Focus - 09.11.19

(singke) #1
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zum Stellplatz vorhanden, was vieles leichter macht.
„Grundsätzlich“, so der Experte, „kann jeder an der
E-Mobilität teilhaben.“ Gleichwohl ist die Nach-
frage noch äußerst gering, heißt es unter anderem
bei der Gewofag, mit 36 000 Wohnungen der größte
kommunale Wohnungsanbieter in München. Doch
bereitet man sich dort auf eine erwartete steigende
Nachfrage vor.
Wer neu baut oder kauft, so nicht nur die Emp-
fehlung des ZVEH, sollte E-Mobilität einplanen.
Nachrüsten kann nämlich auch rechtlich kom-
pliziert werden. Bisher gilt das Einrichten einer
Wallbox als eine bauliche Maßnahme und muss
einstimmig von einer möglichen Eigentümerge-
meinschaft bewilligt werden. Wer zur Miete wohnt,
braucht die Erlaubnis des Vermieters. Eine Reform
des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) ist schon
lange im Gespräch und nun im Rahmen der 2030er-
Pläne der Regierung vorgesehen. Eine Vorlage mit
Änderungen im Sinne der E-Mobilität wird für Ende
des Jahres erwartet.
Das Angebot an Wallboxen ist dennoch vielfältiger,
als man vermuten möchte: Eine Anlage kann man
direkt beim Kauf eines E-Autos über den Autoher-
steller miterwerben oder mieten, auch Energiean-
bieter haben Angebote – meist gekoppelt mit ent-
sprechenden Stromtarifen. „Es gibt Wallboxen, die
sind intelligenter als andere. Das ist dann wichtig,
wenn man zum Beispiel seine Photovoltaik-Anlage
einbinden will“, sagt Habermehl. Oder wenn man
sie mit anderen E-Auto-Fahrern teilen möchte.
Ob nun der Run auf die Wallbox einsetzt, wird
sich zeigen. ADAC-Mitglieder profitieren jeden-
falls in Zukunft von einer kostenfreien Vor-Ort-
Beratung durch zertifizierte Fachbetriebe. Eine
populäre Sorge kann Andreas Habermehl allen Inte-
ressierten noch nehmen: „Leistungstechnisch sind
nach Aussage der Energieversorger keine Engpässe
im Stromnetz zu erwarten.“ n

Der Chef der Hubert Haupt Immobilien Holding über die Klimapläne
der Bundesregierung, Regensburger Eigentumswohnungen
und oberschenkeldicke Stromkabel


Herr Haupt, inwieweit
verändert die Mobilitäts-
wende Ihre Arbeit?
Individuelle Mobilität ver-
ändert den Immobilienmarkt
regelmäßig. Heute stellen
wir zum Beispiel fest, dass
Menschen zurück in die Stadt
ziehen, weil sie weniger pen-
deln wollen. Man hat von dem
Im-Grünen-Wohnen kaum
mehr etwas, weil die Wege
aufgrund des zunehmenden
Verkehrs zu lange dauern.
Das wird die Preise für
städtisches Wohnen sicher
nicht entspannen.
Das ist eine Entwicklung,
die im Moment leider nicht
aufzuhalten ist. Zudem ha-
ben Politik und Industrie mit
der aus meiner Sicht voreiligen
Festlegung auf batterie-
elektrische Mobilität einen
Rahmen aufgezogen, den es
jetzt auszufüllen gilt. Und
das in relativ kurzer Zeit.
Sie spielen auf die neuen
Klimaschutzpläne der
Bundesregierung an?
Nicht nur, aber ja. Dort heißt
es unter anderem, dass 2030
bis zu zehn Millionen Elektro-
autos in Deutschland unter-
wegs sein sollen. Wie soll das
funktionieren, wenn man nicht
die entsprechende Ladeinfra-
struktur bereitstellt?
Aber dort steht auch,
dass der Aufbau von öffent-
lichen Ladesäulen
forciert wird.
Das wird nicht reichen. Was
wir brauchen, sind Ladepunkte
am privaten Stellplatz. Und die
müssen jetzt geplant werden.
Warum die Eile?
Große Bauprojekte haben
einen Vorlauf von vier bis
fünf Jahren. Was heute ohne
Berücksichtigung von moder-
ner Mobilität entworfen wird,
ist Mitte dieses Jahrzehnts fer-
tig und muss Ende des Jahr-
zehnts etwas leisten, was es


vat oder im öffentlichen Raum,
wäre um ein Vielfaches teurer.
Von dem Genehmigungsauf-
wand und der herrschenden
Technologie-Unsicherheit ganz
zu schweigen.
Brauchen wir stabilere
Rahmenbedingungen für
das Bauen von Mobilität?
Wer ist da in der Pflicht?
Was ich mir wünsche, ist
eine Verschränkung von Immo-
bilienbranche, Mobilitätsin-
dustrie und Forschung. Ich bin

nicht kann. Das wird sich nicht
nur negativ auf den Wert der
Immobilie auswirken. Aber:
Auch meine Branche ist da
nicht konsequent genug.
Ist man zu satt?
In Zeiten des Booms muss
man nicht zwingend innova-
tiv sein. Und worüber wir hier
sprechen, ist eine Innovation.
Es gibt aber auch noch keine
gesetzlichen Vorgaben, Lade-
punkte für private Stellplätze
seitens der Projektentwickler
vorzuhalten. Zudem fehlt eine
Förderung, beziehungsweise
die Wege dorthin sind zu kom-
pliziert. Das Bauen ist in den
letzten Jahren ohnehin immer
aufwendiger, anspruchsvoller
und teurer geworden.
Also wird der private
Ladepunkt zum Zünglein
an der Waage?
Alles, was man heute baut,
sollte nachhaltigen Mehrwert
für den Nutzer mitbringen. Wir
haben für eines unserer Projek-
te, „Das Dörnberg“ in Regens-
burg, mit den dortigen Stadt-
werken eine Infrastruktur und
ein Energiemanagement ent-
wickelt. In die Häuser auf dem
Areal führen oberschenkeldicke
Stromkabel. Insgesamt entste-
hen 1300 Eigentumswohnun-
gen inklusive Stellplatz – jeder
kann für E-Mobilität vorbe-
reitet werden. Bisher haben
sich 98 Prozent unserer Käufer
dafür entschieden.
Man darf aber schon davon
ausgehen, dass Sie damit
Geld verdienen wollen?
Selbstverständlich. Wir
haben allein dafür eine Milli-
on Euro investiert. Auf eigenes
Risiko. Immerhin war vor fünf
Jahren noch nicht klar, dass das
Thema bei Politik und Öffent-
lichkeit Fuß fassen würde. Aber
im Vergleich zum Gesamtinvest
des Wohnungskäufers ist der
fällige Aufpreis überschaubar.
Später nachzurüsten, ob pri-

recht gut vernetzt, höre aber
immer wieder auch Wider-
sprüchliches darüber, wohin
wir in Sachen Mobilität steu-
ern. Wir entwickeln, wie gesagt,
mit einem Horizont von bis zu
sechs Jahren. Es braucht mehr
Austausch.
Wären Sie angesichts Ihres
Motorsporthintergrunds nicht
genau der Richtige, um diesen
Austausch voranzutreiben?
Vielleicht. Ich fürchte aber,
mir fehlt die Geduld.

Kann man Mobilität bauen,


Herr Haupt?



Millionen
Tonnen CO 2 -Emissionen muss
der Sektor „Verkehr“ nach
den Klimaplänen der
Bundesregierung bis 2030
mindestens einsparen

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