„Die Lügen, die Sie verbreiten, haben sehr reale
und unglaublich gefährliche Auswirkungen“
Fotos:
Rick Friedman/Getty Images, Neil Rasmus/BFA.com, dpa, ddp images
52 FOCUS 46/2019
Lieber Mark Zuckerberg,
im Jahr 2010 habe ich das Drehbuch für
„The Social Network“ geschrieben, und
ich weiß, Ihnen wäre lieber, ich hätte das
nicht getan. Der Film sei ungenau, und
Hollywood habe nicht verstanden, dass
manche Menschen etwas nur um seiner
selbst willen aufbauen, protestierten Sie
(dabei verstehen wir das sehr gut – wir
machen es jeden Tag).
Gegen Ihren öffentlichen Vorwurf, der
Film sei eine Lüge, habe ich mich nicht
gewehrt, denn meine Position konnte ich
ja in den Kinos zeigen. Aber Sie wissen
genauso gut wie ich, dass das Drehbuch
dafür von einem Anwaltsteam des Film-
studios genauestens überprüft wurde,
mit einem einzigen Ziel: nicht von Mark
Zuckerberg verklagt zu werden.
Als ich jetzt Auszüge aus Ihrer aktuel-
len Rede an der Georgetown-Universität
gelesen habe, ist mir die Ironie natürlich
sofort aufgefallen. In der Rede haben Sie
- mit dem Argument der Meinungsfrei-
heit – die Praxis von Facebook verteidigt,
Anzeigen von Politikern mit belegbar
falschem Inhalt zu veröffentlichen. Ich
bewundere Ihren tiefen Glauben an freie
Meinungsäußerung – auch ich kann dem
ersten US-Verfassungszusatz viel abge-
winnen. Er ist eine Grundfeste unserer
Demokratie, die verteidigt werden muss.
Aber weder Sie noch ich können wol-
len, dass als Folge davon verrückte Lügen
verbreitet werden, die dazu führen, dass
unsere wichtigsten kollektiven Entschei-
dungen beeinflusst werden. Denn diese
Lügen haben sehr reale und unglaub-
lich gefährliche Auswirkungen auf unsere
Wahlen und unser Leben und das Leben
unserer Kinder.
Angriff auf die Wahrheit
Sagen Sie jetzt nicht Larry Flynt. Nicht
einmal Larry Flynt würde jetzt Larry Flynt
sagen. Es geht hier nicht um Pornogra-
fie, denn aus der beziehen die Men-
schen nicht Informationen. Im vergan-
genen Jahr sagten mehr als 40 Prozent
der Amerikaner, sie würden Nachrich-
ten bei Facebook lesen. Natürlich ließe
sich das Problem lösen, indem sich diese
Menschen andere Nachrichtenquellen
suchen; oder Sie könnten entscheiden,
Facebook zu einer zuverlässigen Infor-
mationsquelle für die Öffentlichkeit
umzuformen.
Facebook-Widersacher
Tyler und Cameron Winkle-
voss bezichtigten Zucker-
berg, die Idee zu Facebook
von ihnen gestohlen zu
haben. 2011 erhielten sie
eine Vergleichszahlung von
65 Millionen Dollar
Daten-Nerd
Zuckerberg in
Harvard, wo er
2004 Facebook mit-
gründete. Heute
hat das Netzwerk
2,4 Milliarden
monatliche Nutzer
Campus-Drama
Der Film „The Social Network“ mit Jesse
Eisenberg als Zuckerberg (l.) erzählt die
Gründungsgeschichte von Facebook
POLITIK