Süddeutsche Zeitung - 18.11.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1

Seite Drei


Gewalt gegen Frauen ist in der Türkei


alltäglich. Der Fall Şule Çet


könnte das ändern 3


Meinung


Anden Universitäten wird über


Meinungsterror gejammert –


völlig zu Unrecht 4


Panorama


PrinzAndrew gibt ein Interview zur


Epstein-Affäre und bringt sich


noch mehr in Bedrängnis 8


DasPolitische Buch


Die Sklaven der Deutschen:


Ein berührendes Buch erinnert


an die „Ostarbeiter“ 13


Wirtschaft


Jeder dritte Verbraucher hat Probleme


mit Telefon oder Internet.


Was man dagegen tun kann 21


Medien, TV-/Radioprogramm 23,
Schule und Hochschule 32
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 16
Traueranzeigen 22


Verbreitet fällt mal mehr, mal weniger
Regen oder Nieselregen sowie in höheren
Lagen Schnee. Die besten Chancen auf et-
was Sonne gibt es noch im Südosten. Es wer-
den Temperaturen zwischen vier und zwölf
Grad erreicht.  Seite 13 und Bayern

Mit Regenschirmen, Helmen und Gasmasken schützen sich Demonstranten an der Polytechnischen Universität in Hongkong vor
Feuer und Tränengas. Um die Hochschulen ist ein Kampf entbrannt, in dem die Studenten zum Gegenangriff übergehen: Sie werfen
Brandbomben und schießen mit Pfeil und Bogen auf Polizisten. Joshua Wong, Wortführer der Bewegung, sagt im SZ-Interview, fried-
liche Mittel allein reichten nicht aus, um Demokratie und Autonomie zu erreichen. FOTO: ADNAN ABIDI / REUTERS  Thema des Tages

Bielefeld –Mit umfassenden Forderun-
gen zum Klimaschutz und einer Absage an
das Bekenntnis zur Schuldenbremse der
Länder ist am Sonntag der Parteitag der
Grünen in Bielefeld zu Ende gegangen. Die
Partei bleibt bei ihrer Forderung treu, bis
2030 aus der Kohle auszusteigen. Vom
gleichen Jahr an sollen auch Autos mit Ver-
brennungsmotoren für fossile Brennstoffe
nicht mehr zugelassen werden. Auf Druck
der Grünen Jugend und Teilen der Basis be-
schlossen die Grünen am Sonntag höhere
CO2-Preise als zunächst geplant. Schon
von 2020 an soll der Preis für eine Tonne
CO2 bei 60 Euro liegen und in Schritten von
20 Euro pro Jahr weiter erhöht werden. Da-
mit sollen Verbraucher zu einem bewusste-
ren Umgang mit fossilen Kraftstoffen,
Heizöl und Erdgas angehalten werden.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock,
die am Wochenende mit einem Rekord-
ergebnis von 97,1 Prozent als Parteivorsit-
zende bestätigt wurde, forderte klare Re-
geln zur Durchsetzung der Klimawende.
Sie könne nur gelingen, wenn auch sozial
Benachteiligte mitgenommen würden, der
Parteitag beschloss etwa eine Anhebung
des Mindestlohns auf zwölf Euro. Ökologie
und Ökonomie dürften nicht als Gegensät-
ze verstanden werden, so Baerbock. Unge-
regelte Märkte und Raubbau an der Natur
wirkten zerstörerisch, so Baerbock. Ohne
Märkte wiederum könne der ökologische
Umbau nicht gelingen, denn nur sie könn-
ten „eine Wucht entfalten, die wir brau-
chen, um die Klimakrise in den Griff zu be-
kommen“. Parteichef Robert Habeck ermu-
tigte die Delegierten in seiner Auftaktrede,

in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung
auch politischen Gegnern zuzuhören. „Wir
wollen die Weichen mit stellen, wir werben
um die Verantwortung dafür, die neue Zeit
gestalten zu können“, sagte er.
Habeck, der im Vorfeld des Parteitags
immer wieder als grüner Kanzlerkandidat
gehandelt worden war, holte bei seiner Wie-
derwahl am Samstag mit 90,4 Prozent ein
besseres Ergebnis als alle seine männli-
chen Vorgänger im Amt. Dennoch blieb
sein Ergebnis hinter dem von Baerbock. In
der Partei wurde die Wahl auch als Signal
gewertet, von Alleingängen an der Partei-
spitze abzusehen.
Bereits am Freitagabend hatte die Par-
tei ein Programm gegen steigende Mieten
und Wohnraumnot verabschiedet. Das
„Recht auf Wohnen“ soll im Grundgesetz

