Süddeutsche Zeitung - 18.11.2019

(National Geographic (Little) Kids) #1

Baton Rouge –Der Gouverneur von
Louisiana, John Bel Edwards, hat knapp
eine zweite Amtszeit gewonnen. Der
Demokrat verpasste damit US-Präsi-
dent Donald Trump die zweite Niederla-
ge bei einer Gouverneurswahl in die-
sem Jahr. Nach der Schlappe in Kentu-
cky und erheblichen Verlusten bei den
Parlamentswahlen in Virginia dürfte
die Niederlage am Samstag die Republi-
kaner vor der Präsidentschaftswahl
2020 aufschrecken. Trump hatte sich
dafür eingesetzt, den Gouverneurspos-
ten für die Republikaner zurückzuge-
winnen. Edwards ist der einzige demo-
kratische Gouverneur im tiefen Süden
der USA. Trump besuchte Louisiana
drei Mal, um Wahlkampf gegen Ed-
wards zu machen. ap


Brüssel– Ursula von der Leyen weiß, dass
ihre Kür zur künftigen Präsidentin der Eu-
ropäischen Kommission Wunden hinter-
lassen hat: der Prozess habe „deutlich ge-
macht, dass wir die Art und Weise, wie wir
die politische Führung unserer Organe be-
stimmen und wählen, auf den Prüfstand
stellen müssen“, schrieb sie im Sommer in
ihren politischen Leitlinien. Kurz zuvor
war sie von den Staats- und Regierungs-
chefs als neue Spitzenfrau für Europa aus-
erkoren worden – ohne bei den Europawah-
len überhaupt als Spitzenkandidatin ange-
treten zu sein. Es gehe ihr dabei auch dar-
um, „Vertrauen wieder aufzubauen“,
schrieb von der Leyen.
Das Vertrauen ist auf mehreren Ebenen
angeknackst: zwischen Kommission und
Parlament, zwischen Parlament und Regie-
rungschefs, nicht zuletzt zwischen der EU
und ihren Bürgern, die dachten, jetzt wird
einer der Spitzenkandidaten Kommissi-
onspräsident. Ein knappes halbes Jahr
nach der Europawahl zeigt sich jedenfalls,
dass das Parlament nicht darauf warten

will, ob und wann von der Leyen wirklich
Ernst macht mit ihrer Ankündigung. Statt-
dessen wollen die Abgeordneten nun
selbst die Initiative ergreifen. Zum einen
hat sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern
aus allen Fraktionen gebildet, die selbst
Vorschläge zur Gestaltung der „Konferenz
für die Zukunft Europas“ machen wollen:

jenem Forum, das unter Beteiligung der
Bürger konkrete Ideen zur Stärkung der
Demokratie in Europa machen soll. Von
der Leyen zufolge soll die Konferenz 2020
beginnen und zwei Jahre dauern. Dabei
soll es nicht nur um die institutionellen Fra-
gen gehen, sondern zum Beispiel auch dar-
um, wie Entscheidungen in der EU erleich-
tert werden können. „Europäische Antwor-
ten auf Migration, Steuerflucht und in der
Außenpolitik werden ständig von einzel-

nen Mitgliedstaaten blockiert“, sagt etwa
der grüne Abgeordnete Daniel Freund.
„Das kann man den Bürgern nicht erklä-
ren. Wir müssen darüber sprechen, ob wir
diese Regeln ändern können.“
Zum anderen soll Ende des Monats, spä-
testens aber im Dezember eine Resolution
im Verfassungsausschuss verhandelt wer-
den. Darin verpflichtet sich das Parlament,
gegebenenfalls auch ein Verfahren zur Än-
derung der EU-Verträge anzustoßen. Der
Erfolg der Konferenz hänge entscheidend
davon ab, dass sie „nicht nur ein Zuhör-
oder Dialogformat“ werde, sondern „echte
Veränderungen“ in die Wege leiten könne,
heißt es in dem Entwurf, auf den sich die
Koordinatoren der vier größten Gruppen
im Parlament bereits geeinigt haben:
Christ- und Sozialdemokraten, Liberale
und Grüne. Als nächstes müssen sowohl
der Ausschuss als ganzer als auch das Parla-
mentsplenum dem Entwurf zustimmen.
Diese parteiübergreifende Einigkeit ist
bemerkenswert, lag es doch vor allem an
mangelnder Einigkeit zwischen den Frakti-

