Die Welt Kompakt - 18.11.2019

(Tina Sui) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MONTAG,18.NOVEMBER2019 WIRTSCHAFT 9


fe Tunnel gegraben, unter ande-
rem für die Northern und Baker-
loo Line. Der Bahnhof Hamp-
stead an der Northern Line ist
laut der Analyse des King’s Col-
lege mit fast 500 Mikrogramm
Feinstaub je Kubikmeter der
schmutzigste im System. 60 Me-
ter unter der Oberfläche ist er
auch der tiefste.
Die Belüftung der tiefen Tun-
nelschächte werde noch er-
schwert durch die geringen
Querschnitte, erläuterte ÖPNV-
Experte Eichmann. Zwischen
3,10 Meter und 3,70 Meter liegt
der Durchmesser dieser Tunnel.
Zum Vergleich: Für die Verlän-
gerung der U5 in Berlin wurde
ein Tunnel mit 6,70 Meter
Durchmesser gegraben.
Welche Folgen die hohen Be-
lastungen für die Fahrgäste der
Bahnen haben, ist bisher offen.
„Wir können nicht ausschließen,
dass sich aus dem Kontakt mit
dem Feinstaub unter der Erde
ein Gesundheitsrisiko ergibt“,
urteilte COMEAP. Genauere
Analysen und Forschungen seien
notwendig, um die Gesundheits-
gefahren richtig einschätzen zu


können. Trotz möglicher Risi-
ken: Die Londoner sollten sich
nicht davon abschrecken lassen
und weiter die U-Bahn nutzen,
empfahl Frank Kelly, Professor
für Umweltgesundheit am King’s
College und Präsident von CO-
MEAP. Schließlich würden die
meisten Fahrgäste nur eine ver-
hältnismäßig kurze Zeit unter
der Erde verbringen.
Eichmann wies daraufhin, dass
die WHO-Grenzwerte für den öf-
fentlichen Raum deutlich stren-
ger seien als die an Arbeitsplät-
zen zugelassene Belastung. Die
Grenzwerte für PM 2.5 und PM
10, etwas größere Staubteilchen,
liegen im Arbeitsschutz um das
Hundertfache höher als die
WHO-Limits. Zur Begründung
wird darauf verwiesen, dass am
Straßenrand auch besonders ge-
fährdete Personen geschützt wer-
den sollen, Säuglinge, Personen
mit Atemwegserkrankungen oder
ältere Menschen. An Arbeitsplät-
zen ist das nicht der Fall.
Deutliche Gesundheitsbelas-
tungen haben Untersuchungen
aus anderen U-Bahn-Systemen
bislang nicht nachgewiesen.
Tests in New York und Stock-
holm zeigen beispielsweise keine
Hinweise auf eine Häufung von
Lungenerkrankungen bei U-
Bahn-Angestellten. Forscher in
der schwedischen Hauptstadt
haben allerdings festgestellt,
dass Angestellte, die regelmäßig
am Bahnsteigrand eingesetzt
sind, mit höherer Wahrschein-
lichkeit an Herz-Kreislaufer-
krankungen erkranken als U-
Bahn-Fahrer und Personal im
Fahrkartenverkauf.
TfL hat dem Feinstaub längst
den Kampf angekündigt. Vor
zwei Jahren hat das Unterneh-
men ein umfassendes Reini-
gungsprogramm gestartet. Nicht
nur Bahnsteige und Bahnhöfe
werden regelmäßig geschrubbt,
sondern auch - über Nacht -
Stück für Stück die Tunnel. Der-
zeit ist die Bakerloo Line in Ar-
beit. In den dreckigsten Ab-
schnitten schafft ein Team von
zehn Reinigungskräften manch-
mal nur 50 Meter in den vier
Stunden in der Nacht, in denen
keine Züge fahren.
Industrielle Reinigungsma-
schinen mit speziellen Partikel-
filtern nutzen die mit Atem-
schutzgeräten ausgestatteten Ar-
beiter. Außerdem komme ein
„Zauberstab“ zum Einsatz, erläu-
terte der TfL-Sprecher. Mit spe-
ziellen Klebemitteln ausgestat-
tet, soll er dafür sorgen, dass der
jahrzehntealte Schmutz, der
beim Reinigen aufgewirbelt wird,
die Schadstoffbelastung unter
der Erde nicht noch weiter in die
Höhe treibt. Derartige Großput-
ze können die Schadstoffe in ei-
nem Tunnelabschnitt um fast die
Hälfte reduzieren, haben Mes-
sungen ergeben. Doch auch wenn
von dem 402 Kilometer langen
Londoner U-Bahn-Netz nur 45
Prozent in Tunneln unter der Er-
de geführt werden: Die erste
Komplettreinigung wird sich
noch hinziehen.

