Fotos:
dpa, Simon Norfolk /Ag. Focus
76 FOCUS 46/2019
D
as dreistöckige
rapsgelbe Büro-
haus leuchtet
wie ein Raum-
schiff, das mitten
in der schwäbi-
schen Provinz
gelandet ist. Ein Schild von
der Größe eines DIN-A4-
Blatts an der Eingangstür ver-
weist auf das Unternehmen
HyImpulse, das angetreten
ist, den Weltraum zu erobern.
Per PowerPoint präsentie-
ren Mario Kobald und Christi-
an Schmierer ihre Firmenvisi-
on. Mit einer kleinen Rakete
aus Carbon-Fasern, einem
sogenannten Mini-Laun-
cher, wollen sie vorstoßen ins
New-Space-Zeitalter. Das
rund 25 Meter lange Gefährt soll bis zu
500 Kilogramm Nutzlast ins All beför-
dern. Im Vergleich zur europäischen Trä-
gerrakete Ariane, die bis zu 16 Tonnen
auf einmal schultert, ist das nur ein
Klacks.
Großer Markt für Minisatelliten
Doch mit weniger Gewicht lässt sich im
All oft mehr erreichen. „Der Markt für
Weltraumtransporte verändert sich gera-
de, weg von großen, tonnenschweren
Satelliten hin zu Schwärmen aus Mini-
satelliten“, sagt Holger Burkhardt, Spe-
zialist für Trägersysteme am Deutschen
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Herkömmliche Großsatelliten kreisen
meist auf geostationären Laufbahnen
in 36 000 Kilometer Höhe um die Erde,
die Minis fliegen gerade einmal ein
paar Hundert Kilometer hoch. Ihre Sig-
nale gelangen daher viel schneller zur
Erde und wieder zurück. Das prädesti-
niert die Minisatelliten für Anwendungen
mit Echtzeitübertragung, wie autonomes
Fahren und das Internet der Dinge. Ama-
zon, Google und OneWeb bauen derzeit
jeweils eigene Schwärme aus mehreren
Hundert Satelliten auf. Das amerikani-
sche Unternehmen Planet beobachtet
bereits heute mit seiner Satellitenflotte
jeden Punkt der Erde und verkauft die
Daten unter anderem an Logistikunter-
nehmen, Umweltorganisationen – und
das Militär.
Burkhardt hat erstaunliche Zahlen
zusammengetragen: 2017 wogen bereits
73 Prozent der gestarteten Satelliten maxi-
mal 500 Kilogramm, 65 Prozent sogar nur
zwischen einem und zwölf Kilogramm.
Eine aktuelle Studie des Beratungsun-
ternehmens Euroconsult prognostiziert,
dass der Markt für Minisatelliten in der
kommenden Dekade weiter astronomisch
wächst. Bis 2028 sollen rund 7000 neue
Himmelskörper ins All starten – für Tele-
kommunikation, zur Erdbeobachtung
und für technologische Anwendungen.
Das wissen natürlich nicht nur die
Jungunternehmer von HyImpulse aus
Neuenstadt am Kocher nahe Heilbronn.
Etwa 15 Mitbewerber gebe es in Europa,
sagt Kobald. In Deutschland sind es zwei:
Isar Aerospace in Gilching bei München
und Rocket Factory Augsburg. Letzte-
re gehört zur Firmengruppe von OHB,
einem von Europas führen-
den Satellitenherstellern.
Jörn Spurmann, Program Ma-
nager bei Rocket Factory,
begründet die Entwicklung
einer eigenen Rakete so:
„Der Kleinsatellitenmarkt
erfährt ein enormes Wachs-
tum und damit auch deren
datenbasierte Anwendun-
gen. Wir wollen diese Ser-
vices ermöglichen und dazu
brauchen wir einen eigenen
Launcher.“
Für 2021 plant Rocket
Factory einen ersten Test-
flug. HyImpulse will schon
Ende kommenden Jahres
eine kleinere Version seines
Launchers abheben lassen.
Geplanter Startplatz für die
15 Meter lange Höhenforschungsrakete
ist der Weltraumbahnhof Esrange in den
Wäldern Nordschwedens. Mit diesem Ort
nahe der Bergbaustadt Kiruna verbinden
die Gründer beste Erfahrungen; von dort
starteten sie erfolgreich ihre allererste
Rakete im Rahmen ihrer Doktorarbeit an
der Uni Stuttgart.
Schwedische Forschungsinstitutionen
könnten auch die ersten zahlenden Kun-
den der Jungunternehmer sein. Im Ge-
gensatz zu den bisherigen Raketen der
Höhenforscher kann das Vehikel aus
Schwaben nicht explodieren. Es hat einen
Hybrid-Antrieb. „Das bedeutet nicht,
dass sie teils elektrisch fliegt“, erklärt
Kobald. Vielmehr kombiniert sie einen
Tank mit flüssigem Sauerstoff und einen
brennbaren Feststoff: Paraffin, ein Haupt-
bestandteil jeder Advents- und Geburts-
tagskerze. Ein Zünder startet die rasende
Kerze, der Flüssigtank liefert den nötigen
Sauerstoff zur Verbrennung. Die Hyb-
rid-Brennstoffe sind nicht nur sicherer als
herkömmliche Treibmittel wie flüssiger
Wasserstoff oder explosive Feststoffe, son-
dern auch weitaus günstiger herzustellen
und zu transportieren.
Raketenstarts an deutschen Küsten
Neben Schweden planen Großbritannien,
Portugal (auf den Azoren) und Italien ei-
gene Startrampen für Mini-Launcher.
Vor drei Wochen forderte der Bundesver-
band der Deutschen Industrie (BDI) sogar
einen deutschen Weltraumbahnhof. Denn
Raumfahrt sei für Deutschland und seine
Industrie im digitalen Zeitalter von zentra-
ler Bedeutung, begründete BDI-Präsident
Dieter Kempf. Mögliche Standorte könn-
ten Peenemünde (wo Wernher von Braun
für die Nazis die V2 entwickelte) und
Schwedischer Startplatz
Der Raumfahrtbahnhof Esrange liegt
nördlich des Polarkreises
Kosmische Disco-Kugel
Peter Beck, Chef der US-Firma Rocket Lab, startete
2018 den Satelliten Humanity-Star
WISSEN RAUMFAHRT
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