Focus - 09.11.19

(singke) #1
WIRTSCHAFT

W


enn Huawei-Gründer Ren
Zhengfei zum Gespräch
lädt, dann werden die
Gäste in eine überdi-
mensionale Säulenhalle
seiner Firmenzentrale
gebeten, die wie eine Hommage an das
alte Europa wirkt: An den Wänden hän-
gen Ölgemälde der Schlacht von Water-
loo und der Krönung Napoleons, das
goldverzierte Mobiliar ist viktorianisch,
die Statuen sind Repliken griechischer
Antiken. Einige Kilometer vom Haupt-
quartier in Shenzhen entfernt hat Ren
zudem europäische Stadtlandschaften
nachbauen lassen. Sie bilden den neuen
Forschungs- und Entwicklungs-Campus
für rund 25 000 Mitarbeiter.
Es ist, als hätte Chinas geheimnisvolls-
ter Firmenpatriarch noch mal schnell
Kulissen aufstellen lassen, um den Euro-
päern zu zeigen, wie wichtig sie ihm sind.
Europa sei Huaweis zweites Heim, ver-
sicherte er neulich treuherzig.
Nun sitzt der 75-Jährige am 6. Novem-
ber im lachsrosa Hemd und olivgrünen
Sakko auf einem seiner güldenen Stühle
und antwortet auf Journalistenfragen. Er
gibt sich tiefenentspannt und selbstbe-

wusst. „Es sind vor allem US-Firmen, die
vom Handelskrieg zwischen Washing-
ton und Peking getroffen werden, nicht
Huawei“, sagt er. „Die US-Regierung
kann machen, was immer sie für rich-
tig hält. Ich kann Ihnen jedenfalls ver-
sichern, dass wir auch ohne US-Techno-
logie weiter wachsen werden.“
Wenig später äußert sich Ren
in einer Podiumsdiskussion –
diesmal vor dem Hintergrund
einer Büchertapete – ganz
ähnlich. „Wir haben sehr gut
überlebt bisher. Aber wir wol-
len keine Gräben, wir wollen
weiter zusammenarbeiten mit
den USA.“
Für Ren ist dieser Mittwoch-
morgen ein wahrer Öffentlich-
keitsmarathon, wie es schon
die vergangenen Wochen wa-
ren. Dabei galt der frühere
Armee-Ingenieur bislang als
besonders verschlossen. Nur
der Gründungsmythos, die
Garagen-Story, wurde immer
wieder kolportiert: Mit einem
Startkapital von 5000 Dollar
habe er Huawei 1987 gegründet

und daraus über die Jahre den weltgröß-
ten Hersteller für Telekommunikations-
technik gebaut. Inzwischen ist das Unter-
nehmen auch eines der umstrittensten
der Welt. Es spielt eine entscheidende
Rolle im Kampf um die technologische
Führerschaft zwischen den USA und Chi-
na. Und Ren muss in die Offen-
sive gehen.
Denn die US-Regierung
warnt immer eindringlicher
davor, den Tech-Giganten aus
Fernost am Ausbau der neu-
en schnellen 5G-Mobilfunk-
netze zu beteiligen. Wegen
der undurchsichtigen Verbin-
dungen zur Kommunistischen
Partei und zu den Sicherheits-
kräften drohe die Gefahr der
Überwachung und Spionage.
Rens Befürchtung: Donald
Trumps Regierung könnte den
Druck auf die Verbündeten
der USA so sehr erhöhen, dass
sie Huawei den Marktzugang
in Europa und in Drittstaaten
versperrten. Die Entscheidung
über den 5G-Standard steht
in fast allen europäischen

Oberdiplomatin Bundeskanzlerin Angela Merkel
wollte Huawei vom 5G-Ausbau in Deutschland bislang
nicht explizit ausschließen

Chinas Rivale
Donald Trump
warnt die Euro-
päer vor Sicher-
heitsrisiken bei
der Zusammen-
arbeit mit Chinas
Tech-Riesen

Tor zur Spionage
Die britische Abhörstation
Bude in Cornwall. Die Amerika-
ner fürchten auch Nachteile für
die Geheimdienst-Allianz Five
Eyes, falls Großbritannien mit
Huawei kooperieren sollte

»Das Unternehmen ist nicht nur
eng mit China verbunden, sondern auch
mit der Kommunistischen Partei
Chinas. Und diese Verbindungen gefährden
amerikanische Informationen, die diese
Netzwerke durchqueren«

Mike Pompeo
US-Außenminister

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Soll Europa
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