verankert und gemeinnütziger Wohnungs-
bau konsequenter gefördert werden. Auch
ein Recht auf Wohnungstausch will die Par-
tei einführen und Enteignungen als „letz-
tes Mittel“ gesetzlich regeln, wenn Grund-
besitzer Wohnungsbau mutwillig verhin-
dern oder Baugesellschaften ihrer sozialen
Verantwortung nicht nachkommen.
Um die Klimawende zu finanzieren,
wollen die Grünen Kredite von 30 Milliar-
den Euro aufnehmen. Dafür soll die Schul-
denbremse gelockert werden. Der Vor-
stand hatte ursprünglich ein Bekenntnis
zur Schuldenbremse der Länder gefordert.
Auf Druck eines Berliner Kreisverbands
wurde die Formulierung aber gestrichen.
Damit lassen die Grünen offen, ob Länder
sich neu verschulden dürfen oder nicht.
constanze von bullion  Seiten 4, 5

Washington– Derehemalige US-Präsi-
dent Barack Obama hat die Bewerber um
die Präsidentschaftskandidatur der Demo-
kraten vor einem zu starken Linksruck ge-
warnt. Andernfalls würden Wähler ver-
schreckt, die 2020 offen wären, einem De-
mokraten ihre Stimme zu geben, sagte er.
Obama nannte keine Namen, seine Äuße-
rung wurde aber als Warnung vor den lin-
ken Kandidaten Elizabeth Warren und Ber-
nie Sanders gewertet.huw  Seite 6

Neustadt/Weinstraße– Christian Bal-
dauf, Chef der CDU-Fraktion im rheinland-
pfälzischen Landtag, ist Spitzenkandidat
seiner Partei für die Landtagswahl 2021. In
einer Kampfabstimmung setzte sich der
52-Jährige am Samstag beim Landespartei-
tag der CDU Rheinland-Pfalz in Neu-
stadt/Weinstraße klar gegen den Heraus-
forderer Marlon Bröhr durch. Der Landrat
des Rhein-Hunsrück-Kreises kam nur auf
79, Baldauf auf 321 Stimmen.sz  Seite 5

München– Um einer Polizeikontrolle zu
entgehen, hat ein 34-Jähriger aus dem
Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen am Sams-
tagabend in München sein Auto mit teils
mehr als Tempo 100 auf der Gegenspur in
eine Gruppe von vier Jugendlichen gesteu-
ert, einen 14-Jährigen tödlich und eine
16-Jährige schwer verletzt. Er wurde nach
kurzer Flucht gefasst, gegen ihn erging
Haftbefehl wegen Mordes und drei Fällen
versuchten Mordes.soy  München

Berlin– Die Bundesregierung will mit ei-
nem Milliardenbetrag dafür sorgen, dass
Löcher im Mobilfunknetz in Deutschland
in den nächsten Jahren geschlossen wer-
den. Bei einer Digitalklausur im Gästehaus
der Regierung im brandenburgischen
Meseberg beriet das Bundeskabinett über
entsprechende Pläne von Bundesverkehrs-
minister Andreas Scheuer (CSU). Aus dem
Sondervermögen Digitale Infrastruktur
sollen in den nächsten Jahren 1,1 Milliar-
den Euro fließen, um etwa dort Masten zu
errichten, wo dies für Unternehmen nicht
wirtschaftlich sei, hieß es. Die Bundesregie-
rung will auch eine eigene Mobilfunk-In-
frastrukturgesellschaft gründen. Scheuer
kündigte am Abend zudem schnellere Ge-
nehmigungsverfahren an. Die deutschen
Handynetze sind im Vergleich zu vielen an-
deren europäischen Ländern schlecht aus-
gebaut. In einem Drittel des Landes kön-
nen Mobilfunknutzer den schnellen Mobil-
funkstandard LTE nicht nutzen. Die Bun-
desregierung hatte den Ausbau digitaler
Netze im Koalitionsvertrag zum zentralen
Thema gemacht. Bis zur Halbzeit der gro-
ßen Koalition hat sich die Situation aber
kaum verbessert.mbal  Seiten 4 und 6