onen, dass sich die Staats- und Regierungs-
chefs nach der Europawahl so leicht über
das Spitzenkandidatenprinzip hinwegset-
zen konnten. Hätten sich die Gruppen im
Parlament auf den Christdemokraten Man-
fred Weber oder den Sozialdemokraten
Frans Timmermans geeinigt, wäre der
Spielraum für den Europäischen Rat viel
kleiner gewesen, jemand ganz anderes vor-
zuschlagen. Ohne Zustimmung des Parla-
ments wird niemand Präsident der Euro-
päischen Kommission.
Die Abgeordneten wissen, dass sie nach
der Europawahl eine Chance vertan haben.
2024 soll es besser laufen. Ursula von der
Leyen hatte angekündigt, dass die Konfe-
renz zur Zukunft Europas bis Mitte 2020
konkrete Vorschläge machen soll, wie das
Spitzenkandidatenprinzip verbessert wer-
den könnte, bis jetzt ist von der Leyens
Kommission aber noch gar nicht im Amt.
Freund nennt den Zeitplan „ambitioniert“,
die Eile sei aber nötig, damit die neuen Re-
geln bei der Europawahl 2024 dann auch
gelten könnten.karoline meta beisel

Bern– Es ist ein Wettlauf mit der Technik:
SeitJahren arbeiten zahlreiche Staaten dar-
an, Maschinen zu entwickeln, die eigen-
ständig Menschen töten können. Noch
sind solche vollautonomen Waffensyste-
me nirgendwo im Einsatz, aber es dürfte
sich nur um eine Frage der Zeit handeln.
Gleichzeitig laufen im Rahmen der Verein-
ten Nationen (UN) Gespräche über die prä-
ventive Regulierung solcher Waffen. Am
späten Freitagabend ging die jüngste Ver-
handlungsrunde zu diesem Thema in Genf
zu Ende. Die 125 Vertragsstaaten der UN-
Waffenkonvention verständigten sich da-
bei erstmals auf Leitlinien über den Ein-
satz solcher Waffentypen.
„Nach fünf Jahren schwieriger Verhand-
lungen haben wir heute zum ersten Mal ei-
nen breiten internationalen Konsens über
rote Linien für den Einsatz autonomer
Funktionen in Waffensystemen erzielt“,
sagte Deutschlands Außenminister Heiko
Maas (SPD) zu den verabschiedeten Prin-
zipien, die im Lauf dieser Woche veröffent-
licht werden dürften.

Deutschland setzt sich für politische Re-
geln beim Einsatz vollautonomer Waffen-
systeme ein und nimmt damit im Staaten-
gefüge der UN-Waffenkonvention eine Po-
sition der Mitte ein: Während sich eine Alli-
anz von etwa 30 Staaten, darunter Öster-
reich, Brasilien und Ägypten, für ein prä-

ventives Verbot solcher Waffen ausspricht,
stellen sich Länder wie die USA, Russland,
Großbritannien, Südkorea oder Israel dage-
gen. Sie sind finanziell und technisch in
der Lage, solche Systeme zu entwickeln
und tun dies nach Informationen von Ex-
perten bereits. Auch China, das sich vorder-
gründig ebenfalls für ein Verbot einsetzt,
gehört zu den Staaten, die an entsprechen-
den Technologien arbeiten und so versu-
chen, im globalen Rüstungswettlauf ganz
vorn mitzumischen. Deutschland und
Frankreich dagegen verfolgen einen Mittel-
weg: die politische Verregelung. Damit, so
die Argumentation, blieben alle wichtigen

