Handelsblatt - 18.11.2019

(Tina Meador) #1
Metro-Chef
Olaf Koch:
Von einem
unterschriftsreifen
Verkaufsvertrag
weit entfernt.

Dominik Pietsch/WirtschaftsWoche

Real-Supermarkt:
Die Unsicherheit über
die Zukunft des
Unternehmens schlägt
auf das Geschäft durch.

real

Florian Kolf Düsseldorf

A


us dem offenen Brief an
die Bundesregierung
spricht Verzweiflung.
„Das, was sich bei Me-
tro und Real abspielt
unter den Managern und Aktionären,
ist schlimmer als ein Spielcasino, und
das auf Kosten von 34 000 Menschen
und ihren Familien“, klagen die Auto-
ren aus dem Umfeld des Betriebsrats
an, die sich „Solis von Real“ nennen.
„Wir wollen endlich Klarheit und wis-
sen, wie es weitergeht“, fordern sie.
Die Familien der Mitarbeiter litten
unter dem Druck der Ungewissheit,
ob sie im Jahr 2020 ihre Arbeitsplätze
noch haben werden oder nicht.
Doch die Hoffnung ist gering, dass
die unendliche Geschichte um den
geplanten Verkauf rasch zu einem gu-
ten Ende kommt. Vor fast 14 Monaten
hat Olaf Koch, der Chef des Handels-
konzerns Metro, die angeschlagene
Tochter aktiv zum Verkauf gestellt.
Seit einem halben Jahr befindet sich
Metro in exklusiven Verhandlungen
mit dem Immobilieninvestor Redos.
Doch von einem unterschriftsreifen
Vertrag sind die Beteiligten immer
noch weit entfernt – trotz aller gegen-
teiligen Beteuerungen.
Ursprünglich wollte Koch sogar
schon im Frühjahr zu einem Ab-
schluss kommen, doch die Angele-
genheit entpuppte sich als viel kom-
plexer als gedacht. „Mit diesen Ansa-
gen hat er sich unnötig selbst unter
Druck gesetzt“, heißt es in der Bran-
che. „Die Verhandlungen mit Redos
werden mit Hochdruck fortgeführt,
um diese möglichst in den kommen-
den Wochen abzuschließen“, heißt es
jetzt vage von Metro-Seite. Redos will
auf Anfrage überhaupt keinen mögli-
chen Zeitpunkt nennen.

Real-Führung will Klarheit
Mittlerweile verliert selbst die Ge-
schäftsführung von Real die Geduld
mit dem Eigentümer. „Die Verhand-
lungen über einen Verkauf von Real
ziehen sich hin“, klagt Real-Ge-
schäftsführer Patrick Müller-Sarmien-
to im Gespräch mit dem Handels-
blatt. „Vor allem im Sinne unser Mit-
arbeiter wäre es wünschenswert,
dass hier rasch ein Ergebnis erzielt
werden kann“, sagt er.
Das größte Problem: Die Unsicher-
heit über die Zukunft des Unterneh-
mens schlägt mittlerweile auch auf
das Geschäft von Real durch und ver-
schlechtert die ohnehin schwierige

Situation weiter. Details dazu wollte
Müller-Sarmiento auf Nachfrage nicht
nennen, aber er betont: „Auch für
das operative Geschäft und unsere
Geschäftspartner ist es wichtig, dass
der Verkaufsprozess rasch abge-
schlossen wird.“
Wie das Handelsblatt aus dem Um-
feld des Unternehmens erfuhr, sind
es insbesondere die Lieferanten aus
der Konsumgüterindustrie, die auf
Distanz gehen. Viele seien nicht mehr
bereit, die gleichen Konditionen wie
in der Vergangenheit zu bieten. „Ge-
rade die Industriepartner sehen jetzt
die Möglichkeit, sich ihre Erträge wie-
der zurückzuholen“, sagt ein Insider.
Unternehmenskreisen zufolge soll
das das Unternehmen bereits einen
zweistelligen Millionenbetrag gekos-
tet haben. Das drückt direkt auf die
Gewinnmargen.
In den wichtigen Konditionenver-
handlungen für das kommende Jahr
herrscht noch keine echte Klarheit,
welche Märkte an Wettbewerber ab-
gegeben werden und welche Stand-
orte in der Kerngesellschaft von Real
verbleiben. Auch wie viele Märkte tat-
sächlich unter der Marke Real weiter-
geführt werden und wie hoch dann
das künftige Umsatzvolumen von
Real sein wird, ist von den Verhand-
lungen mit dem möglichen Investor
Redos abhängig.
Real-Geschäftsführer Müller-Sar-
miento bestätigte kürzlich auf einer
Pressekonferenz, dass weiterhin ge-
plant sei, 60 der insgesamt 277 Märk-
te in Eigenregie weiterzuführen. Da-
runter seien die vier Vorzeigemärkte
in Krefeld, Braunschweig, Aschaffen-
burg und Bahlingen, die bereits zu
Markthallen umgerüstet wurden, und

