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Berlin, entfesselt Loveparade, Anfangs noch am Ku’damm, frühe Neunziger, der Beat der Liebe
- Juli 2006
Das Finale der
Fußball-WM findet
ohne den Gastgeber
im Olympiastadion
statt. Italien besiegt
Frankreich 5 : 3
- September 2006
Es ist der Spatenstich
eines Millionengrabs.
Die Bauarbeiten des
Flughafens BER
beginnen. Geplante
Inbetriebnahme: 2011
2006
Der Bassist der
US-Band Bloodhound
Gang Evil Jared zieht
aus Protest gegen
George W. Bush nach
Berlin
- Mai 2006
Berlin hat einen neuen
Hauptbahnhof.
Entworfen wurde der
Bau von Architekt
Meinhard von Gerkan
Februar 2006
Der Palast der
Republik weicht dem
Neubau des Berliner
Stadtschlosses und
wird abgerissen
- Oktober 2005
Robbie Williams
ist auf dem Höhepunkt
seiner Karriere.
Für knapp eine Woche
bezieht er den
gesamten elften Stock
des „Ritz-Carlton“
- Mai 2005
Das Holocaust-
Mahnmal wird südlich
des Brandenburger
Tors eröffnet. Im
ersten Jahr kommen
3,5 Millionen
Besucher
Norbert Bisky: Ich glaube, als Kunststadt
wurde Berlin von Christos Reichstags-
verhüllung wachgeküsst. Da trafen sich
Tausende am verhüllten Parlamentsge-
bäude, es war wochenlang ein echtes
Volksfest.
Rita Süssmuth, 82, Politi-
kerin, war von 1988 bis
1998 Bundestagspräsi-
dentin und ließ 1995
den Künstler Christo
den Reichstag verhüllen
Rita Süssmuth: Die Verhüllung des
Reichstags durch das Künstlerpaar hat
sicherlich die Sicht auf die Deutschen
verändert, denn dieses Kunstwerk wurde
weltweit wahrgenommen. Es war einma-
lig, dass ein Parlament diesen künstle-
rischen Schritt wagte, und ich bin froh,
dass ich damals als Bundestagspräsi-
dentin dafür gekämpft habe. Dahinter
steckten nicht nur künstlerische Erwä-
gungen, sondern auch politische Moti-
ve. Der Reichstag wird überwiegend mit
den Ereignissen des Nationalsozialis-
mus verbunden, zumal der Reichstag
unmittelbar nach der Machtergreifung
der Nationalsozialisten 1933 in Brand
gesetzt wurde.
Norbert Bisky: Später hat die erste Berlin-
Biennale die aktuelle, nicht kommerzielle
Kunst der Stadt in den Fokus gerückt.
Einer der wenigen Orte auf der Welt, wo
es völlig okay ist, Künstler zu sein.
Stephan Landwehr: Irgendwann kamen
dann die Briten mit dem DAAD – Hirst,
Tracey Emin, Chris Ofili, die Young Bri-
tish Artists eben. Die waren ständig hier
und haben Berlin echt geliebt.
Andreas Murkudis: Die Eröffnung der
Kunst-Werke war das Ereignis – und die
Auguststraße voller Menschen. Die Leu-
te, die bei Eigen + Art und Neugerriem-
schneider Kunst gekauft haben, wollten
dann auch Mode dazu. Hedi Slimane, der
in den KW wohnte, hat auch immer bei
mir eingekauft. Weil die Stadt so unfertig
war, kamen immer mehr Leute, denn die-
ses Unfertige gab es in Paris und London
nicht mehr.
Leyla Piedayesh: Berlin hat mir eine gute
Basis gegeben und viele Möglichkeiten,
mich zu entfalten. Schon allein dadurch,
dass ich den physischen Raum hier hat-
te. In anderen Großstädten, Modemet-
ropolen, wäre das nicht möglich gewe-
sen. Mitte war damals extrem angesagt,
und ich habe viele internationale Kunden
gewonnen, die dort unterwegs waren.
Cynthia Barcomi: Plötzlich zogen auch
viele Gastronomen nach Berlin-Mitte.
Es waren ausländische gastronomische
Konzepte, die Berlin interessant gemacht
haben. Die Deutschen brauchten drin-
gend Bildung, was zeitgenössische Ess-
kultur anging. Und da kam diese Art von
Restaurants, wenn sie unverfälschte,