeckelt. Gleichzeitig
schreit die Bausubstanz nach Sanierung. Die
passiert aber nicht, weil die Kosten dafür nicht
wieder auf die Miete umgelegt werden kön-
nen – denn die darf ja nicht steigen.
Also sind die Luxussanierungen, über die bei uns
hitzig und viel diskutiert wird, eine Art Flucht?
Das kann man sicherlich nicht pauschal
beantworten, aber ja, zumindest kann der
Investor solche Kosten oder die für eine ener-
getische Sanierung zum Teil umlegen. Aber
ob das in Zukunft noch so sein wird, vermag
ich nicht zu sagen.
Das trifft ja auch die, die ihre
private Altersvorsorge in einer Immobilie
sehen – raten Sie vom Kauf ab?
Es kommt darauf an, mit welcher Intention
man kauft. Wer eine Wohnung oder Haus lan-
ge halten will zur Selbstnutzung, für den mag

das funktionieren. Als Kapitalanlage würde ich – aber das
ist nur meine persönliche Meinung – aktuell warten. Es ist
nicht auszuschließen, dass wir gerade in München bald
eine Gegenbewegung bei den Immobilienpreisen sehen
werden. Die Rezession, wenn sie kommt, kann zudem unter
anderem ein restriktiveres Bankengeschäft hervorbringen.
Das wäre dann ein sich selbst verstärkender Effekt.
Sie beschreiben das Platzen einer Immobilienblase,
deren Existenz aber viele auch abstreiten?
Die neueste UBS-Studie dazu sieht München als die welt-
weit gefährdetste Stadt. Das ist ,wie gesagt, nur eine Hypo-
these, aber man kann Zeichen erkennen, wenn man will.
Wie sehen die aus?
Ich bekomme regelmäßig Objekte zum Kauf angebo-
ten. Seit einiger Zeit werden es immer mehr. Das ist für
mich ein Fingerzeig, wie gesund der Markt ist – und der
Markt ist nicht zwingend gesund. Viele scheinen jetzt
rauszuwollen.
Gewinnmitnahmen?
So würde man es an der Börse nennen. Aber, und das
ist die gute Nachricht, eine Delle, wenn es sie gibt, wird
nicht von Dauer sein. Auf lange Sicht, auch das zeigt die
Historie, ist der Immobilienmarkt sehr wertstabil.
Eine Frage noch an den Hotelier Max Schlereth: Wie be-
geistert man eigentlich Mitarbeiter, die selbst kaum noch
Wohnungen finden, sich um Hotelgäste zu kümmern?
Zum einen versuchen wir, durch Nachverdichtung in
unserem Wohnungsbestand auch unseren Mitarbeitern
Angebote machen zu können. Das ist im Sinne eines
Investors sicher kein hochlukratives Geschäft, aber
ich bin ja auch Arbeitgeber, Ökonom und vor allem
Mensch. Davon abgesehen, haben wir uns zum Ziel
gemacht, eine Unternehmenskultur zu leben, von der
man sehr gern ein Teil sein will. n

Max Schlereth, 47,
promoviert 1998 zum Thema
„Unternehmerisches Sein
zwischen Realismus und Kunst –
Ein philosophischer Versuch zur
Unternehmensführung“ und
lehrt seit 2007 an der
Fachhochschule St. Pölten (AT).
1999 steigt Schlereth in das
Familienunternehmen Deutsche
Realbesitz AG (Derag) ein und ist
seit 2016 Geschäftsführender
Mehrheitsgesellschafter der
Derag Livinghotels AG & Co. KG

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