Die Welt Kompakt - 18.11.2019

(Tina Sui) #1

10 EURO FINANCE WEEK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,18.NOVEMBER


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Mit dem richtigen Timing ist das
so eine Sache. Wer wüsste das
nicht besser als die Finanzindus-
trie. Wer in der Branche Erfolg
haben will, muss ständig darauf
achten, zum richtigen Zeitpunkt
zu investieren und nicht zum fal-
schen Zeitpunkt zu fusionieren.

VON ANJA ETTEL
UND HOLGER ZSCHÄPITZ

Daran gemessen, könnte das
Timing für die diesjährige Euro
Finance Week (EFW) in Frank-
furt kaum besser sein. Europa
steckt mitten im Umbruch. Eine
neue EU-Kommission wird in

Kürze die Geschicke Europas
lenken und damit auch ganz neue
Akzente für den Kontinent set-
zen. In der Europäischen Zen-
tralbank (EZB) macht sich die
Französin Christine Lagarde als
Nachfolgerin von Mario Draghi
daran, die Notenbank neu zu po-
sitionieren. Zwar ist mit keinem
abrupten Kurswechsel in der
Geldpolitik zu rechnen, wohl
aber mit einem deutlich undog-
matischeren Vorgehen, als das in
den vergangenen acht Jahren
häufig der Fall war.
Auch die Finanzbranche steckt
mitten im Wandel. Soeben hat
Bundesfinanzminister Olaf
Scholz (SPD) einen Vorschlag für
eine gemeinsame Einlagensiche-
rung in Europa vorgelegt.
Deutschland vollzieht damit eine
überraschende Kehrtwende. Der
Ausbau zu einer europäischen
Bankenunion ist nun erstmals in
greifbare Nähe gerückt. Aber ist
die gemeinsame Einlagensiche-
rung, über die seit vielen Jahren
intensiv debattiert wird, tatsäch-
lich der Schlüssel, um die seit der
Finanzkrise abgehängte Branche
international wieder nach vorn

zu bringen? Oder haben all jene
Kritiker recht, die in dem Vorha-
ben nicht mehr sehen als ein wei-
teres gut gemeintes, aber am En-
de womöglich doch nur mit mä-
ßigem Erfolg umsetzbares euro-
päisches Projekt?
In jedem Fall steht Europa un-
ter enormem Handlungsdruck.
Denn die Geldhäuser des Konti-
nents sind im globalen Wettbe-
werb abgeschlagen. Gut 366 Mil-
liarden Euro Marktkapitalisie-
rung bringt die größte US-Bank
JP Morgan momentan auf die
Waage. Die größte europäische
Bank ist an der Börse lediglich 63
Milliarden Euro schwer, also ge-
rade einmal ein Sechstel von JP
Morgan. Selbst die zehn größten
Finanzinstitute der Euro-Zone
können es in Sachen Börsenwert
nicht mit dem US-Branchenpri-
mus aufnehmen. Und die größte
deutsche Bank findet in dieser
Kategorie unter den Top Ten Eu-
ropas schon gar nicht mehr
statt. Mit rund 14 Milliarden Eu-
ro liegt die Deutsche Bank noch
hinter der österreichischen Ers-
te Group auf Rang elf der Euro-
Zone.
Das geringe Börsengewicht der
europäischen Häuser ist vor al-
lem eine Folge der mangelnden
Profitabilität. Das wiederum hat
viel mit dem unvollkommenen
Binnenmarkt in Europa zu tun,
aber auch mit den Nebenwirkun-
gen der EZB-Politik. Fusionen
und Übernahmen gelten als ein

probates Mittel, um Synergien zu
schaffen und Kosten einzuspa-
ren. Doch die Bereitschaft der
Branche, diesen Weg jetzt zu ge-
hen, ist gering. „Jede potenzielle
Kombination von Banken muss
einen Mehrwert für alle Beteilig-
ten schaffen, was vor allem im
aktuellen Umfeld äußerst
schwierig ist“, sagt Jean Pierre
Mustier, Chef der italienischen
UniCredit, der in diesem Jahr im
Rahmen der EFW als Banker of
the Year ausgezeichnet wird.

Kampf um den


Wiederaufstieg


Im Vergleich zur US-Konkurrenz ist die


europäische Bankenwelt abgehängt.


Jetzt geht es darum, Anschluss zu


finden. Die Euro Finance Week


wird zeigen, ob der kühne


Plan gelingen kann


Quelle: Bloomberg

Gefährliche Lücke
Entwicklung seit Einführung der
Minuszinsen









  

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