Handelsblatt - 18.11.2019

(Tina Meador) #1
Matthias Streit Erfurt

D


ie Debatte um bezahl-
baren Wohnraum wird
derzeit in keiner ande-
ren deutschen Stadt so
scharf geführt wie in
Berlin. Und nirgendwo sonst greift
die Politik so radikal in den Immobi-
lienmarkt ein – etwa mit einem Mie-
tendeckel – wie in der Hauptstadt.
Für Lars von Lackum, Chef des
drittgrößten deutschen Immo-
bilienkonzerns LEG, ist das
sogar von Vorteil. Wäh-
rend die beiden grö-
ßeren Konkurrenten
teils beachtliche
Wohnungsbestän-
de in der Haupt-
stadt besitzen –
Deutsche Wohnen
hat 70 Prozent sei-
ner 159 000 Woh-
nungen in Berlin,
Vonovia immerhin
zwölf Prozent seiner
357 000 Wohnungen –
liegt keine einzige der
131 000 LEG-Wohnungen an
der Spree. Der MDax-Konzern hält
fast seinen gesamten Bestand in
NRW. Weniger als zwei Prozent des
Portfolios liegen außerhalb dieses
Bundeslandes in Niedersachsen und
Rheinland-Pfalz.
Trotz der bequemeren Lage im
Vergleich zu den Rivalen legt von
Lackum operativ ein hohes Tempo
vor, wie er im Gespräch mit dem
Handelsblatt betont. Erst im Juni hat
er das Chefbüro in Düsseldorf bezo-
gen, nachdem sein Vorgänger Tho-
mas Hegel sich nach 13 Jahren an der
Spitze der LEG zurückgezogen hatte.
In den ersten neun Monaten 2019
konnte der Konzern am Sitz in der
NRW-Landeshauptstadt seinen ope-
rativen Gewinn (FFO) um sieben Pro-
zent gegenüber dem Vorjahr auf 259
Millionen Euro steigern, wie die am
Freitag veröffentlichten Quartalszah-
len belegen. Die Gewinnprognose
wurde für dieses Jahr bei 338 bis 344
Millionen Euro bestätigt. Für das
kommende Jahr verspricht CEO von
Lackum im Gespräch sogar höhere
Erträge als bislang gedacht: Bis zu
380 Millionen Euro seien möglich;
bislang lag die Prognose bei maximal
364 Millionen Euro.

Optimistische Analysten
Rigorose Regulierung fürchtet von
Lackum nicht. „Meine Gespräche mit
der Landesregierung in Nordrhein-
Westfalen lassen keinen Anlass zur
Sorge aufkommen“, sagt er. Aber er
appelliert an die Bundesregierung,
eine stetigere Wohnungspolitik zu be-
treiben: „Wenn wir unentwegt politi-
sche Änderungsrisiken haben, wer-
den wir keine Investoren mehr fin-
den, die uns für 20 oder 25 Jahre
Kapital zur Verfügung stellen. Das be-
reitet mir Sorgen.“
Die Stimmungsschwankungen tref-
fen auch die LEG-Aktie: Seit Jahresbe-
ginn hat sie zwar deutlich zugelegt
(14 Prozent), der gesamte MDax aber
noch stärker (25 Prozent). Dennoch:
Analysten bleiben positiv gestimmt.
Im Handelsblatt-Analystencheck ra-
ten sechs von neun Experten zum
Kauf, drei weitere zum Halten der Ak-
tie. „LEG hat das geringste regulatori-
sche Risiko, und das ist im Moment
nun einmal das wichtigste Thema“,
sagt Thomas Neuhold, Analyst von
Kepler Cheuvreux. Sie rechnen mit
anhaltend guter Nachfrage in den
Großstädten. Die niedrigen Leerstän-
de sprechen dafür: Vonovia liegt hier
bei 2,9 Prozent, Deutsche Wohnen
bei 2,2 und LEG bei 3,6 Prozent.

Daher setzt von Lackum auf
Wachstum: Rund 7 000 Wohneinhei-
ten kauft seine Gesellschaft allein in
diesem Jahr. Abzüglich Verkäufen soll
das Portfolio um 5 700 Wohnungen
wachsen, deutlich mehr als im ver-
gangenen Jahr, als 3 750 Wohnungen
hinzukamen. Im kommenden Jahr
rechnet LEG durch die Zukäufe mit
einem Plus beim FFO von sechs bis
sieben Millionen Euro. Die Minder-
einnahmen durch Verkäufe sind da-
bei schon abgezogen.
Die Fokussierung auf NRW soll
zwar bleiben. LEG will künftig aber
ebenso jenseits des bevölkerungs-
reichsten Bundeslands zulegen. Das
zeigt auch der jüngste, am Freitag be-
kannt gewordene Deal: 2 200 Woh-
nungen erwirbt die LEG in Bremen
und Niedersachsen. Ende August hat

