Christoph Zweifel
Ein Zweifel für Zweifel
D
ie Lektüre von Stellenanzei-
gen bringt mitunter überra-
schende Erkenntnisse. Dass
der Chipshersteller Zweifel einen
neuen Chef bekommt, verriet zuerst
eine Annonce aus dem eigenen Haus.
Man suche einen neuen Marketing-
chef, hieß es in dem Inserat, das die
Schweizer „Handelszeitung“ als Ers-
tes entdeckt hatte.
Der Grund war die „Beförderung
des heutigen Leiters Marketing & Ver-
kauf zum CEO“. Christoph Zweifel,
50, bislang Marketingleiter, wird der
neue Chef des Schweizer Familienun-
ternehmens. Die Firma bestätigt den
Wechsel: „Damit nimmt erstmals seit
29 Jahren wieder ein Familienmit-
glied die Position als CEO ein.“
Zweifel ist der prominenteste
Snackhersteller in der Eidgenossen-
schaft. Mit 380 Mitarbeitern und ei-
nem Jahresumsatz von rund 227 Mil-
lionen Franken ist das Geschäft zwar
überschaubar, Zahlen zum Gewinn
verraten die Schweizer nicht. Doch
wie das Erfrischungsgetränk Rivella
oder das Ovomaltine-Malzpulver zäh-
len Zweifel-Chips zu den Marken, die
jeder Schweizer kennt. Dass es Zwei-
fel-Produkte auch in manchen Super-
märkten in Deutschland zu kaufen
gibt, liegt in erster Linie an den Exil-
schweizern: „Wir bieten unsere Pro-
dukte vor allem in der Grenzregion
an“, heißt es bei dem Unternehmen.
Die Wurzeln der Knabberfirma rei-
chen bis in die 50er-Jahre zurück. Auf
einem Bauernhof in Katzenrüti bei
Rümlang frittierte Hans Meier in ei-
ner riesigen Feldküchenpfanne die
ersten Kartoffelchips. Nach dem Tod
des Tüftlers zog Hans-Heinrich Zwei-
fel die Produktion im großen Stil auf.
Nun übernimmt dessen Sohn
Christoph Zweifel die Führung. Der
Schweizer hat an der Eidgenössi-
schen Technischen Hochschule, kurz
ETH, in Lebensmitteltechnik promo-
viert und bei den Lebensmittelkon-
zernen Unilever und dem Backkon-
zern Aryzta gearbeitet. Er folgt auf
Roger Harlacher, der das Unterneh-
men „hauptsächlich aus privaten
Gründen“ verlässt, wie es heißt.
Als Firmenchef muss Zweifel mit
seinen Produkten relevant bleiben –
und dabei gegen weitaus größere Ri-
valen wie Kellogg oder Intersnack be-
stehen. Mit Biochips und leichteren
Snacks wollen die Schweizer vom
Trend zur gesunden Ernährung pro-
fitieren. Die Zeiten ändern sich: Auch
bei Zweifel wird längst nicht mehr al-
les frittiert. Michael Brächer
Christoph Zweifel:
Eine neue Generation
für den Schweizer
Chipshersteller.
Zweifel
Qasar Younis: Für Schneestürme auf kurviger Strecke nicht gewappnet.
Pedro Fiuza/NurPhoto
Die Chipsfirma ist eine der
bekanntesten Schweizer
Marken. Nun rückt wieder ein
Familienvertreter an die
Spitze.
Qasar Younis
Geburtshelfer fürs
autonome Fahren
Applied Intuition entwickelt
Software, mit der Autobauer
Entwicklungskosten senken
können. Prominente
Investoren glauben daran.
K
eine Hände mehr am Steuer,
das Lenkrad ist im Armatu-
renbrett verschwunden und
während der Fahrt im Auto gibt es
plötzlich Zeit für viele andere Dinge.
Autonomes Fahren ist zwar noch ein
unerfüllter Traum, doch Fahrzeug-
hersteller und IT-Konzerne arbeiten
daran, weil sie an die Zukunft selbst-
steuernder Autos glauben.