Akteure mit am Tisch, und es gebe die
Chance, den Einsatz von Killerrobotern zu
steuern und zu kontrollieren. Langfristig
will Deutschland aber eine Ächtung vollau-
tonomer Waffen erreichen. Killerroboter
dürften nie zur Realität werden, sagte Au-
ßenminister Maas.
Die nun verabschiedeten Leitlinien ent-
sprechen der deutsch-französischen Ver-
handlungsstrategie. Nach Angaben des
Auswärtigen Amts schreiben sie die unein-
geschränkte Geltung des Völkerrechts
über alle künftigen Waffensysteme fest.
Auch muss die menschliche Verantwor-
tung und Zurechenbarkeit für den Einsatz

dieser Waffen gegeben sein. Die 125 Staa-
ten einigten sich darauf, bis 2021 ein Rah-
menwerk zu erarbeiten, das die verabschie-
deten Richtlinien ausgestaltet und Vorga-
ben zu ihrer Einhaltung macht.
Rüstungsgegner kritisierten das Ver-
handlungsergebnis aber als unzureichend.
Die Staaten hätten sich lediglich darauf ver-
ständigt, im Gespräch zu bleiben, heißt es
in einer Mitteilung der Internationalen
Kampagne zum Stopp von Killerrobotern.
Der Verbund aus etwa 130 Nichtregierungs-
organisationen setzt sich für ein vollständi-
ges Verbot von Killerrobotern ein. Die Di-
plomatie bewege sich „im Schneckentem-
po“, obwohl sich immer mehr Menschen
kritisch gegenüber vollautonomen Waffen-
systemen zeigten. Die Kampagne verweist
etwa auf UN-Generalsekretär António Gu-
terres, der ein Verbot fordert. Im Sommer
2018 haben außerdem mehr als 2000 For-
scher und Experten für künstliche Intelli-
genz ein Abkommen unterzeichnet, mit
dem sie versprechen, sich nicht „an der Ent-
wicklung, Herstellung, dem Handel oder
dem Gebrauch von tödlichen autonomen
Waffen“ zu beteiligen, weil die Entschei-
dung zu töten niemals einer Maschine
überlassen werden dürfe.
Staaten, die ein Verbot wollen, könnten
sich auch dafür entscheiden, außerhalb
der UN-Waffenkonvention einen entspre-
chenden Vertrag zu schließen. Dann gäbe
es zwar ein Verbot, jedoch wären die wich-
tigsten Rüstungsnationen wohl nicht Teil
davon. Schon die Verbotsabkommen zu
Streumunition und Anti-Personen-Minen
kamen so zustande. isabel pfaff

Paris –Der erste Jahrestag der „Gelb-
westen“-Proteste war in Paris über-
schattet von Krawallen. Im Süden von
Paris randalierten am Samstag Ver-
mummte und lieferten sich einen regel-
rechten Straßenkampf mit der Polizei.
Ein Großteil von ihnen trug keine gelbe
Warnweste, das Erkennungszeichen der
„Gelbwesten“. Der Pariser Polizeipräsi-
dent Didier Lallement sprach von „syste-
matischen Angriffen auf Sicherheits-
kräfte und Feuerwehrleute“. Der erste
Jahrestag sollte der sozialen Bewegung,
die zuletzt an Stärke verloren hatte,
wieder neuen Auftrieb verleihen. Die
Zahl der Demonstranten war allerdings
deutlich niedriger als beim Auftakt vor
einem Jahr. Nach Angaben des Innenmi-
nisteriums gingen in ganz Frankreich
28 000 Menschen auf die Straße, davon
4700 in Paris. Zahlreiche Metro-Statio-
nen in Paris waren am Wochenende
geschlossen. dpa  Seite 4