12 °/-2°


von paul-anton krüger

München– InIran sind landesweite Pro-
teste stellenweise in gewaltsame Auseinan-
dersetzungen umgeschlagen und wachsen
sich zu einer ernsten Herausforderung für
das Regime aus. In mehr als 40 Städten gin-
gen Menschen gegen massive Erhöhungen
der Benzinpreise auf die Straßen. Sie blo-
ckierten mit ihren Autos Überlandstraßen
und wichtige Verkehrsarterien der Haupt-
stadt Teheran. Mancherorts errichteten
sie Barrikaden und griffen Banken an.
Polizei und andere bewaffnete Kräfte
des Sicherheitsapparates versuchten, die
Protestierenden mit Schlagstöcken und
Tränengas auseinanderzutreiben. Aus
mehreren Städten wurde der Einsatz schar-
fer Munition gemeldet. Irans Oberster Füh-
rer Ali Chamenei bestätigte, dass es „eini-

ge Tote“ gegeben habe, eine gesicherte
Zahl war nicht bekannt; sie reichte von
zwei bis zu mehr als 30. Laut der Nachrich-
tenagentur Isna wurde bei Zusammenstö-
ßen in Kermanschah im Westen des Lan-
des am Sonntag ein Polizist getötet. Dut-
zende Menschen wurden verletzt, Hunder-
te festgenommen. Bei den Protesten wur-
den auch politische Parolen gegen das Re-
gime und Chamenei sowie Irans Präsenz
im Irak, Libanon und Syrien gerufen.
Das Regime blockierte den Zugang zum
Internet fast komplett; wie das Kommuni-
kationsministerium mitteilte, hatte der
Oberste Nationale Sicherheitsrat das für zu-
nächst 24 Stunden angeordnet. In Iran wur-
de dies als Zeichen gewertet, dass das
Regime die Lage als ernst betrachtet und
bereit ist, die Proteste notfalls gewaltsam
niederzuschlagen. Innenminister Abdolre-

za Rahmani Fazli warnte am Samstag im
Staatsfernsehen, der Sicherheitsapparat
habe bisher Zurückhaltung gezeigt. Wenn
„illegale Aktionen“ wie die Zerstörung von
Staatseigentum weitergingen, hätten die
Behörden aber keine Wahl, als durchzugrei-
fen und die Ruhe wiederherzustellen.
Der Innenminister beschuldigte „eine
beschränkte Zahl“ von Demonstranten, sie
würden die öffentliche Stimmung ausnut-
zen, um „Einschüchterung und Terror“ zu
verbreiten. Chamenei sagte, die Feinde der
Islamischen Republik stünden hinter der
Sabotage und den Gewaltausbrüchen. Er
unterstützte die Entscheidung der Regie-
rung, diese müsse umgesetzt werden. Das
Parlament in Teheran beriet über die Preis-
erhöhung, beschloss aber zunächst nicht
wie angekündigt, die Regierung zur Rück-
nahme der Entscheidung aufzufordern.

Die Regierung hatte am Donnerstag den
Preis für subventioniertes Benzin um die
Hälfte erhöht und eine Rationierung ange-
ordnet. Pro privatem Auto können Iraner
nur noch 60 Liter zum Preis von nun
15 000 Rial beziehen, was etwa elf Cent ent-
spricht. Darüber hinaus kostet jeder Liter
30 000 Rial, dreimal so viel wie zuvor. Für
Taxis gelten höhere Quoten. Mit den
Einsparungen will die Regierung Subventi-
onen für die ärmeren Schichten finanzie-
ren, die besonders unter der Wirtschafts-
krise leiden. Zu deren Gründen zählen die
US-Sanktionen, aber auch Misswirtschaft
und Korruption. Präsident Hassan Rohani
hatte jüngst eingeräumt, dass Iran auf ein
Haushaltsdefizit von etwa 60 Prozent zu-
steuert; die Benzinsubventionen kosteten
das Land bisher knapp zwei Prozent der
Wirtschaftsleistung.  Seiten 4 und 7

HEUTE


Die SZ gibt es als App
fürTablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

