KULTUR FILM
M
anchen Schau-
spielern fällt die
Rolle ihres Lebens
schon ganz am
Anfang ihrer Kar-
riere zu. Das kann
Fluch sein oder
Segen, meist ist es beides zugleich. Wer
will nicht schon mit 12 oder 17 oder Anfang
20 ein Star sein und viel Geld verdienen
in dieser schwierigen Branche? Die He -
rausforderung beginnt dann, wenn die
letzte Folge der Serie, der letzte Film der
Saga abgedreht ist. Und
jeder Drehbuchautor, Pro-
duzent, Regisseur und
der Rest der Welt sieht im-
mer nur diese eine Figur,
wenn der Schauspieler
irgendwo auftaucht.
Daniel Radcliffe also
wird noch als grauhaari-
ger Großvater der Zauber-
lehrling Harry Potter sein
- wer kann schon einen
Film nennen, in dem er
mitspielte nach dem Sieg
über den fiesen Volde-
mort in „Die Heiligtümer
des Todes, Teil zwei“?
Robert Pattinson ist so
sehr der melancho lische
Vampir Edward Cullen,
dass man bei „Wasser
für die Elefanten“ stän-
dig darauf wartet, dass
er seinen Gegenspieler
Christoph Waltz einfach
totbeißt, statt sich auf
die Elefantenkuh Rosie und einen Nagel
zu verlassen.
„Harry Potter“ und „Twilight“ waren
und sind mehr als gigantisch große Film-
und Merchandising-Erfolge, sie sind Teil
des popkulturellen Welterbes. Jeder kennt
die Figuren, selbst wenn er die Filme nie
gesehen hat. Als Schauspieler damit zu
leben ist wohl nicht einfach, auch wenn
jemand wie Radcliffe mit einem geschätz-
ten Vermögen von rund 100 Millionen
Euro sowieso nie wieder arbeiten müsste.
Seit im Frühjahr nun die allerletzte Staf-
fel der wirklich unheimlich erfolgreichen
Fantasy-Serie „Game of Thrones“ lief,
steht auch Emilia Clarke alias Daenerys
Targaryen, Erste ihres Namens, Königin
der Drachenbucht, Königin der Andalen,
der Ersten Menschen, Regentin der Sie-
ben Königslande, Beschützerin des Rei-
ches, Mutter der Drachen, Sprengerin der
Ketten, Khaleesi und
Herrscherin des gro-
ßen Grasmeeres vor
der Frage: und nun?
Acht Jahre lang kämpfte sie um
den Eisernen Thron, Millionen sahen
ihr dabei zu. Clarke war 24, als sie in
der ersten Folge der ersten Staffel den
Dothraki-Fürsten Drogo heiratete, und
32, als sie – Achtung, Spoiler! – in den
Armen ihres Mörders Jon Schnee starb.
Zwischendrin spielte sie mal in einem
„Terminator“-Film mit, dann in einem
mäßig erfolgreichen Prequel der „Star
Wars“-Saga namens „Solo“ und in dem
herzerweichenden Drama „Ein ganzes
halbes Jahr“. Ihr ergeht es dennoch wie
Edward und Harry: Ständig wartet man
darauf, dass sie „Dracarys!“ ruft. „Ich ver-
misse Daenerys auch sehr“, sagt Emilia
Clarke selbst. „Sie hat mich erzogen.“
An diesem sonnigen Herbsttag sitzt sie
in einem Zimmer des „Soho House“. Die-
ses hippe Berliner Hotel buchen Filmfir-
men sehr gern für Interviewrunden, mit
denen ein neuer Film beworben werden
soll. In diesem Fall: „Last Christmas“, eine
romantische Komödie, bei der es, klar, um
Weihnachten geht.
Clarke spielt darin eine egozentrische
junge Frau, die in einem Laden für kit-
schige Weihnachtsartikel arbeitet und
zum Sound von Wham! entdeckt, dass
Geben nicht nur zur Weihnachtszeit seli-
ger ist als Nehmen und
die Liebe ebenso uner-
gründlich wie der Wille
des Herrn. Dazu Schnee-
flocken (wobei man sich
fragt, wann es in Lon-
don eigentlich zum letz-
ten Mal im Dezember
geschneit hat), ein biss-
chen Slapstick, Rassis-
muskritik und die zau-
berhafte Emma Thomp-
son als schwer erträgli-
che Mutter. Der Film wird
garantiert ein Erfolg.
Clarke trägt einen
schwarzen Lederrock
und ein knappes
Oberteil, ihre dun-
kelbraunen Haare
sind glatt geföhnt,
und sie sieht aus
wie die Drachen-
mutter, nur ohne
blonde Perücke.
Daniel Radcliffe hat
eine Zeit lang ver-
sucht, sein Alter Ego
in Alkohol zu erträn-
ken, Clarkes Strate-
gie ist die der schwesterlichen Umarmung.
„Ich habe Daenerys so viel zu verdanken“,
sagt sie, und seit ein paar Monaten weiß
man, dass sie damit nicht nur den gigan-
tischen „GoT“-Erfolg meint.
Die britische Schauspielerin erlitt 2011
und 2013 zwei lebensbedrohliche Hirn-
blutungen. Die Arbeit an der Serie war ihr
Grund, morgens aufzustehen und weiter-
zumachen, nicht zu verzweifeln. „Mei-
ne Eltern haben immer viel gearbeitet,
und ich bin auch ein sehr disziplinier-
ter Mensch. Ich will professionell sein,
und der Job musste gemacht werden. Ein
Schlaganfall in meinem Alter ist schon
sehr ungewöhnlich, und ich habe zwei
überlebt. Das Universum will offen- Fotos: ddp images
92 FOCUS 46/2019
Alle Jahre wieder ...
... schenkt uns irgendein Regisseur einen Weih-
nachtsfilm, in dem Wham! „Last Christmas“ singen.
Diesmal mit Emilia Clarke und Henry Golding
»
Ich habe zwei
Schlaganfälle über-
lebt. Das Universum
will etwas von mir
«
Emilia Clarke über ihre
lebensbedrohlichen Hirnblutungen
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Welcher Promi wird
das Eis beherrschen?
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