das Unternehmen ein Portfolio mit
730 Wohnungen erworben, überwie-
gend in Niedersachsen.
LEG will zudem neue Geschäfts-
felder erschließen: haushaltsnahe
Dienstleistungen. In einem Pilotpro-
jekt in Dortmund wird neuen Mie-
tern heute schon ein Grünstromver-
trag angeboten. Mieter sollen so
günstigere Preise als vom Grundver-
sorger erhalten. „Natürlich verdie-
nen wir daran, das will ich gar nicht
verhehlen, aber am Ende bekommt
unser Kunde auch ein preiswerteres
und zudem grünes Produkt, als er
sich normalerweise kaufen würde“,
sagt von Lackum. 60 Prozent der
neuen Mieter hätten den Stromver-
trag abgeschlossen.
Bei den Mietsteigerungen lag LEG
in den ersten neun Monaten mit 2,9

Prozent hinter der direkten Konkur-
renz. Vonovia konnte die Mieten in
seinem Portfolio um 4,0 Prozent,
Deutsche Wohnen um 3,4 Prozent
steigern. Der Hauptgrund liegt in der
Struktur des LEG Portfolios, das zu
einem Viertel aus Sozialwohnungen
besteht. Betrachtet man allein den
frei finanzierten Mietwohnungsbe-
reich, so konnten die Düsseldorfer
die Mieten um 3,7 Prozent steigern.
Das Gesamtbild könnte sich ohne-
hin schleichend ändern. In den Sozi-
alwohnungsbeständen, in denen die
Bindungsfristen auslaufen, müssen
Mieter offenbar mit Mieterhöhungen
rechnen. „Wir werden den 25-Pro-
zent-Anteil an geförderten Wohnun-
gen aufgrund von Nachwirkungsfris-
ten noch ein paar Jahre, keinesfalls
aber langfristig halten können“, sagt
von Lackum.

Die aktuelle Bilanzpräsentation wird
hier konkret: Im Laufe von zehn Jah-
ren fallen 24 000 Wohnungen aus
der Preisbindung für Sozialwohnun-
gen. Es gebe „bedeutendes Steige-
rungspotenzial“ bei den Mieten, das
zwischen 23 und 41 Prozent taxiert
wird, wie aus der Präsentation her-
vorgeht. Mieterhöhungen dürften bei
Investoren gut ankommen, sie rü-
cken aber auch in den Fokus der ge-
sellschaftlichen Debatten.

Härtefälle berücksichtigen
Um die zu beschwichtigen, hat sich
der Konkurrent Deutsche Wohnen
vor Kurzem einen Teilmietendeckel
auferlegt: Übersteigt die Miete nach
Mieterhöhungen 30 Prozent des ver-
fügbaren Haushaltseinkommens der
Mieter, soll die Miete maximal auf
der 30-Prozent-Schwelle gedeckelt
werden.
Seitdem seien 471 Härtefallregelun-
gen vereinbart worden. Außerdem
will Deutschlands zweitgrößter Ver-
mieter jede vierte Wohnung an Mie-
ter vergeben, die Anspruch auf eine
geförderte Wohnung haben. Seit der
Ankündigung seien 37 Prozent der
Wohnungen so vergeben worden,
teilte Deutsche Wohnen nun mit. Ein
solch konkretes Versprechen will von
Lackum flächendeckend nicht abge-
ben, betont aber, dass auch bei der
LEG Härtefälle berücksichtigt wer-
den. Laut Unternehmensangaben be-
trägt die durchschnittliche Mieterhö-
hung nach einer Modernisierung 83
Cent pro Quadratmeter. Bei Vonovia
waren es zuletzt 1,50 Euro.
Wachsen will LEG künftig auch im
Neubaubereich. Bis zu 250 Wohnun-
gen sollen pro Jahr entstehen, gibt
von Lackum die Zielrichtung vor. Da-
rüber hinaus sollen jährlich 250 Woh-
nungen in Neubauprojekten zuge-
kauft werden. Vonovia, deutlich grö-
ßer als die LEG, peilt in diesem Jahr
allein 2 000 Wohnungen an.

LEG


NRW als


Standortvorteil


Deutschlands drittgrößten Wohnungskonzern trifft


die Debatte um bezahlbaren Wohnraum kaum.


Diesen Vorteil will der neue Chef nutzen.


LEG Immobilien
Aktienkurs in Euro
101,20 €

HANDELSBLATT

1.1.2019 15.11.
Quelle: Bloomberg

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Wohnhaus der LEG: Der Gewinn der Firma steigt. Kleines Bild: CEO Lars von Lackum.

akg / euroluftbild.de/Hans Bloss, LEG Immobilien

Portfolio

98,6


PROZENT
der LEG-Wohnungen
liegen in Nordrhein-
Westfalen. Der Rest in
Niedersachsen und
Rheinland-Pfalz.

Quelle: LEG

Finanzen & Börsen
MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
32

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