„Turrr-turrr“, gurren sie, ihr Ruf steht für
Glück,Liebe und Frieden. Zu hören ist er
in deutschem Gesträuch derzeit nicht,
denn die Turteltauben sind ausgeflogen,
die nur etwa amselgroßen Täubchen ver-
bringen den Winter südlich der Sahara in
Westafrika. Wenn sie aber im nächsten
Mai oder Juni zurückkommen, haben sie
neue Prominenz erlangt: Die Turteltaube
ist der deutsche Vogel des Jahres 2020.
Den Titel vergibt hierzulande der Na-
turschutzbund Deutschland (Nabu). Je-
des Jahr stimmt ein etwa 35-köpfiges Gre-
mium darüber ab, welcher Vogel jeweils
im Oktober die Ehre bekommt – die eine
eher zweifelhafte ist, weil sie darauf
hinweisen soll, wie gefährdet seine Art ist.
Der Bestand der in Südeuropa gerne ge-
jagten Turteltaube ist in Deutschland seit
1980 um 90 Prozent zurückgegangen. Die
öffentliche Wirkung der Vergabe ist aller-
dings begrenzt. Wer weiß noch, wer der
diesjährige Titelträger ist? Ja, Shake-

speares Romeo hat recht: Es ist die Ler-
che, und zwar die Feldlerche.
Am anderen Ende der Welt ist das an-
ders. Den Neuseeländern ist die Wahl ih-
res Jahresvogels so wichtig wie die ihres
Parlaments. Im Inselstaat stimmen Zehn-
tausende darüber ab, welcher Vogel den
Titel tragen darf. Wenn, wie in der vergan-
genen Woche, das Wahlergebnis verkün-
det wird, ist das ein Ereignis, das an Be-
deutung einem Sieg der All Blacks im
Rugby kaum nachsteht. Sogar Premiermi-
nisterin Jacinda Ardern gratulierte dem
Sieger, dem Gelbaugenpinguin, auch Hoi-
ho genannt, weil der aggressive Einzelgän-
ger so schreit. Er hatte gut 12 000 Stim-
men erhalten, viel mehr, als es von seiner
stark gefährdeten Art Individuen gibt.

Die Regierungschefin outete sich bei
der Gelegenheit als Fan des Schwarz-
sturmvogels. Viele ihrer Landsleute ge-
hen in ihrer Vogelbegeisterung noch wei-
ter, wohl kein Wunder, werden die Neu-
seeländer doch gemeinhin selbst nach
einem Vogel benannt, dem flugunfähigen
Kiwi. Und so toben sich die Wahlkämpfer
jedes Jahr nicht nur in den sozialen Netz-
werken aus, in den Städten lassen sie so-
gar großflächige Plakate kleben, um für
ihren gefiederten Favoriten zu werben.
Selbst vor Wahlbetrug schrecken man-
che Vogelfreunde nicht zurück. Im vergan-
genen Jahr etwa registrierte die Königli-
che Wald- und Vogelschutzgesellschaft ei-
nen zunächst unerklärlichen Stimmenzu-
wachs für die Krähenscharbe. Spaßvögel

hatten sich per Bot in die Online-Abstim-
mung geschaltet, sie fanden es wohl wit-
zig, dass dieser Kormoran auf Englisch
Shagheißt – was sich auch mit „vögeln“
übersetzen lässt, im durchaus nicht orni-
thologischen Sinne. Im benachbarten Aus-
tralien wollten Fans in diesem Jahr mit un-
lauterer Manipulation den bunten Allfarb-
lori nach vorne bringen – vergeblich, ihre
Bot-Stimmen wurden entdeckt. Es siegte
der Gürtelgrasfink mit seiner kohlschwar-
zen Kehle, dessen Haupthabitat nach
dem Willen der Regierung ausgerechnet
einem Kohletagebau weichen soll.
Beim Nabu verfolgt der Ornithologe
Lars Lachmann den Publikumserfolg der
antipodischen Abstimmungen „sehr in-
teressiert“. Für den Vogel des Jahres 2021


  • er wird der 50. seit den Anfängen 1971
    und damit ein Jubiläumsvogel sein – will
    der Nabu sein Vergabeverfahren ändern.
    Wer dann wie wählen darf, wollen sie aber
    noch nicht verraten. jan bielicki


Baldauf führt CDU


in Rheinland-Pfalz-Wahl



NACHTS

Iraner fordern das Regime heraus


Proteste wegen hoher Benzinpreise schlagen in tödliche Gewalt um. Ayatollah Chamenei sieht


Feinde der Islamischen Republik am Werk und lässt das Internet sperren


Kampf um Hongkong


Grüne planen ökologischen Umbau der Wirtschaft


Parteitagbestätigt die Doppelspitze Baerbock/Habeck mit Rekordergebnissen – und beschließt höhere CO2-Preise


Holla, Hoiho


In Neuseeland ist die Wahl zum Vogel des Jahres ein Politikum


Obama warnt seine


Partei vor Linksruck


Haftbefehl nach


tödlichem Raser-Unfall


DAS WETTER



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ES (Kanaren): € 3,80; dkr. 29; £ 3,50; kn 30; SFr. 4,