auszugeben.“ Die Papierform ist
zwar nicht obligatorisch, doch ob
sich der Austausch von Mailadres-
sen beim Brötchenkauf durch-
setzt, bleibt abzuwarten.
Ohnehin gibt es für die Steu-
erfahnder an den Kassen vor-
erst noch nichts zu überprüfen.
Schon länger warnten etwa In-
dustrie- und Handelskammern,
dass zertifizierte Software-Up-
dates und technische Einrich-
tungen für die TSE-Ausrüstung
der Registrierkassen bis Anfang
kommenden Jahres nicht ver-
fffügbar sein würden, obwohl dasügbar sein würden, obwohl das
Gesetz bereits 2016 in Kraft trat
und jetzt nur die damals gesetz-
ten Fristen auslaufen. Die ers-
ten geprüften Sicherheitslösun-
gen werden wohl im Herbst
2 020 vorliegen. Das bayerische
Finanzministerium informierte
daher kürzlich darüber, dass es
bis Ende September keine Bean-
standungen der Finanzämter
bei Kaufleuten und Gastrono-
men aus diesem Grund geben
soll. Darauf hätten sich Bund
und Länder verständigt. Doch
an der Einführung des Bon-
Zwangs bereits zum 1. Januar
halten die Minister eisern fest.
WWWelche Angaben auf dem Bonelche Angaben auf dem Bon
stehen müssen, ist genau vorge-
schrieben. Darunter sind der
vollständige Name und die An-
schrift des Ausstellers, Datum
und Uhrzeit des Belegs, Art und
Menge der gekauften Artikel
oder der Menu-Bestellungen,
ffferner Rechnungsnummer,erner Rechnungsnummer,
Rechnungsbetrag und Steuer-
anteil sowie die Seriennummer
des Sicherheitsmoduls oder
Kassensystems. Immerhin, Aus-
nahmen vom Belegzwang sind
in begrenztem Umfang mög-
lich. „Die Pflicht zur Einzelauf-
zeichnung nach Satz 1 besteht
aus Zumutbarkeitsgründen bei
VVVerkauf von Waren an eine Viel-erkauf von Waren an eine Viel-
zahl von nicht bekannten Per-
sonen gegen Barzahlung nicht“,
heißt es im Gesetzestext. Bei-
spielsweise könnten sich Bars
oder Kioske, die viele Mini-
Rechnungen an Laufkundschaft
ausstellen, demnach befreien
lassen. Dazu müssen sie recht-
zeitig einen Antrag an das zu-
ständige Finanzamt stellen. Mit
Glück wird er genehmigt, doch
er kann auch dann jederzeit wi-
derrufen werden.
Im Prinzip gilt das neue Ge-
setz für alle, die etwas verkau-
fffen oder Dienstleistungen ge-en oder Dienstleistungen ge-
gen Geld erbringen, ob Weih-
nachts- oder Wochenmarkt,
Teestube oder Second-Hand-
Laden. Wer keine elektronische
Kasse führt, muss eben jede
Transaktion manuell erfassen
und so dokumentieren, dass die
Finanzbehörden einen vollstän-
digen Überblick bekommen
können.
Noch nicht geregelt ist ei-
gentlich nur, was die Kunden
mit den ausgehändigten Bele-
gen machen müssen. Sie kön-
nen die Milliarden von Zetteln
auch einfach wegwerfen. Aber
nicht ins Altpapier. Da ist das
Umweltbundesamt vor.

P


latz eins auf der Liste der
guten Vorsätze fürs neue
Jahr ist für alle Händler,
Bäcker, Friseure und Gastrono-
men reserviert: Bon ausgeben.
Und zwar an jeden Kunden.
Wirklich an jeden. Denn nach
dem „Gesetz zum Schutz vor Ma-
nipulationen an digitalen Grund-
aufzeichnungen“, kurz Kassenge-
setz 2020, muss ab dem 1. Januar
zwingend jeder Käufer das Zet-
telchen bekommen. Bei Zuwider-
handlung droht ein Bußgeld bis
zu 25.000 Euro. Das wäre kein
guter Start ins Jahr.