ein großer Teil der 35 Standorte, die
bereits mit Modulen dieses Markthal-
lenkonzepts modernisiert wurden.
Dazu kämen das eigene Fleischwerk
und das Digitalgeschäft mit dem On-
linemarktplatz real.de.
Eine Garantie dafür gibt es jedoch
nicht. „Wir können, solange wir uns
weiterhin im Verkaufsprozess befin-
den und die notwendigen Entschei-
dungen nicht gefallen sind, leider kei-
ne Aussagen zu einzelnen Standorten
und deren Zuteilung treffen“, erklär-
te eine Metro-Sprecherin auf Anfrage.
Es sei das gemeinsame Ziel von Me-
tro und Redos, einen starken Kern
von Standorten unter der Marke Real
weiterzubetreiben. Auch Redos sagt,
eine Festlegung, welche Standorte
unter der Marke Real fortgeführt
würden, sei noch nicht erfolgt.
Das Problem: Die modernisierten
und profitablen Standorte, die Müller-
Sarmiento gerne behalten würde, we-
cken natürlich auch die größten Be-
gehrlichkeiten bei den Konkurrenten.
Edeka hat die geplante Übernahme
von 87 Märkten bereits beim Bundes-
kartellamt angemeldet. Um welche
Standorte es sich dabei genau han-
delt, ist nicht bekannt. Die Wettbe-
werbshüter prüfen das jetzt sorgfältig.
Das Dilemma: Ein echtes Bild über die
künftige Wettbewerbssituation kann
sich das Amt erst machen, wenn auch
andere Konkurrenten sich erklären.
Doch die halten sich bisher zurück.
Kaufland teilte dem Handelsblatt
auf Nachfrage kürzlich mit: „Wir ha-
ben kein Angebot abgegeben.“ Rewe
und Globus sollen Redos unverbindli-
che Angebote gemacht haben, aber
dabei soll es sich jeweils nur um eine
einstellige Zahl an Märkten handeln.

Auch mit regionalen Supermarktbe-
treibern wie beispielsweise Bünting
soll der Investor im Gespräch sein.
Doch es kann sein, dass all das
nicht reicht: Da die Schließung von
rund 40 unprofitablen Märkten im
Konzept vorgesehen ist, müsste Re-
dos fast 180 Standorte an Konkurren-
ten übergeben. Wie das angesichts
der schleppenden Nachfrage funktio-
nieren soll, ist zurzeit völlig unklar.
Außerdem muss jeder einzelne Ver-
kauf vom Kartellamt geprüft werden.
Doch genau von diesen Unwägbar-
keiten hängt der Kaufabschluss zwi-
schen Metro und Redos ab. Denn der
Vertrag soll erst unterschrieben wer-
den, wenn klar ist, wer die Standorte
übernimmt, die nicht in der Kernge-
sellschaft verbleiben sollen.
Das bestätigt auch Metro. „Erst im
Anschluss an die Prüfungen können
die finalen Zuordnungen von Real-
Standorten erfolgen, sowohl bezüg-
lich der Abgaben an Händler als auch
des verbleibenden Real-Kerns“, sagte
die Metro-Sprecherin. Damit aber ist
die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es
in diesem Jahr nicht mehr zu einem
Verkauf kommt.
Der Immobilieninvestor x+bricks,
der ebenfalls für Real geboten hatte,
hatte Metro angeboten, Real im Paket
zu übernehmen und sich anschlie-
ßend um die Aufteilung der Märkte
auf andere Betreiber zu kümmern.
x+bricks hatte in einer Mitteilung be-
tont, er verfüge über ein „detaillier-
tes Konzept zur Sicherung der Einzel-
handelsstandorte von Real, in dem
diese über einen mehrjährigen Über-
gangszeitraum an erfahrene Partner
im Einzelhandels- und Warenhausge-
schäft wie Kaufland übergehen“.

Einzelhandel


Real-Rettung wird zum


Himmelfahrtskommando


Die Aufteilung der Handelskette verzögert sich, jetzt verliert


auch die Real-Führung die Geduld. Es tauchen sogar Zweifel auf,


dass der potenzielle Investor langfristig dabei bleiben will.


Unternehmen & Märkte
MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
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