Handelsblatt - 18.11.2019

(Tina Meador) #1
Jens Münchrath Washington

E


s war eine Woche des
Missvergnügens für Do-
nald Trump – und die
kommende dürfte nicht
einfacher werden für den
US-Präsidenten. Die öffentlichen Anhö-
rungen im Kongress im Rahmen eines
möglichen Amtsenthebungsverfahrens
(Impeachment) brachten zwar nicht
den klaren, zwingenden Beweis, dass
Trump sein Amt missbraucht hat.
Aber die Zeugenaussagen zeichne-
ten das Bild eines Präsidenten, der
skrupellos versuchte, mit ukrainischer
Hilfe seinen demokratischen Heraus-
forderer Joe Biden zu diskreditieren.
Das Bild eines Präsidenten, der offen-
bar auch nicht davor zurückscheut, da-
bei sicherheitspolitische Interessen der
USA aufs Spiel zu setzen. Das Bild eines
Präsidenten schließlich, der dabei eine
Topdiplomatin einschüchtert und un-
ter abenteuerlichen Bedingungen ab-
beruft. „Alles, was Yovanovitch ange-
fasst“ habe, sei „schlecht“ geworden,
twitterte der Präsident, während die
ehemalige ukrainische US-Botschafte-
rin vor dem Geheimdienstausschuss
aussagte. Adam Schiff, demokratischer
Vorsitzender des Geheimdienstaus-
schusses, nannte das „Zeugenein-
schüchterung in Echtzeit“. Nancy Pelo-
si, Sprecherin der Demokraten im Re-
präsentantenhaus, sprach von „völlig
unangemessenem“ Verhalten.
Aber die Woche brachte noch mehr
schlechte Nachrichten für den Präsi-
denten. Die Niederlagen der Republi-
kaner bei zwei Gouverneurswahlen
verstärken die Zweifel am Nimbus des
„Unbesiegbaren“. In Louisiana gewann
am Wochenende der demokratische
Gouverneur John Edwards. Der Präsi-
dent hatte die Wahl zur Abstimmung
über seine Politik erklärt – und sich
persönlich für den republikanischen
Gegenkandidaten eingesetzt. Doch Ed-
die Rispone, der sich mit einem klaren
Bekenntnis zu Trump den Wählern
empfohlen hatte, verlor, wenn auch
mit 49 Prozent denkbar knapp. Bereits
Anfang November hatten die Republi-
kaner in Kentucky verloren. Damals
hatte Trump noch am Abend vor der
Wahl auf einer Bühne in Lexington ge-
standen und für den Republikaner
Matt Bevin geworben – vergebens.
Weitaus bedrohlicher für Trump al-
lerdings sind die Entwicklungen bei
den Ermittlungen im Impeachment-
verfahren. In dieser Woche werden
noch weitere Zeugen verhört, darunter
ein möglicher Schlüsselzeuge: Gordon
Sondland, US-Botschafter der EU, dem
ein enger Zugang zu Trump nachge-
sagt wird und der dessen Wahlkampf-
team eine Million Dollar gespendet
hat.

„Unangemessener Vorgang“
Der Präsident gerät zunehmend in die
Enge. Am Samstag veröffentlichte der
Geheimdienstausschuss des US-Reprä-
sentantenhauses die Mitschriften der
Befragungen von einem früheren Mit-
arbeiter des Nationalen Sicherheits-
rats, Tim Morrison, und einer Mitar-
beiterin von US-Vizepräsident Mike
Pence, Jennifer Williams. Beide äußer-
ten Bedenken über Versuche, die
ukrainische Führung mit Druck zu po-
litischen Ermittlungen gegen einen Ri-
valen Trumps zu drängen. Morrison
und Williams hatten bereits vor einigen
Tagen im Kongress ausgesagt, als die
Anhörungen noch nicht öffentlich wa-

Amtsenthebungsverfahren


Ein Präsident in der Enge


Donald Trump gerät in der Ukraine-Affäre zunehmend in


Erklärungsnot. Jetzt verlieren die Republikaner auch


noch wichtige Gouverneurswahlen.