Lucknow –Bei Präsidentschaftswahlen in
Sri Lanka hat Oppositionsführer Gotabaya
Rajapaksa einen klaren Sieg errungen. Der
70-jährige frühere Verteidigungsminister
bringt damit den reichsten Politikerclan
im Land zurück an die Macht. Rajapaksa
setzte sich mit 52 Prozent der Stimmen ge-
gen seinen Rivalen Sajit Premadasa durch.
Der bisherige Präsident Maithripala Sirise-
na, der stark enttäuscht hatte, war nicht
mehr ins Rennen gegangen.
„Die Wähler halten Rajapaksas Verspre-
chen für glaubhaft, dass er Sicherheit
schaffen kann“, sagt Südasien-Expertin La
Toya Waha von der Konrad-Adenauer-Stif-
tung in Singapur. „Das ist ein wesentlicher
Grund für seinen Erfolg.“ Als Verteidi-
gungsminister habe Rajapaksa bewiesen,
dass er erfolgreich gegen eine extremisti-
sche Organisation wie die „Tamil Tigers“
vorgehen konnte, sagt Waha. Das habe ihm
nun geholfen, bei den Wählern zu punkten.
Nach den verheerenden islamistischen
Terrorangriffen auf Kirchen und Luxusho-
tels, die an Ostern 256 Menschen das Le-
ben kosteten, waren die Bürger Sri Lankas
geschockt, dass ihr Staat unter Präsident
Sirisena in der Terrorabwehr versagt hat-
te. Trotz vorheriger Warnungen wurde der
Sicherheitsapparat nicht aktiv, um sich ge-
gen die Angriffe zu wappnen. Premier und
Präsident wirkten ohnmächtig.

Mit Gotabaya triumphiert auch sein Bru-
der Mahinda Rajapaksa, der von 2005 bis
2015 Präsident war und nun das Amt des
Premierministers bekommen soll. Die bei-
den Brüder gelten in der buddhistisch-sin-
ghalesischen Mehrheit als Nationalhelden,
weil sie 2009 den Krieg gegen die tamili-
schen Rebellen im Norden durch eine mili-
tärische Offensive beendeten. Bei der tami-
lischen Minderheit allerdings schürt die
Rückkehr der Rajapaksas Unbehagen; vie-
le von ihnen hätten lieber einen ausglei-
chenden Präsidenten ins Amt gebracht.
Der Rajapaksa-Clan, der unter Präsi-
dent Mahinda ein weit verzweigtes Wirt-
schaftsimperium aufbauen konnte, hatte
2015 überraschend die Wahl verloren. Kor-
ruptionsvorwürfe und Angst vor einem zu-
nehmend autoritären Regime Rajapaksas
schürten Unzufriedenheit im Volk.
Der Wahlsieger hat in einer ersten Reak-
tion versöhnliche Töne angeschlagen, in-
dem er versprach, alle Bürger Sri Lankas
auf die Reise in eine neue Ära mitzuneh-
men. Allerdings hatte er im Wahlkampf
stets deutlich gemacht, dass er einen star-
ken Zentralstaat anstrebt, der dem Bud-
dhismus eine dominierende Rolle zuweist.
Damit misstrauen ihm vor allem die Tami-
len, die für ihre Region im Norden mehr Ei-
genständigkeit fordern. arne perras

Seltsame Kameraden: Auf einer Waffen- und Sicherheitsmesse in Kiew steht ein
Polizeihund neben einem Roboterfahrzeug mit einer Maschinenkanone. FOTO: AFP

Zuhören, reden, verändern


Eine „Konferenz für die Zukunft Europas“ soll ab 2020 das Vertrauen in die EU stärken. Das Parlament wird schon jetzt aktiv


von paul-anton krüger

München– PräsidentHassan Rohani ver-
kündete den Iranern gute Nachrichten.
„Ich sage dem Weißen Haus: In den Tagen,
in denen ihr den Verkauf unseres Öls mit
Sanktionen belegt, waren unsere Arbeiter
und Ingenieure in der Lage, 53 Milliarden
Barrel Öl zu finden“ rief er in der Wüsten-
stadt Yazd vor einer Woche den Menschen
zu. Dennoch unterbrachen Sprechchöre
mit regierungsfeindlichen Parolen Roh-
anis selbstgefälligen Jubelauftritt. Der Sen-
sationsfund in der Provinz Khusestan stei-
gert Irans Ölreserven noch einmal um ein
Drittel – aber fünf Tage, nachdem Rohani
ebendies bekannt gab, musste seine Regie-
rung subventioniertes Benzin rationieren
und zugleich die Preise drastisch erhöhen.

