Deutsch Perfekt - 13.2019

(Ann) #1

Deutsch perfekt 13 / 2019 SPRACHFEATURE 39


A


ngst ist eine der
wichtigsten Emo-
tionen, die wir
Menschen haben
können. Wirklich
jede Person auf
Erden kennt die-

ses Gefühl. Es ist leicht zu erklären, wa-


rum das so ist. Stellen Sie sich zwei Men-


schen vor, die vor 50 000 Jahren gelebt


haben. Nennen wir sie Hans und Klara.


Hans ist gar nicht ängstlich. Wenn sich in


seiner Nähe das Gras bewegt, dann denkt


er: „Das ist sicher nur der Wind.“ Klara hat


aber immer Angst. Bei jedem komischen


Laut springt sie auf den nächsten Baum,


um sich in Sicherheit zu bringen – denn


es könnte ja ein Löwe sein.


In den meisten Situationen wird Hans

sicherlich recht haben. Kein Löwe hat


im Gras gewartet, und Klara sitzt ohne


Grund auf dem Baum. Wahrscheinlich


lacht Hans deshalb auch über Klara. Aber


einmal, ein einziges Mal, hatte Klara den


richtigen Instinkt: Es lag wirklich ein


hungriger Löwe im Gras. Klara wird dann


nicht über Hans lachen. Kann sie ja auch


gar nicht – Hans ist nämlich tot. Er wird


also keine Chance mehr haben, Kinder zu


bekommen und so seine Gene weiterzu-


geben. Anders Klara: Sie schon. Deshalb


stammen heute fast alle Menschen von


einer Klara ab, nicht von einem Hans. Fast


jeder von uns trägt also Klaras ängstliche


Gene in sich – besonders die Deutschen.


Synonyme und Wörter mit Angst


In der deutschen Sprache ist die Angst


nämlich sehr präsent. „Angst spielt eine


wichtige Rolle. Sie ist etwas, das in unse-


rer Gesellschaft einen großen Stellenwert


hat“, sagt Janine Luth, die Professorin für


Germanistik an der Universität Heidel-


berg ist. Sie hat im letzten Jahr eine Ta-


gung zu dem Thema Sprache und Angst


organisiert. Schon die Anzahl an Synony-


men, die es für dieses Wort gibt, zeigt die


Bedeutung der Angst für die Deutschen:


Furcht, Beklemmung, Bammel, Pa n i k, Horror,


Grausen, Schreck, Muffensausen, Zähneklap-


pern, Herzklopfen oder auch Schiss – alle die-


se Wörter können die gleiche Bedeutung


haben wie Angst.


Das Wort Angst selbst lässt sich in vielen
Situationen benutzen. Sie können damit
sogar etwas Positives sagen. Sie möchten
zum Beispiel nicht, dass Ihr Gegenüber
sich Sorgen macht? Nur keine Angst! ist
dann ein passender Satz.
Außerdem gibt es in Verbindung mit
anderen Vokabeln viele Komposita, die
mit Angst zu tun haben. Eine besonders
ängstliche Person ist ein Angsthase. Wenn
jemand sich so sehr fürchtet, dass er an-
fängt zu schwitzen, dann bricht ihm der
Angstschweiß aus. Ein schlechter Traum
heißt normalerweise Albtraum. Aber
wenn er besonders viel Angst macht,
kann man ihn auch Angsttraum nennen.
Und eine Person oder eine Mannschaft,
gegen die ich im Sport immer verliere, ist
mein Angstgegner.

Bekannte Ausdrücke und Sätze
Aber nicht nur das Wort Angst selbst ist
sehr vielseitig. Die Deutschen beschrei-
ben auch sehr gern den Prozess, wenn je-
mand Angst bekommt, in vielen verschie-
denen Formen – die oft sehr bildlich sind.
Wer etwas hört, sieht oder liest, das ihm
ein schlechtes Gefühl gibt, dem läuft es kalt
über den Rücken. Sie lesen eine besonders
furchteinflößende Szene eines Thrillers?
Dann wird es Ihnen sicherlich kalt über
den Rücken laufen.
Wenn Sie in einer Situation plötzlich
einen großen Schreck bekommen, dann
rutscht Ihnen das Herz in die Hose. Sie sind
auf einen hohen Turm gestiegen, obwohl
Sie schlimme Höhenangst haben, und
dort oben war es dann schrecklich für Sie?
Dann können Sie sagen: Ich bin tausend

auf Erden
, auf der Erde

s“ch vorstellen
, hier: sich denken

der Löwe, -n
, große, gelbbraune
Katze, die vor allem in
Afrika lebt

schon
, im Unterschied dazu: ja

„bstammen v¶n
, ≈ genetisch kommen von
tragen
, hier: haben

präs¡nt sein
, ≈ deutlich da sein

der St¡llenwert
, Wichtigkeit

die German“stik
, ≈ systematisches Studie-
ren der deutschen Sprache
und Literatur

die Tagung, -en
, ≈ Kongress; Treffen von
Experten

die [nzahl
, ≈ Zahl

die F¢rcht
, Angst

die Bekl¡mmung
, Angst; innere Unruhe
durch Angst; auch: Gefühl,
zu wenig Platz zu haben

der B„mmel
, m Angst

das Grausen
, starke Angst; Horror;
auch: ≈ Ablehnung

der Schr¡ck
, plötzliche Angst

das M¢ffensausen
, m Angst, z. B. vor
einer Prüfung

das Zähneklappern
, schnelle helle, harte
Laute durch die Zähne;
hier: m Angst

der Sch“ss
, m a Angst

das Gegenüber, -
, hier: Gesprächspartner

zu tun haben m“t
, hier: zum Thema haben

der Hase, -n
, kleines Tier mit langen
Ohren
s“ch f•rchten
, Angst haben

schw“tzen
, ≈ Schweiß auf der Haut
haben

(der Schweiß
, salziges Wasser, das
der Körper bei Angst,
Anstrengung oder heißen
Temperaturen nach außen
gibt)

ausbrechen
, hier: plötzlich nach
außen kommen

der Traum, ¿e
, von: träumen

der Gegner, -
, hier: Person oder
Mannschaft, gegen die
man spielt

vielseitig
, mit vielen Varianten

b“ldlich
, so, dass man in Bildern
spricht

f¢rchteinflößend
, so, dass etwas Angst
macht

s“cherlich
, ≈ sicher; bestimmt

r¢tschen
, hier: sich schnell
bewegen
Free download pdf