Das schafft Raum für kleinere Zu-
lieferer, die den großen Konzernen
bei der Entwicklung zuarbeiten. Da-
zu gehört Applied Intuition, ein zwei
Jahre altes Start-up aus dem Silicon
Valley. Das Unternehmen stellt Test-
software bereit, mit der Autoherstel-
ler Fahrtests simulieren können. Das
macht die Entwicklung günstiger, die
Autos müssen dadurch weniger Kilo-
meter auf der Straße zurücklegen.
Über ein eigenes Büro in München
sind auch mit deutschen Autoherstel-
lern erste Projekte entstanden. Deut-
sche Industriellenfamilien haben sich
an der Finanzierung beteiligt.
Qasar Younis ist der Gründer von
Applied Intuition. Der 38-Jährige
stammt aus dem Großraum Detroit.
Von dort, wo General Motors, Ford
und Chrysler zu Hause sind. Dass er
sich einmal der Autobranche zuwen-
den würde, war also alles andere als
unwahrscheinlich. Younis hat auch
einige Jahre bei Google zugebracht,
wie ungefähr die Hälfte aller Applied-
Mitarbeiter.
Younis interessiert sich heute in
erster Linie für Software. Ein typi-
scher amerikanischer Gründer ist er
außerdem. Drei Start-ups hat er initi-
iert, alle aus dem Bereich Software
und IT. Anfang 2017 fiel die Entschei-
dung, mit Applied Intuition gezielt
beim autonomen Fahren anzusetzen.
50 Mitarbeiter zählt die Firma, 100
würden es noch in diesem Jahr wer-
den, glaubt Younis.
Er ist fest davon überzeugt, dass
sich die Automobilindustrie grundle-
gend wandelt. „Wir befinden uns in
der Transformation zum rein soft-
ware-gesteuerten Auto“, sagt er, „das
ist die Zukunft.“ Das autonome Fah-
ren werde ein Teil dieser neuen Auto-
welt sein, die über Software gesteu-
ert und gelenkt werde. Die Autobran-
che werde ihre über 100 Jahre
ausgeprägte, ausschließliche Verbin-
dung zur Mechanik verlieren.
Younis ist pragmatisch. Ein selbst-
fahrendes Auto müsse nicht für jede
Situation programmiert werden, wie
etwa mitten in der Nacht auf einen
schweren Schneesturm auf einer kur-
venreichen Bergstrecke. Es sei ausrei-
chend, wenn autonomes Fahren bei
einem Großteil möglicher Fahr- und
Wetterbedingungen funktioniere.
Microsoft ist beteiligt
„Die technischen Lösungen sind
schon jetzt vorhanden, das autono-
me Fahren ist da“, beteuert der
Gründer. Was jetzt noch fehle, sei die
wirtschaftliche Umsetzung zu ver-
nünftigen Kosten. Daran werde in
den nächsten Jahren gearbeitet wer-
den müssen, Applied Intuition könne
seinen Anteil leisten.
Das Start-up stelle nicht nur die
Testsoftware zur Verfügung, sondern
kümmere sich auch um die techni-
sche IT-Infrastruktur. Applied Intuiti-
on besitze zudem das Know-how, die
Testverfahren zu skalieren.
Younis hat Investoren mit seinem
Konzept überzeugt. Im Spätsommer
haben Wagniskapitalgeber 40 Millio-
nen Dollar bereitgestellt. „Geld, das
wir eigentlich überhaupt nicht ge-
braucht haben.“ Die Geldgeber hät-
ten unbedingt gewollt.
Kapital hat beispielsweise die
Venture-Capital-Sparte von Micro-
soft überwiesen. Aus Deutschland
ist ein Fonds von La Famiglia dabei,
in dem etwa Mitglieder der Familien
Viessmann, Miele und Siemens in-
vestiert sind.
Über seine Auftraggeber will You-
nis nichts sagen. Seine Kunden tun
sich damit nicht so schwer. „Es gibt
eine erste Zusammenarbeit mit Por-
sche und Audi“, heißt es dazu bestä-
tigend aus VW-Konzernkreisen in
Wolfsburg. Stefan Menzel
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Familienunternehmen des Tages
MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
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