Billiger Sprit gilt den meisten Iranern
als natürliches Recht in einem der ölreichs-
ten Länder der Welt. Diese Subventionen
aber kosten den klammen Staat fast zwei
Prozent der Wirtschaftsleistung und pro-
duzieren unerwünschte Nebeneffekte: Es
gibt keinen Anreiz, Treibstoff zu sparen.
Geschätzt bis zu einem Fünftel wird außer
Landes geschmuggelt. Durch den Verfall
der Landeswährung Rial gegenüber dem
Dollar sind die Gewinnmargen exorbitant,
der Liter subventioniertes Benzin kostete
bislang umgerechnet etwa zehn Cent.
Bei den jüngsten Protesten entlädt sich
aber nicht nur die Wut über den auch vom
Internationalen Währungsfonds (IWF)
dringend empfohlenen Abbau der Subven-
tionen. Die Iraner sind ohnehin aufge-
bracht, weil sich ihre Lebensbedingungen
drastisch verschlechtert haben. Wie in Li-
banon die Einführung einer Steuer auf die
Nutzung des Nachrichtendienstes Whats-
app die Menschen zu Protesten motivierte,
die sich bald gegen das gesamte als kor-
rupt empfundene politische System richte-
ten, skandieren nun auch die Iraner Paro-
len gegen die Islamische Republik, gegen
den Obersten Führer Ayatollah Ali Chame-
nei, gegen Präsident Hassan Rohani und
dessen Regierung oder auch gegen Irans
Unterstützung für die Hisbollah, für Syrien
oder palästinensische Gruppen.
Die Menschen bekommen die Abwer-
tung der Landeswährung Rial um inzwi-

schen zwei Drittel und die Inflation von
mehr als 35 Prozent brutal zu spüren. Mit-
telklasse-Familien müssen die Anschaf-
fung von Hausgeräten verschieben, selbst
reichere Iraner können es sich kaum noch
leisten, ins Ausland zu reisen. Für die Ärme-
ren ist Fleisch zum unerschwinglichen Lu-
xus geworden. Die Mieten steigen, vor al-
lem in den ohnehin schon teuren Großstäd-
ten. Importierte Waren sind für viele inzwi-
schen nicht mehr bezahlbar, europäische
Produkte weichen türkischer oder chinesi-
scher Ware. Viele Iraner versuchen, sich
mit mehreren Jobs über Wasser zu halten,
aber es reicht vorne und hinten nicht.

Im Sommer hatte die Regierung besser-
gestellten Familien die Direktzahlungen
gestrichen, die Präsident Mahmud Ahma-
dinedschad einst eingeführt hatte. Sie ka-
men zuvor 78 Millionen der 83 Millionen
Iraner zugute. Nun sollen mit den Einspa-
rungen aus den Benzin-Subventionen die
Barzuweisungen für ärmere Familien er-
höht werden. Sie reichen von 550 000 Rial,
nach derzeitigem Kurs vier Euro, für Ver-
heiratete bis zu umgerechnet 15 Euro für
Familien mit fünf und mehr Personen. Kau-
fen kann man davon nicht viel, weil die
Preise ständig steigen. Präsident Rohani
hatte in einer Abkehr von der bisherigen Li-

nie seiner Regierung vergangene Woche
eingestanden, die Situation des Landes sei
„so schwierig und kompliziert“ wie nie seit
der Islamischen Revolution im Jahr 1979.
Der Staat sieht sich mit einem Haus-
haltsdefizit von 60 Prozent des umgerech-
net mit 45 Milliarden Dollar angesetzten
Budgets konfrontiert. Lange hatte Rohani
den Eindruck zu erwecken versucht, die
Wirtschaft stabilisiere sich. Er verwies auf
eine sinkende Inflation und steigende Ex-
porte anderer Produkte als Öl. Auch hatte
sich der Kurs des Rial stabilisiert. Nun aller-
dings gab Rohani bei einer Rede in Kerman
zu, dass „die Situation nicht normal ist“.

