Handelsblatt - 18.11.2019

(Tina Meador) #1
Cum-Ex-Geschäfte

Spezialeinheit gegen Steuersünder


Das Finanzministerium
nimmt organisierten
Steuerbetrug stärker ins
Visier. Der Vorstoß stößt auf
breite Zustimmung.

Dietmar Neuerer Berlin

B


undesfinanzminister Olaf
Scholz (SPD) will künftig mit
einer Taskforce aus Steuer -
experten gegen groß angelegten
Steuerbetrug wie im Fall der Cum-Ex-
Geschäfte von Banken und Anlegern
vorgehen. Das erfuhr das Handels-
blatt aus Regierungskreisen. Dem-
nach soll eine 43 Stellen starke Spezi-
aleinheit beim Bundeszentralamt für
Steuern eingerichtet werden. Fünf
weitere Stellen seien im Ministerium
selbst geplant. Die „Welt am Sonn-
tag“ hatte zuerst darüber berichtet.
Ziel der „Taskforce gegen Steuerge-
staltungsmodelle am Kapitalmarkt“
ist es, Betrugsmaschen schneller auf-
zudecken und das Treiben zu stop-
pen. Bei den „Cum-Ex“-Transaktio-
nen hatten Investoren dubiose
Aktiengeschäfte auf Kosten des Steu-
erzahlers getätigt. Mithilfe von Ban-
ken hatten sie sich mehrfach Kapital-
ertragsteuer erstatten lassen. Diese
Geschäfte haben den Staat Schätzun-
gen zufolge um die 30 Milliarden
Euro gekostet. Auch die Justiz befasst
sich mit dem Steuerskandal.
Insgesamt sei der Aufbau von mehr
als 100 neuen Stellen im Bereich
Steuerbetrug und Steuerumgehung
geplant, hieß es in Regierungskrei-
sen. Für die neue Truppe seien Aus-
gaben von etwa 21 Millionen Euro
veranschlagt, die im Bundeshaushalt
2020 schon eingeplant seien. Die
Spezialeinheit mit Profis aus der
Finanzbranche soll helfen, Steuer -
ermittlungen zu forcieren, indem sie
„Informationen über Handlungsmus-
ter und Akteure“ in einer Hand bün-
delt und auswertet. Zudem fungiere
die Einheit als Ansprechpartner für
Landesbehörden, die Finanzaufsicht
Bafin und ausländische Ermittler.
Der Koalitionspartner unterstützt
das Vorhaben. „Ich begrüße, dass
das Finanzministerium sich hier fach-
lich noch besser aufstellt“, sagte die
CDU-Finanzpolitikerin Antje Till-
mann dem Handelsblatt. Die Mitar-
beiter im Ministerium seien zwar
„sehr fit in jedem Detail der einzel-
nen Steuerart“, ihre Aufgabe sei es
aber bisher nicht, sich Steuergestal-
tungen auszudenken. „Damit sind so-
wohl das Finanzministerium als auch
wir häufig sehr spät, ungewollte Ge-
staltungen zu erkennen und gegebe-
nenfalls gesetzgeberisch gegenzu-
steuern.“ Es gelte, „gleiche Vorausset-
zungen zu den Beratern herzustellen,
die gezielt Steuergestaltungen erden-
ken“, so Tillmann. Das sei wegen der
neuen Meldepflichten bei grenzüber-
schreitenden Steuergestaltungen
auch zwingend. „Andernfalls gehen
solche Meldungen ins Leere, wenn
niemand sie inhaltlich bewertet.“
Der FDP-Finanzexperte Florian
Toncar sagte, die Liberalen hätten
bereits vor einem Jahr im Zuge der
Cum-Fake-Enthüllungen eine solche
Einheit gefordert. „Durch organisier-
ten Steuerbetrug entsteht ein immen-
ser Schaden, es wird Zeit, dass der
Staat diesem kriminellen Treiben mit
einer hochprofessionellen Einheit be-
gegnet“, betonte der Abgeordnete.

Auch von der Deutschen Steuer -
gewerkschaft kam Lob. „Eine solche
Spezialeinheit ist notwendig, um die
geplante ‚Anzeigepflicht für grenz-
überschreitende Steuergestaltungs-
modelle‘ rasch mit Leben zu erfül-
len“, sagte Gewerkschaftschef Tho-
mas Eigenthaler. Hintergrund ist ein
Gesetzentwurf von Scholz, wonach

Steuerberater stärker in die Pflicht
genommen werden sollen: Künftig
müssen sie alle Steuergestaltungsmo-
delle, die sie an ihre Kunden verkau-
fen, direkt dem Finanzamt melden.
„Es geht darum, findigen Steuerakro-
baten früher als bisher ins Handwerk
zu pfuschen“, sagte Eigenthaler. Die
Steuerverwaltung brauche viel früher

Finanzminister Olaf
Scholz (SPD): Betrugs-
maschen aufdecken.

als bisher Informationen über Hand-
lungsmuster und Modelle. „Wir kön-
nen nicht wieder wie bei Cum-Ex vie-
le Jahre warten, bis sich endlich et-
was tut.“ Scholz drückt aufs Tempo.
Schon an diesem Montag will er die
neue Einheit den Chefs der Steuerab-
teilungen bei Bund und Ländern vor-
stellen.

Andreas Pein/laif

Wirtschaft & Politik
MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
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