Der Plastik-Weichmacher BPA ist ungesund. Sind die Alternativen besser? Wissen


Gewinnzahlen vom Wochenende
Lotto(16.11.):1, 4, 16, 25, 28, 47
Superzahl: 1
Toto:1, 2, 0, 1, 2, 2, 0, 0, 2, 0, 1, 0, 1
Auswahlwette:lag noch nicht vor
Zusatzspiel:lag noch nicht vor
Spiel 77: 3405527
Super 6:5 5 0 9 0 3 (Ohne Gewähr)
 Weitere Gewinnzahlen:
Wirtschaft, Seite 21

Regierung stopft


Funklöcher


Mehr als eine Milliarde Euro
soll in bessere Netze fließen

(SZ) Bei dieser Gelegenheit ein Programm-
hinweis, auch an die jüngeren Menschen
im Publikum: Youtube aufmachen, „Wutre-
de Trapattoni“ eintippen. Was man zu
sehen bekommt, sind die sagenhaftesten
Minuten der Bundesligageschichte. Ver-
gesst Sepp Maier, der einer leibhaftigen En-
te hinterherhechtet. Vergesst Jay-Jay Oko-
chas Zaubertor gegen Kahn, Dettmar
Cramer im Napoleon-Kostüm und Auba-
meyang im Ganzkörper-Flokati. Alles ganz
nett, aber der Bayern-Trainer Giovanni
Trapattoni aus dem Frühjahr 1998 ist
legendär. Warum? Weil hier ein Grandsei-
gneur absolut formvollendet die Fassung
verliert. Trapattoni – kurz Trap – fühlt sich
zu Unrecht kritisiert von den Reportern,
und sein Kampf um Gerechtigkeit ist so an-
rührend, weil ihm die Worte fehlen, er
kann nicht richtig Deutsch, spricht es aber
trotzdem. Das ist Furchtlosigkeit in reins-
ter Form. „Ist klar diese Wörter, ist mög-
lich verstehen?“ ruft Trapattoni, und weil
er gerade so sauber in Fahrt ist, erfindet er
verschiedene Wendungen, die seitdem im
Sprachbaukasten deutscher Menschen
überleben, „Flasche leer“, „Was erlauben
Strunz“ und, natürlich: „Ich habe fertig!“
Traps Wutrede, zwanzig Jahre alt, hat
Patina angesetzt, aber dass ihre Schlussfor-
mel noch immer frisch wie am ersten Tag
schimmert, konnte man gerade erst
wieder erleben: „Ich habe fertig!“ sagte am
Freitagabend der nunmehr ehemalige
Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Nur wenige
Stunden später rief die Grünen-Chefin
Annalena Baerbock den Delegierten beim
Parteitag entgegen: „Wir haben noch lange
nicht fertig“, und man kann sich sicher
sein, dass sie die Genese des Begriffs
kennt, Baerbock hat selbst ordentlich Fuß-
ball gespielt, linkes Mittelfeld. Der eine hat
fertig, die anderen haben noch lange nicht
fertig – hier wird Trap also bestätigt, dort
wird ihm widersprochen, in beiden Fällen
allerdings huldigt man einem Mann, der
bewiesen hat, dass Rhetorik gerade dann
wirkt, wenn sie gegen die Regeln der Gram-
matik verstößt. In der Werbung ist das
Prinzip danach strapaziert und überstrapa-
ziert worden, „Hier werden Sie geholfen“,
flötete zum Beispiel Verona Pooth. Abgese-
hen davon findet man Trapattonis Klang
heute in vielen Songs auf Youtube wieder.
Die knallharten Brudis aus der Nebenstra-
ße sagen schließlich auch nicht: „Ich bin
fertig“, sie wählen die Variante mit entspre-
chender Street Credibility: „Isch habe fer-
tisch, Alder.“
Traps Satz hat also Konjunktur, neben
Annalena Baerbock und Uli Hoeneß zog, in
einem Interview mit derZeit, die Liederma-
cherin Bettina Wegner eine ganz neue, me-
taphysische Ebene ein. Sie sagte: „Ich fin-
de, dass der Mensch verdammt noch mal
die Wahl haben muss, zu sagen: ‚Ich habe
fertig!‘ Das ist unsere einzige wirkliche
Freiheit.“ So gesehen hatte der Aphoristi-
ker Giovanni Trapattoni schon damals das
große Ganze im Blick.


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