Tatsächlich kann Iran den Einbruch der
Einnahmen aus den Öl-Exporten, der von
den US-Sanktionen verursacht wird, nicht
mehr kompensieren. Iran hat auf die „Kam-
pagne maximalen Drucks“ von Präsident
Donald Trump mit einer „Kampagne maxi-
malen Widerstands“ reagiert. Greifbare Er-
gebnisse hat diese Politik, die dem Druck
ultrakonservativer Fraktionen und der Re-
volutionsgarden geschuldet ist, nicht ge-
bracht. Zu dieser Strategie zählen polit-
sche oder militärische Provokationen in
der Region. Zudem rückt Iran schrittweise
vom Atomabkommen ab, an dem die Euro-
päer ebenso festhalten wollen wie Russ-
land und China. Zuletzt hatte Iran die Uran-
anreicherung in der verbunkerten Anlage
in Fordow wieder aktiviert. Die Europäer
sahen sich zu einer scharfen Warnung ver-
anlasst und drohten Teheran, den Konflikt-
lösungsmechanismus aus dem Atomab-
kommen zu aktivieren.

Dies wäre der erste Schritt, die EU-Sank-
tionen wieder einzusetzen und das Dossier
an den UN-Sicherheitsrat zurückzuverwei-
sen. Aus Diplomatenkreisen heißt es, dies
werde unvermeidlich, wenn Iran die theo-
retisch benötigte Zeit zum Bau einer Atom-
waffe auf unter ein Jahr verkürze. Diese
Zeitspanne ist im Abkommen zwar nicht
genannt. Die Beschränkungen sind aber so
ausgelegt, dass sie zusammengenommen
diesen Effekt erzielen. Wenn Iran weiter
wie zuletzt Uran produziert, wird es diese
Marke zum Jahreswechsel erreichen.
Noch wollen die Europäer die von Frank-
reichs Präsident Emmanuel Macron gestar-
tete Vermittlungsinitiative zwischen den
USA und Iran nicht aufgeben. Macron
schlägt vor, dass Trump wieder Ausnahme-
genehmigungen an Drittländer erteilt, ira-
nisches Öl zu kaufen. Dafür müsste Iran be-
reit sein, dauerhafte Beschränkungen sei-
nes Atomprogramms zu akzeptieren und
über seine umstrittene Regionalpolitik
ebenso zu verhandeln wie über sein Rake-
tenprogramm. Irans Oberster Ayatollah
Chamenei hat aber Gespräche mit den USA
jüngst wieder kategorisch ausgeschlossen.
Doch der Druck auf ihn und Präsident Ro-
hani steigt mit den Protesten. Denn die
wenden sich nicht gegen die USA, sondern
gegen das eigene Regime.  Seite 4

London –Labour-ChefJeremy Corbyn
schließt eine Koalitionsregierung nach
der Parlamentswahl im Dezember aus.
„Wir werden keine Deals mit irgendje-
mandem machen“, sagte der Oppositi-
onsführer am Wochenende in einem
Fernsehinterview der BBC. „Wir werden
keine Koalitionsregierung eingehen.“
Andere Parteien wie die SNP müssten
sich dann entscheiden, ob sie Labour
oder den konservativen Premierminis-
ter Boris Johnson unterstützen wollten.
Die Vorsitzende der Schottischen Natio-
nalpartei (SNP), Nicola Sturgeon, will
noch vor Weihnachten die Befugnis für
ein erneutes Unabhängigkeitsreferen-
dum in Schottland einholen.
Am Samstag wurden auf der Insel vier
Meinungsumfragen veröffentlicht.
Demnach liegt Labour zehn bis 17 Pro-
zentpunkte hinter den Konservativen.
Die Briten sollen am 12. Dezember wäh-
len und damit auch über den Brexit-
Kurs von Johnson abstimmen. Dieser
hatte den EU-Austritt bis Ende Januar
versprochen. reuters