VON MICHAEL GASSMANN

Die im Gesetz enthaltene Be-
legausgabepflicht soll die Steu-
erehrlichkeit fördern. Lücken-
lose elektronische Dokumenta-
tion soll dazu beitragen, dass
künftig möglichst keine Umsät-
ze mehr an der Finanzveraltung
vorbei fließen. Skurril ist aller-
dings, dass beide Vorgänge –
Bonausgabe und Datenfluss –
technisch gar nicht direkt zu-
sammenhängen. Denn der Aus-
druck steht am Ende des Be-
zahlvorgangs. Da sind die Da-
tenspuren längst gelegt. „Be-
reits mit dem ersten Tasten-
druck an der Kasse oder beim
Scannen der Ware wird eine
elektronische Spur erzeugt, die
nicht mehr zu löschen oder zu
manipulieren ist“, sagt Ralph
Brügelmann, Steuerexperte
beim Handelsverband Deutsch-
land (HDE). Dafür spiele es kei-
ne Rolle, ob der Kunde nun den
Beleg in die Hand gedrückt be-
komme oder nicht.
Für die Umwelt wird der
Zwang zum Beleg nicht uner-
hebliche Folgen haben. Mit der
Menge der jährlich ausgedruck-
ten Kassenbons könnte man 43
Fußballfelder abdecken, hat
Brügelmann ausgerechnet. Hin-
tereinander gelegt ergäben sie
eine Länge von 2,2 Millionen Ki-
lometern, genug, um den Äqua-
tor 50 Mal zu umwickeln. Der
Handel sei für Steuerehr-
lichkeit, schon damit Steuerbe-
trüger keine ungerechtfertigten
WWWettbewerbsvorteile gegen-ettbewerbsvorteile gegen-
über ehrlichen Kaufleuten hät-
ten, stellt Brügelmann klar.
AAAber am Sinn der Belegpflichtber am Sinn der Belegpflicht
zweifelt nicht nur er.
„„„Wir reden über Umwelt-Wir reden über Umwelt-
schutz und diskutieren über die
Reduktion von Coffee-to-go-
Bechern, schaffen dann aber auf
der anderen Seite Müllberge aus
beschichtetem Papier“, be-
schwerte sich der Chef des Bä-
cker-Verbands, Daniel Schnei-
der, in der „Frankfurter Allge-
meinen Zeitung“. Anders als die


  • mengenmäßig vermutlich be-
    deutenderen – Brötchentüten
    stufen Experten die Kassenbons
    als besonders problematisch für
    die Umwelt ein. Das Umwelt-
    bundesamt rät davon ab, die Be-
    lege ins Altpapier zu geben.
    „Denn meist werden sie auf
    Thermopapier gedruckt, das
    mit der schädlichen Chemikalie
    Bisphenol A beschichtet ist“, er-


läutert das Amt auf seiner Web-
site. Bisphenol A sei hormonell
wirksam und könne die Fort-
pflanzungsfähigkeit von Lebe-
wesen beeinträchtigen.
Kassenhersteller bestätigen,
dass die Belegausgabe gar nicht
nötig wäre, um den Fiskus über
die Geschäfte in Bars und Back-
stuben auf dem Laufenden zu
halten. Schon beim Start eines
Verkaufs- oder Bestellvorgangs
erfrage eine sogenannte techni-
sche Sicherheitseinrichtung
(TSE) eine Transaktionsnum-
mer, erläutert Markus Tiedge die
Detail. Tiedge ist Produktmana-
ger beim Kassenhersteller Vec-
tron in Münster, einem der füh-
renden Anbieter. Mit der elek-
tronischen Anfrage starte eine
Transaktion, in deren Folge alle
weiteren Buchungen des Kassen-
systems in der TSE aufgezeich-
net würden. Am Ende würden
die Buchungen signiert und ge-
druckt. „Elektronische Aufzeich-
nung und Ausdruck – das eine
hat mit dem anderen nichts zu
tun“, bringt ein Techniker eines
Großhändlers für Kassensyste-
me die technischen Vorgänge auf
eine kurze Formel.
Trotzdem pocht der Gesetz-
geber auf die milliardenfache
Zettelwirtschaft. Der Bon-
Zwang gilt für alle, die eine
elektronische Kasse benutzen –
also nahezu vollständig. Das
Bundesfinanzministerium be-
gründet die aufwendige zwin-
gende Belegausgabe damit, dass
so den Steuerermittlern vor Ort
die Arbeit erleichtert werde.
Aufgrund der eindeutigen Zu-
ordnung eines Bons zum elektro-
nischen Aufzeichnungssystem –
der Kasse mithin –, könnten die
Angaben jederzeit überprüft wer-
den, „also auch bei kurzfristigen
Kassenprüfungen“, wie eine Spre-
cherin erklärte. Im Übrigen sei
die Belegausgabepflicht bewusst
technologie-neutral gehalten: „Es
bleibt den Kasseninhabern unbe-
nommen, Belege beispielsweise
auch per Mail oder auf das Handy

Bon-Zwang


an der


Kasse


Von 2020 an
müssen Bäcker,
Friseure, Wirte und

andere ihren
Kunden bei jedem
Kauf einen Bon
aushändigen.
Ziel ist mehr

Steuerehrlichkeit.
Doch viele zweifeln
am Sinn dieser
Regelung
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