ren. Beide hatten bei jenem Telefonat
zwischen Trump und dem ukraini-
schen Präsidenten Wolodimir Selenski
am 25. Juli mitgehört, das im Zentrum
der Ukraine-Affäre steht.
In dem Gespräch hatte Trump Se-
lenski zu Ermittlungen gegen den Sohn
seines demokratischen Rivalen Joe Bi-
den ermuntert. Trump wirft Biden vor,
in seiner früheren Funktion als Vize-
präsident versucht zu haben, seinen
Sohn vor der ukrainischen Justiz zu
schützen. Hunter Biden war bis April
2019 bei dem ukrainischen Gaskon-
zern Burisma beschäftigt.
Williams nannte Trumps Forderung
nach solch spezifischen Ermittlungen
in dem Telefonat mit Selenski „unge-
wöhnlich“ und „unangemessen“.
Morrison sagte aus, die zeitweise zu-
rückgehaltene Militärhilfe an die Ukrai-
ne sei daran geknüpft gewesen, dass
die Führung in Kiew öffentlich Ermitt-
lungen zu Burisma ankündige. Das ha-
be ihm der Botschafter Sondland ge-
sagt. Dieser habe viel direkten Kontakt
mit Trump gehabt, so Morrison weiter.

Im Senat wird es schwierig
Die Frage, ob der Präsident eindeutig
die Militärhilfe an die Ukraine in Höhe
von 400 Millionen Dollar als Druckmit-
tel einsetzte, um die gewünschten Er-
mittlungen zu erreichen, ist entschei-
dend für das Verfahren. Zwar wird es
mit großer Wahrscheinlichkeit zur An-
klageerhebung durch das Repräsen-
tantenhaus kommen, wo die Demokra-
ten über eine Mehrheit verfügen.
Ebenso wahrscheinlich ist aber auch
ein anschließender Freispruch im Se-
nat, wo die Republikaner die Mehrheit
stellen. Mancher republikanische Sena-
tor wird vielleicht zweifeln, ob es ange-
sichts der Schwere der Vorwürfe nicht
Bürgerpflicht ist, gegen den Präsiden-
ten zu stimmen. Aber für die zur Ver-
urteilung notwendige Zweidrittelmehr-
heit müssten 20 Republikaner die Seite
wechseln. Das scheint kaum denkbar.
Das wissen auch die Demokraten.
Ihr Ziel ist es zunächst, die öffentli-
che Meinung für sich zu gewinnen, um
den Druck auf die Republikaner zu er-
höhen. Die derzeitigen Umfragewerte
zeigen: Es hat sich etwas bewegt, viel
ist es nicht. Nach jüngsten Umfragen
unterstützen 48 Prozent der befragten
US-Bürger das Amtsenthebungsverfah-
ren. 45,6 Prozent sind dagegen. Die De-
mokraten müssten also für eine klare
Trendwende zumindest die Unent-
schlossenen auf ihre Seite ziehen. Im
Juli dieses Jahres, als über ein Amts-
enthebungsverfahren im Rahmen
der Russlandaffäre spekuliert wurde,
waren 50,6 Prozent der Befragten ge-
gen ein Amtsenthebungsverfahren.
Wie geht es weiter? Nach den An-
hörungen in dieser Woche kommt ei-
ne Thanksgiving-Pause. In der ersten
oder zweiten Dezemberwoche wird
über die Anklagepunkte im Reprä-
sentantenhaus abgestimmt. Die finale
Abstimmung über die Amtsenthe-
bung stünde dort dann womöglich in
der Woche vor Weihnachten statt.
Es werden also anstrengende Wo-
chen für den Präsidenten. Die physi-
schen Voraussetzungen, sie durch -
zustehen, hat Trump offenbar: Nach
einem routinemäßigen Gesundheits -
check twitterte der Präsident am
Sonntag: „Alles ist sehr gut.“ Eine
Sprecherin bekräftigte noch einmal,
so als ahnte sie, was auf ihren Chef
zukäme: „Gesund, tatkräftig und be-
lastbar“ sei der Präsident.

US-Präsident: Die Stimmung dreht sich

Unterstützung der Parteien für ein Impeachment gegen Trump

Unterstützen die Amerikaner das Impeachment gegen Trump?

Demokraten
Unabhängige
Republikaner

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24.7.2019 Mueller sagt
vor dem Kongress aus

HANDELSBLATT • Quelle: fivethirtyeight.com

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19.09.2019 Ukraine-Affäre
wird bekannt

15.11.
Aktueller Stand

24.7.2019 Mueller sagt
vor dem Kongress aus

19.09.2019 Ukraine-Affäre
wird bekannt

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Donald Trump: Auf den US-Präsidenten kommen anstrengende Wochen zu.

REUTERS

Wirtschaft & Politik


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MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
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