Minsk –Der weißrussische Staatschef
Alexander Lukaschenko hat bei der
Parlamentswahl am Sonntag in Minsk
offiziell seine Kandidatur für eine neue
Amtszeit im kommenden Jahr angekün-
digt. Er werde noch einmal antreten bei
der Präsidentenwahl voraussichtlich im
August 2020, sagte der 65-Jährige bei
der Stimmabgabe. Lukaschenko regiert
die frühere Sowjetrepublik Weißruss-
land (Belarus) seit mehr als 25 Jahren
mit harter Hand. In dem autoritär re-
gierten Land waren am Sonntag etwa
6,9 Millionen Menschen aufgerufen, ein
neues Parlament zu wählen. Der Präsi-
dent wollte mit der vorgezogenen Parla-
mentswahl seine Macht festigen. Inter-
nationale Wahlbeobachter kritisieren
die Wahlen in Weißrussland immer
wieder als nicht demokratisch. dpa


Prag –Zum 30. Jahrestag der Samte-
nen Revolution haben am Samstag in
Prag Hunderttausende Menschen ge-
gen die tschechische Regierung demons-
triert(FOTO: JOSEK/DPA). Veranstalter war
das Bündnis „Eine Million Augenblicke
für Demokratie“. Bei der Kundgebung
forderten die Teilnehmer den Rücktritt
von Ministerpräsident Andrej Babiš.
Der 65 Jahre alte Milliardär missbrau-
che seine Macht und stehe als Unterneh-
mer und Politiker in einem ständigen


Interessenskonflikt. Die Niederschla-
gung einer friedlichen Studentende-
monstration am 17. November 1989
hatte den Beginn der Samtenen Revolu-
tion, der demokratischen Wende in der
damaligen Tschechoslowakei, markiert.
„Es sieht heute nicht so aus, wie wir uns
das damals vorgestellt haben“, sagte
einer der Demonstranten. Babiš warf
ihnen vor, die „Atmosphäre des Jahres-
tags“ zu missbrauchen. Der gebürtige
Slowake steht an der Spitze einer Min-
derheitsregierung, die von den Kommu-
nisten geduldet wird. dpa


Krawalle in Paris


Der Rajapaksa-Clan herrscht über
ein weitverzweigtes Imperium

DEFGH Nr. 266, Montag, 18. November 2019 (^) POLITIK HF3 7
Setzt Iran sein Atomprogramm
fort,könnten die EU-Sanktionen
wieder eingeführt werden
Beginn eines Aufruhrs: Protestierende Iraner stecken in Isfahan auf einer Kreuzung Autoreifen in Brand. FOTO: AFP
Es geht auch darum,
wie die Entscheidungswege
verbessert werden können
Demokraten-Sieg in Louisiana
Das gesamte System ist korrupt,
subventionierter Sprit
wird ins Ausland geschmuggelt
Die Bundesregierung will
autonome Waffen
langfristig ächten
Benzingetränkte Lunte
In Iran protestieren die Menschen gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise und machen so ihrem Unmut
über die desolate Wirtschaftslage Luft. Doch es ertönen auch schon die ersten Rufe nach einem Ende des politischen Systems
Kein Fangschuss für den Killerroboter
Die UN wollen den Einsatz vollautonomer Waffensysteme regeln, ein Verbot aber lehnen wichtige Staaten ab
Corbyn schließt Koalition aus
Lukaschenko festigt Macht
Massenprotest gegen Babiš
AUSLAND
Machtwechsel
in Sri Lanka
Ex-Minister Rajapaksa wird
Präsident und verspricht Sicherheit

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